Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

   

Heinrich R. wird am 8. April 1911 in Koblenz geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger wie seine Eltern auch. Beide Eltern sterben früh. Seine Halbschwester sagt später, der Vater habe erzählt, dass seine Frau, die Mutter Heinrichs, von einem Schwarzen überfallen worden sei. Heinrich besucht die Volksschule und beginnt eine Schuhmacherlehre. Diese bricht er bald ab und ist ab 1927 in Hotelbetrieben als Liftboy und als Hoteldiener tätig. Seine Arbeitgeber stellen ihm gute Zeugnisse aus.

15. September 1935 Auf dem sog. Reichsparteitag der Freiheit wird das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (Blutschutzgesetz) beschlossen. Danach sind Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes verboten.

14. November 1935 Die 1. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre bestimmt, dass eine Ehe ferner nicht geschlossen werden soll, wenn aus ihr eine die Reinhaltung des deutschen Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwarten ist. Jeder Heiratswillige muss durch ein Ehetauglichkeitszeugnis nachweisen, dass kein Ehehindernis besteht.

24. Februar 1936 Ein Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern regelt, dass bei Zweifeln an der Richtigkeit der abstammungsmäßigen  Unterlagen ein Sachverständigengutachten eines Instituts für Erbbiologie und Rassenhygiene eingeholt werden muss.

Frühjahr 1936 Heinrich R. und seine einige Jahre ältere Verlobte, die ein Kind hat, für das er auch sorgt, beabsichtigen zu heiraten. Deshalb stellen beide einen Antrag auf Ausstellung eines Ehetauglichkeitszeugnisses. Heinrich weist seine „arische“ Abstammung bis zu seinen Großeltern nach. Es fehlt nur der Nachweis für seinen Großvater väterlicherseits, da sein Vater nichtehelich geboren ist. Er hat zwei jüngere Geschwister, die „arisch“ aussehen.

20. Oktober 1936 Das daraufhin eingeholte Gutachten stellt fest, dass Heinrich R. ein „Negermischling“ ist.

5. Januar 1937 Das Gesundheitsamt Koblenz versagt ihm und seiner Braut das Ehetauglichkeitszeugnis, weil bei der Braut keine Eheschließung mit einem erbgesunden deutschen Mann zu erwarten sei.

4. Juli 1938 Heinrich R. bittet den „Stellvertreter des Führers“ um die Genehmigung zur Heirat.

3. September 1938 Der zuständige Regierungspräsident lehnt dieses Gesuch ab, weil für die Genehmigung zur Heirat ein Ehetauglichkeitszeugnis erforderlich ist und dieses abgelehnt wurde.

Frühjahr 1939  In der Hoffnung auf die Erteilung der Heiratsgenehmigung sucht Heinrich R. bei der „Sonderkommission zur Durchführung eines Auftrages auf dem Gebiete der Volksgesundheit“ um seine Unfruchtbarmachung nach.

19. Mai 1939 Obwohl er von der Sonderkommission belehrt wird, dass er nach einer Sterilisation nicht sicher mit einer Heiratsgenehmigung rechnen könne, hält er seinen Auftrag auf Unfruchtbarmachung aufrecht. Seine Sterilisation wird daraufhin von der Sonderkommission beschlossen und in einem Krankenhaus in Bad Kreuznach durchgeführt.

Juli 1944 Heinrich R. stellt erneut einen Antrag auf Erteilung eines Ehetauglichkeitszeugnisses.

25. Juli 1944 Auch dieser Antrag wird vom Gesundheitsamt Koblenz abgelehnt.

7. September 1944 Heinrich R. beantragt wieder die Genehmigung zur Heirat. Auch dieser Antrag wird abgelehnt.


Foto mit fr. Genehmigung: Landeshauptarchiv Koblenz, Akten des Gesundheitsamtes Koblenz betr. Heinrich R.