Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 


Die Vorfahren des jüdischen Arztes Dr. Hugo Bernd lebten seit mehreren Jahrhunderten im Rheinland. Der Urgroßvater Abraham musste als „Schutzjude“ noch „Schutzgeld“ zahlen. Der 1818 in Hohensolms geborene Großvater Josef heiratete 1843 eine Jüdin aus Cochem und ließ sich in Koblenz nieder. Dessen Sohn (Vater von Hugo Bernd) Carl Bernd (1851 – 1913), gründete in Koblenz das Möbelhaus Bernd.

Hugo Bernd wird 1879 in Koblenz geboren, macht 1899 am Kaiserin-Augusta-Gymnasium (heute: Görres-Gymnasium) Abitur und studiert Medizin. Er nimmt am I. Weltkrieg teil und wird mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse (EK I) ausgezeichnet. Viele Jahre ist er in Koblenz Facharzt für HNO und für Sprachstörungen. Er und seine 1888 geborene Frau Senta (geb. Fuchs) lassen sich evangelisch taufen, ebenso seine Schwester Gertrud (*1882). Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratet Gertrud ein zweites Mal, den “Arier” Fritz Poeschmann. Dieser übernimmt das Möbelhaus Bernd. Hugo und Senta Bernd haben drei Kinder: Rolf (*1913), Beate (*1915) und Hans Reiner (*1929). Der Sohn Rolf studiert Musik.

1933 / 34 Der älteste Sohn Rolf, der Musik studiert und als Musiker auftritt, erhält – weil er Jude ist – ein Auftrittsverbot. Er wird Zionist, arbeitet mit bei der Kultivierung der Pontinischen Sümpfe in Italien. Dabei merkt er, dass er für ein hartes Landleben nicht geeignet ist.

1935 Rolf emigriert in die USA.


1938
Die Bernds und Fritz Poeschmann können das Möbelhaus nicht mehr in ihrem Besitz halten. Unter Druck wird es „arisiert“. Der „arische” Prokurist der Firma, der von den Voreigentümern der Firma durchaus geschätzt ist, übernimmt das Geschäft.


9. November 1938 Anlässlich der „Reichspogromnacht“ nimmt die Gestapo Hugo und Senta Bernd fest, entlässt sie nach einigen Tagen aber wieder.

1939 Dr. Hugo Bernd fühlt sich und seine Familie als Frontkämpfer des I. Weltkrieges und Träger des EK I geschützt. Deshalb nimmt er das Angebot eines Bruders des Brüderkrankenhauses in Koblenz, ihm ein Visum für China zu beschaffen, nicht an. Er sorgt aber dafür, dass Sohn Hans Reiner und Tochter Beate noch vor Beginn des II. Weltkrieges nach England emigrieren können.

1940 Später gelingt es dem Ehepaar Bernd nicht mehr, Deutschland zu verlassen.
Ihr Sohn Rolf leidet sehr darunter sowie unter der eigenen Einsamkeit und begeht in den USA im November Selbstmord.
Durch Vermittlung des Roten Kreuzes erhält der nach England geflohene Sohn Hans Reiner von den Eltern noch gelegentlich Briefe.

22. März 1942 Bei der ersten Deportation von Juden aus Koblenz betreut Dr. Bernd die jüdischen Mitbürger, er ist pausenlos im Einsatz, versorgt die Patienten, besorgt Medizin und hilft, wo er kann.

28. Februar 1943 Die Eheleute Hugo und Senta Bernd werden von Koblenz aus ins KZ Auschwitz deportiert und dort in den Gaskammern ermordet.

Ihre Kinder Beate und Hans Reiner überleben den Holocaust in England. Sohn Hans Reiner nennt sich John Burne, schlägt eine akademische Laufbahn ein und wird promoviert. Jahrelang ist er auf den Westindischen Inseln und später im westafrikanischen Sierra Leone tätig. Dort lernt er auch seine Frau Dena kennen. Die Eheleute kehren nach England zurück, Dr. John Burne wird Dozent an der Universität von London. Die Burnes haben zwei Söhne, der ältere hat den Geburtsnamen seines Vaters wieder angenommen und heißt Jonathan Bernd. Im Jahr 2004 kommen John und Dena Burne zum „Heimatbesuch“ nach Koblenz. Kurz darauf stirbt Hans Reiner Bernd/Dr. John Burne am 22. Oktober 2004 in England.

Das Möbelhaus Bernd in Koblenz hat mit den Bernds nur noch den Namen gemeinsam.