Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 
 

Warwara T. ist Ukrainerin. Sie wird am 23. Dezember 1920 in der Nähe von Charkow in der Ukraine geboren.

22. Juni 1941 Unter dem Bruch des am 23. August 1939 abgeschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts überfällt die deutsche Wehrmacht ohne Kriegserklärung die UdSSR („Fall Barbarossa“).
Die deutsche Armee und ihre Verbündeten durchbrechen die sowjetischen Stellungen und erobern Estland, Lettland, Litauen, Weißrußland und die Ukraine. Die Wehrmacht dringt im Herbst 1941 bis in die Nähe von Moskau vor.

Winter 1941
Die sowjetische Winteroffensive führt zu einem teilweisen Rückzug des deutschen Heeres. Hitler erlässt den „Haltbefehl“ zum „fanatischen Widerstand“. Er entmachtet die militärische Führung und übernimmt die Oberste Heeresleitung.

Mai 1942
Im Frühjahr gewinnt die deutsche Armee Gebiete zurück. Es kommt zur Schlacht bei Charkow (17. bis 28. Mai 1942). In den von Deutschland besetzten Gebieten werden unter größten Anstrengungen Millionen von Arbeitskräften rekrutiert. Die deutschen Stellen versuchen es freiwillig und mit Zwang.

Sommer 1942
Die Arbeitskräfte können kaum noch freiwillig rekrutiert werden. Die Leiter der Anwerbungen erklären, dass trotz Steigerung der Werbung, Wegführung von Vieh oder selbst Androhung der Erschießung die restliche Bevölkerung nicht gewillt ist, den Gestellungsbefehlen nachzukommen.
In dieser Zeit kommt Warwara T., ohne dass Näheres bekannt ist, aus ihrem Geburtsort bei Charkow in der Ukraine an den Rhein. Sie ist „Ostarbeiterin“. Als solche wird sie besonders gekennzeichnet und muss auf ihrer Kleidung ein aufgenähtes Schild mit der Aufschrift „Ost“ tragen. Zunächst ist sie als Arbeiterin bei der Firma Brohltal AG in Urmitz bei Koblenz beschäftigt.

25. Januar 1944
Warwara wird von der Brohltal AG als Haushaltsgehilfin in das Städtische Krankenhaus Kemperhof in Koblenz überwiesen. In der dortigen „Ostarbeiter-Baracke“ untergebracht, dürfte ihre Lage der generellen Lebenssituation der Ostarbeiterinnen entsprochen haben: Schlechte Ernährung, schlechte „Bezahlung“, schlechte Unterbringung und Kleidung, oft überlange Arbeitszeiten, mangelnde ärztliche Versorgung, Übervorteilung durch deutsche Vorgesetzte, Diffamierungen und Misshandlungen.

27. Juli 1944 Das Krankenhaus Kemperhof teilt dem Arbeitsamt mit, dass Warwara im dritten Monat schwanger ist. Dies geschieht aufgrund der einschlägigen Vorschriften über die „Ostarbeiter“. Danach müssen schwangere „Ostarbeiterinnen“ zeitig gemeldet werden, „damit Abhilfe geschaffen wird“.

Das Gauarbeitsamt Moselland in Koblenz verfügt daraufhin bei Warwara die Zwangsabtreibung. In einem Schreiben des Arbeitsamtes an das Städtische Krankenhaus Kemperhof heißt es daraufhin:
Der ärztliche Dienst beim Gauarbeitsamt Moselland in Koblenz hat angeordnet, dass die schwangere Ostarbeiterin ... zwecks Unterbrechung der Schwangerschaft unter vorheriger Vereinbarung des Einlieferungstermins nach dort überführt werden soll.

24. August 1944
Warwara ist eine Woche lang stationär im Kemperhof untergebracht. Während dieser Zeit wird ihr die Leibesfrucht abgetrieben.

30. August 1944 Sie wird aus der stationären Abteilung als „geheilt“ entlassen.
Am folgenden Tag fordert sie das Arbeitsamt Koblenz als Arbeitskraft wieder an.

1. September 1944
Der Kemperhof überweist Warwara zur weiteren Arbeitsleistung an das Arbeitsamt.
Dann verliert sich die Spur der Ukrainerin Warwara T.
Warwara T. ist kein Einzelfall. Wie sie werden allein im Städtischen Krankenhaus Kemperhof in Koblenz mehrere hundert Polinnen und „Ostarbeiterinnen“ zur Abtreibung befohlen