Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 
Lydia Gritzenko wird am 6. Oktober 1923 geboren - sehr wahrscheinlich in der Ukraine.
 
22. Juni 1941 Trotz des 1939 abgeschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts überfällt die deutsche Wehrmacht ohne Kriegserklärung die UdSSR („Fall Barbarossa“).
 
Die deutsche Armee und ihre Verbündeten durchbrechen die sowjetischen Stellungen und erobern Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland und die Ukraine. Die Wehrmacht dringt im Herbst 1941 bis in die Nähe von Moskau vor.


Winter 1941 Die sowjetische Winteroffensive führt zu einem teilweisen Rückzug des deutschen Heeres. Hitler erlässt den „Haltbefehl“ zum „fanatischen Widerstand“. Er entmachtet die militärische Führung und übernimmt die Oberste Heeresleitung.

In den von Deutschland besetzten Gebieten werden unter größten Anstrengungen Millionen von Arbeitskräften rekrutiert. Die deutschen Stellen versuchen es auf freiwilliger Basis und mit Zwang.

Sommer 1942 Die Arbeitskräfte können kaum noch freiwillig rekrutiert werden. Die Leiter der Anwerbungen erklären, dass trotz Steigerung der Werbung, Wegführung von Vieh oder selbst Androhung der Erschießung die restliche Bevölkerung nicht gewillt ist, den Gestellungsbefehlen nachzukommen.

In dieser Zeit kommt Lydia Gritzenko, ohne dass Näheres bekannt ist, aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten Russlands an den Rhein.

Lydia wird als Zwangsarbeiterin bei der Familie Wasna auf der Karthause in Koblenz beschäftigt.

1943 Lydia Gritzenko fällt der Geheimen Staatspolizei in Koblenz wiederholt auf. Die Gestapo hat den Verdacht, dass sie bewusst langsamer arbeitet, als man es von ihr erwartet („Arbeitsbummelei“) und dass sie sich kritisch zu ihrer Lage und zur Situation im Dritten Reich äußert („deutschfeindliche Betätigung“). Beweisen kann man ihr aber nichts. Ihr Verhalten in dieser Situation als Zwangsarbeiterin ist aber so ungewöhnlich, dass die Gestapo meint, Lydia habe einen geistigen Defekt.

Der Ortsgruppenpropagandaleiter bemerkt, dass sie sich gegen den Willen ihrer Arbeitgeberin von zu Hause entfernt und bis 24.00 Uhr oder sogar 2.00 Uhr unterwegs ist („sich nachts bis 12 oder sogar 2 Uhr unkontrollierbar herumtreibt“). Dazu eingehend befragt, sagt sie, sie gehe mit deutschen Soldaten ins Kino. Auch gibt sie zu, als sowjetrussische Kommissarin ausgebildet worden zu sein. Man nimmt weiterhin an, dass sie mit anderen in Koblenz beschäftigten Zwangsarbeiterinnen in Verbindung steht, um diese gegen den NS-Staat zu beeinflussen.

30. April 1943 Der Kreispropagandaleiter meldet diese „Erkenntnisse“ dem Gaupropagandaleiter.

3. Mai 1943 Der Gaupropagandaleiter reicht den „Vorgang“ als sehr eilig an den Führer des Sicherheitsdienstes der SS (SD) von Koblenz weiter. („Auch im Interesse unserer Propagandaarbeit erscheint mir die Angelegenheit sehr eilig.“)

19. Mai 1943 Der Führer des SD Koblenz meldet der Koblenzer Gestapo diese „Erkenntnisse“.

7. Juli 1943 Lydia Gritzenko verweigert die Zwangsarbeit oder entfernt sich von der Arbeitsstelle. („sie wird arbeitsvertragsbrüchig“).

11. Juli 1943 Deswegen wird sie von der Gestapo Koblenz in „Schutzhaft“ genommen.

28. August 1943 Lydia Gritzenko wird von Koblenz aus in das KZ Auschwitz deportiert.

3. September 1943 Die Gestapo Koblenz teilt dem SD Koblenz die Einweisung ins KZ Auschwitz mit und schreibt weiter: Die Angelegenheit kann damit als erledigt angesehen werden.

 

 

Für Lydia Gritzenko wurde an ihrem letzten Wohnsitz ein Stolperstein in Koblenz, Hüberlingsweg 43 verlegt.