Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 
 

Am 26. September 1929 kommt Willy in Bad Ems zur Welt, am 16. Januar 1931 sein Bruder Horst. Sie sind Söhne von Bernhard Strauß und seiner Frau Emma, geb. Glasmann. Der Vater ist Kaufmann und Metzger. Die Eltern leben in einer Mischehe, der Vater ist Jude, die Mutter evangelisch. 1933 wird der jüngste Sohn Günter geboren. Willy und Horst gehen in Bad Ems in die Schule. Ihre Leistungen liegen im normalen Bereich und geben zu keinen Beanstandungen Anlass.

Um 1938
Vater Bernhard kommt ins Konzentrationslager.

Mutter Emma ist auf sich allein gestellt. Sie muss den Lebensunterhalt für sich und ihre drei kleinen Kinder verdienen. Ihre Mutter hat einen ambulanten Handel mit Obst und Gemüse. Beide Frauen kümmern sich gemeinsam um die Kinder. Die Lage der Familie wird noch dadurch erschwert, dass der Ortsgruppenleiter der NSDAP in Bad Ems, der Lehrer Gilbert, wiederholt erklärt: Der Name Strauß soll ausgetilgt werden.

1941 Während die Familie ohne Vater und unter schwierigen Verhältnissen im Krieg klarzukommen versucht, haben Willy und Horst Probleme. In der Schule gelten sie als unordentlich, als Kinder, die mit kleinen Tricks schon einmal ihren Vorteil suchen. Auch sind sie in einem Geschäft aufgefallen, sie sollen dort kleine Diebstähle begangen haben. Das Jugendamt Bad Ems beobachtet dies einige Zeit und stellt dann beim Amtsgericht einen Antrag auf vorläufige Fürsorgeerziehung.

3. Dezember 1941 Das Amtsgericht Bad Ems beschließt für Willy und Horst die vorläufige Fürsorgeerziehung.

29. Januar 1942
Über beide wird die endgültige Fürsorgeerziehung verhängt. Zur Begründung heißt es, die Fürsorgeerziehung sei zur Beseitigung der Verwahrlosung wegen Unzulänglichkeit der erziehlichen Einwirkung der Mutter notwendig. Andere Mittel (seien) aussichtslos.

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Ems werden Willy und Horst in die Heilerziehungsanstalt Gut Kalmenhof bei Idstein/Taunus eingeliefert. Dort bleiben sie nicht lange, sondern kommen bald zu einer Familie im nahen Walsdorf in Pflege. In der Pflegefamilie geht es den beiden ganz gut. Ihr jüngerer Bruder Günter kann sie auch zweimal besuchen.

15. April 1943 Durch Erlass wird geregelt, dass die „jüdischen Mischlingskinder“ der Verwaltungsbezirke Hessen, Nassau und der Rheinprovinz in einer neu eingerichteten Abteilung der Heil- und Pflegeanstalt Hadamar zusammengefasst werden sollen.

3. Juni 1943
Horst wird als „jüdischer Mischling“ von Kalmenhof in die Anstalt Hadamar bei Limburg a. d. Lahn „verlegt“.

15. Juli 1943
Willy wird ebenfalls aus Kalmenhof nach Hadamar gebracht.

24. August 1943
Die Großmutter schreibt an die Anstalt Hadamar:
Teilen Sie mir bitte mit, was mit meinen beiden Enkeln Willy und Horst Strauß los ist, dass sie gar nichts von sich hören lassen. Ich habe Ihnen schon einmal geschrieben, aber leider keine Antwort erhalten. Meine Tochter, die Mutter der Kinder, lebt ebenfalls in Unruhe.

2. September 1943 Handschriftlicher Aktenvermerk der Anstalt Hadamar:
Willy Strauß – an Großmutter. Mit der Erkrankung seines Bruders Horst ist auch ihr Enkel Willy heute von einer schweren Darmgrippe und hohem Fieber befallen worden. Auch bei ihm ist das Herz sehr angegriffen und es besteht Lebensgefahr.

3. September 1943 Horst stirbt. In den Krankenunterlagen wird als Todesursache Enterokolitis (Entzündung des Dünn- und Dickdarms) angegeben.

4. September 1943 Auch Willy stirbt. Der Vermerk für ihn lautet: Erholte sich nicht mehr. Heute exitus.

 

Weiterführende Hinweise :


Astrid Pötz: Großmutter und Enkel erzählen, in: Sachor Heft 13 (1/97), S. 10 – 18.