Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 

Am 10. August 1921 wird Addie Bernd als Sohn der jüdischen Eheleute Sally und Paula Bernd (geb. Wolff) in Koblenz geboren. Sein Vater stammt aus einer alteingesessenen Koblenzer Familie. Die Familie seiner Mutter lebte in Bad Münstereifel. Sowohl Addie Bernds Vater als auch sein Onkel Alfred waren im I. Weltkrieg Soldat. Vater und Onkel betreiben – inzwischen in der dritten Generation – ein Schuhgeschäft in der Balduinstraße/Ecke Goergenstraße, „Das Schuhhaus Gebrüder Bernd“. Die Bernds wohnen zunächst in der Rizzastraße, später in der Roonstraße. Addie geht in die Dr. Arle’sche Höhere Privat-Lehranstalt in der Casinostraße. Sie gilt im Gegensatz zu den anderen Koblenzer Gymnasien als eher weniger antisemitisch. Addie ist ein unternehmungslustiger Junge.

1933
Bald nach der „Machtergreifung“ der Nazis ziehen sich die christlichen Spielkameraden von Addie und seinen jüdischen Freunden zurück.


1937
Addie macht sein „Einjähriges“ (Sekundarabschluss I). Das Klima auf der Schule wird immer frostiger. Er verlässt das Gymnasium und beginnt eine Lehre als Drucker bei der Firma Mayer. Das ist eine Kuvertenfabrik mit 500 Beschäftigten in Koblenz-Lützel, ihre Eigentümer sind Juden. Obwohl er dort der einzige jüdische Lehrling ist, fühlt er sich dort sicher.


März 1938 Er ruft die Ortsgruppe Koblenz der Zionistischen Jugendvereinigung („Jüdischer Jugendbund Habonim noar Chaluzi“) mit 26 Mitgliedern wieder ins Leben. Die Gruppe wird von der Gestapo beobachtet, Addie wird zum Verhör vorgeladen.

Die Firma Mayer wird „arisiert“, d.h. die jüdischen Eigentümer werden gedrängt bzw. gezwungen, den Betrieb an Nicht-Juden günstig abzugeben. Damit ist Addies Ausbildung zu Ende.

9./10. November 1938
In der so genannten Reichspogromnacht verwüsten Gruppen der SA, SS und Gestapo auch in Koblenz jüdische Geschäfte und Wohnungen, die Synagoge, die Leichenhalle und den jüdischen Friedhof. Die Wohnung der Bernds wird ebenfalls demoliert. Addies Vater und sein Onkel Alfred werden – wie ca. 30.000 andere jüdische Männer – in Konzentrationslager verschleppt und kommen ins KZ Dachau. Nach einigen Wochen lässt man sie wieder frei.

1939 Addie wird in Köln als Elektroschweißer ausgebildet und in einem Schweißwerk in Köln-Ehrenfeld dienstverpflichtet.


22. März 1942 Die ganze übrige Familie Bernd wird bei der 1. Deportation von Koblenz aus verschleppt. Addies Vater Sally, seine Mutter Paula, sein Onkel Alfred, seine Tante Else und die Zwillinge Johanna und Bernhard transportiert man mit 332 weiteren Juden vom Güterbahnhof Koblenz-Lützel in das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin im „Generalgouvernement“. Als letztes Lebenszeichen erhält er von ihnen eine Postkarte. Sehr wahrscheinlich werden sie – wenn sie nicht schon vorher ums Leben kommen – in Vernichtungslager Sobibor oder Belzec mit Giftgas ermordet.

1942 Addie wird von der Gestapo in Köln verhaftet und im Gefängnis „Klingelpütz“ in „Schutzhaft“ genommen. Sechs Monate bleibt er in Einzelhaft. Zusammen mit anderen Gefangenen wird er von Köln in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert.

Dezember 1944 Vor der nahenden Roten Armee wird er mit anderen ins KZ Dachau verschleppt.


April 1945 Addie Bernds Odyssee ist immer noch nicht zu Ende. Als die US-Armee auf Dachau zumarschiert, bringt man ihn in Richtung Österreich.

1. Mai 1945
Auf freier Strecke hält der Zug mit den Häftlingen und sie werden von US-Truppen befreit.

Addie wiegt noch 96 Pfund und ist sehr schwach. Nach einer Woche fährt er mit dem Fahrrad nach Koblenz und sucht seine Familie. Er ist der einzige Koblenzer Jude, der Auschwitz überlebt hat und zurückkehrt. Addie Bernd gründet die Jüdische Kultusgemeinde Koblenz neu und ist ihr erster Vorsitzender nach dem Krieg. Er ist sehr engagiert, resigniert aber nach einigen Jahren. Sehr enttäuscht ist er vor allem wegen der Entnazifizierung, die er für eine Farce hält.

Im Jahr 1950 wandert Addie Bernd in die USA aus. Dort heiratet er bald seine Frau Lisa, eine Wienerin, und gründet eine Familie. Addie Bernd und auch seine Frau kommen Ende der 1990er Jahre wiederholt nach Koblenz auf „Heimatbesuch“.
Addie Bernd stirbt im Jahre 2001 in New York