Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

    

Moses und Paul Sonnenberg sind Vater und Sohn. Der 1883 in Selters/Unterwesterwaldkreis geborene Vater ist Pferdehändler. Nach dem I. Weltkrieg heiratet Moses seine aus Niederbachheim bei Nastätten im Taunus stammende (1.) Frau Irma, geb. Blum. Bald ziehen die Eheleute nach Koblenz. Hier wohnen sie zusammen mit Moses’ Schwiegervater Karl Blum in einem kleinen Haus in der Mainzer Straße. Auf dem Grundstück betreibt Moses Sonnenberg seinen Pferdehandel, dort befinden sich auch die Stallungen und eine Pferdebahn. Die Eheleute haben zwei Söhne, den 1921 geborenen Gerhard Siegfried und den 1925 geborenen Paul. Die Sonnenbergs leben in guten wirtschaftlichen Verhältnissen, haben ein Kindermädchen, fahren ein nagelneues Auto und wählen die Deutsche Staatspartei, eine linksliberale bürgerliche Partei. Die Söhne gehen in Koblenz zur Schule und haben zahlreiche Freunde, vor allem jüdische.

1933  Der Pferdehandel von Moses Sonnenberg wird seit dem Judenboykott am 1. April gemieden. Der Geschäftsbetrieb geht weiter zurück, nachdem schon in den letzten Jahren durch die Motorisierung der Handel mit Pferden nachgelassen hat und die Käufer im Zuge der Weltwirtschaftskrise ihre Schulden nicht bzw. nur zögerlich begleichen.

1934  Die Ehefrau und Mutter Irma stirbt ganz unerwartet. 

1936  Spätestens seit den Nürnberger Rassegesetzen (vom 15.September 1935) wird das Klima für die beiden Söhne in der Schule noch rauer. Nach einem Tumult von Schülern gegen Gerhard Siegfried und seiner Gegenwehr muss er mit Ende der 9. Klasse (Obertertia) 1936 das Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium (heute: Eichendorff-Gymnasium) verlassen. Mit 14 Jahren beginnt er eine Lehre als Maschinenschlosser in Düsseldorf. 

1937  Die Familie Sonnenberg beginnt sich aufzulösen. Im März begeht Großvater Blum Selbstmord. 

1938  Im Februar verlässt Moses Sonnenberg Koblenz. Vor einem ihm von den Nazis angehängten Strafverfahren flieht er nach Holland. Die Zeitung der Nazis titelt: Na klar, Jud Sonnenberg getürmt. Der Feigling hatte allerhand auf dem Kerbholz und gebrauchte seine Angestellte zu  Betrügereien.

Seine Lebensgefährtin Betty Michel wird Mitte März in Untersuchungshaft genommen und später wegen Urkundenfälschung unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Angeblich hat sie bei einem Wechsel die Unterschrift gefälscht. Der 12-jährige Paul wird von Wilhelm Kahn in dessen Familie aufgenommen. Kahn und Rechtsanwalt Dr. Isidor Treidel sind seine Vormünder.

9./10. November 1938 Bei dem Novemberpogrom („Reichspogromnacht“) wird die Wohnung der Familie Kahn vollständig demoliert.

Paul muss – wie alle jüdischen Schüler –  das Gymnasium verlassen. Er wird nie mehr eine Schule besuchen dürfen.  
Paul schreibt das Gedicht: Wohin mit uns? In ihm heißt es, dass die Auswanderung das die Juden beherrschende Gesprächsthema ist. Die Frage ist aber: Wohin? Die Antwort ist Ratlosigkeit: Es ist zum Verzweifeln, denn kein Land will uns Juden aufnehmen

Beim zweiten Versuch, Ende Dezember, gelingt Gerhard Siegfried schließlich die Ausreise aus Deutschland nach Holland.

1939  Anfang April kann Paul mit einem Transport der jüdischen Jugendalijah von Koblenz nach Amsterdam fliehen. Dort lebt er in einem Jugendalijahheim.

Bald kommt auch Moses’ Lebensgefährtin Betty nach Holland. Moses und Betty wohnen in recht ärmlichen Verhältnissen in Rotterdam.

Im Juli gelingt Gerhard Siegfried die (illegale) Auswanderung nach Palästina.

1940/1941  Moses bittet seinen Sohn Gerhard Siegfried um Hilfe bei einer Emigration nach Palästina. Er erhält sie auch. Zu einem weiteren Kontakt kommt es nicht mehr.

Inzwischen hat Hitler-Deutschland auch Holland besetzt. Paul bringt man in ein anderes Heim der Jugendalijah. Er arbeitet wie die anderen auf Bauernhöfen in der Umgebung. In seiner Freizeit schreibt er an einem Singspiel. Es sind Sprech- und Gesangstexte, die populären Liedern unterlegt sind, und die die Ereignisse der Jugendalijah illustrieren. Das Heim wird von den deutschen Besatzern aufgelöst.

1942  Kurz nach seinem 17. Geburtstag wird Paul, als er in Amsterdam untergetaucht ist, von den deutschen Besatzern gefasst und in das holländische Konzentrationslager Westerbork verschleppt. Dort trifft er seinen Vater und dessen Lebensgefährtin Betty. Beide heiraten noch.

1943/44  Moses, Betty und Paul werden von Westerbork in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Herbst 1944 Moses und Paul Sonnenberg verschleppt man von Theresienstadt aus weiter in das Vernichtungslager  Auschwitz-Birkenau. Dort wird Moses wohl am 18. Oktober 1944 mit Giftgas ermordet.

22. Januar 1945  Paul Sonnenberg kommt in Auschwitz um – vier Tage vorher hat die Auflösung des Lagers begonnen.