Geboren wird Maria K. im Jahre 1922 in der Gegend von Ahrweiler. Ihre Eltern sind – wie es im Behördenjargon später heißt - „fleißige und ordentliche Leute“. Sie besucht die Volksschule acht Jahre lang, allerdings nur mit sehr mäßigem Erfolg. Sie ist nach der Schilderung des Lehrers körperlich und geistig schwach, es fehle ihr die Willenskraft, aber auch die richtige Erziehung.
1936 Kaum ist Maria aus der Volksschule entlassen worden, stellt das Gesundheitsamt Ahrweiler beim Erbgesundheitsgericht Koblenz den Antrag, sie wegen angeborenen Schwachsinns aufgrund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zwangsweise zu sterilisieren.
1937 Stellungnahmen des ehemaligen Lehrers und des Bürgermeisters sind für Maria nicht ungünstig. Der Lehrer meint, Maria arbeite nun in Haus und Feld, zeige dabei viel Fleiß und Geschick; sie falle nur durch vorlautes Wesen auf. Der Bürgermeister attestiert, dass in der Familie K. keine Geisteskrankheiten oder andere Besonderheiten aufgetreten seien.
7. März 1938 Daraufhin setzt das Erbgesundheitsgericht Koblenz das Zwangssterilisationsverfahren aus.
1939 Auf Nachfrage des Gerichts gibt der Bürgermeister erneut eine günstige Stellungnahme ab:
Maria ist seit zwei Jahren in Stellung, Nachteiliges ist über sie nicht bekannt geworden. Sie ist fleißig und sauber, aber etwas willensschwach. Jedoch dürfte dieses noch auf ihr jugendliches Alter zurückzuführen sein. Sie dürfte durchaus in der Lage sein, in einem geordneten Berufsleben ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Sie kann als geistig und charakterlich vollwertiger Volksgenosse betrachtet werden.
1940 Auch der Amtsarzt bescheinigt ihr Unauffälligkeit und ist gegen eine Sterilisation.
3. April 1943 Jahre später – das Verfahren läuft noch – teilt das Gesundheitsamt dem Erbgesundheitsgericht mit, dass Maria wiederholt als Infektionsquelle für Geschlechtskrankheiten gemeldet worden sei; sie pflege offenbar wechselnden Geschlechtsverkehr.
12. April 1943 Der neue Bürgermeister weiß zu berichten, dass Maria einem geordneten Leben nicht zugänglich und geschlechtlich sehr rege sei. Weiter vermerkt er, sie sei politisch ziemlich teilnahmslos bzw. minderwertig und nirgendwo organisiert.
Dann überschlagen sich auf einmal die Ereignisse.
Maria wird in einer Lackfabrik zwangsweise dienstverpflichtet. Diese Arbeit hält sie nicht aus. Daraufhin kommt sie wegen Arbeitsverweigerung ins Gefängnis nach Koblenz.
21. Juli 1943 Dort erhält sie den Beschluss des Erbgesundheitsgerichts Koblenz, wonach sie wegen angeborenen Schwachsinns zu sterilisieren sei. Im Beschluss heißt es u.a.:
Von einer Lebensbewährung kann keine Rede sein. In der letzten Zeit ist sie als Infektionsquelle für Geschlechtskrankheiten gemeldet worden.
15. Oktober 1943 Zur Sterilisation kommt es zunächst nicht, weil Maria schwanger ist. Daraufhin wird sie ins Frauen-KZ Ravensbrück verschleppt. Dort wird der Fötus abgetrieben.
13. März 1944 Maria wird aus dem Frauen-KZ Ravensbrück in das Elisabeth-Krankenhaus in Koblenz überführt und hier - in Vollzug des Beschlusses des Erbgesundheitsgerichts Koblenz - zwangsweise sterilisiert.
April 1944 Drei Wochen nach der Sterilisation wird sie ins Frauen-KZ Ravensbrück „zurückgeführt“. Sie bleibt dort in „Schutzhaft“ bis zur Befreiung.
Nach einiger Zeit heiratet sie. Als ihr Mann später stirbt, ist sie wieder allein. Eine Entschädigung für die jahrelange Verfolgung hat sie erst vor einigen Jahren erhalten: 5.000.- DM. Das war alles für ihr langes Leiden.