Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Sybilla Roos wird als eines von mehreren Kindern des Bäckermeisters Hubert Ross und seiner Ehefrau Katharina, geb. Dötsch, am 19. März 1868 in Koblenz geboren. Über ihr Leben ist nichts Näheres bekannt.

August 1942 Ein Jahr nach Beendigung der 1. Phase der NS-„Euthanasie“ („T4-Aktion“) am 24. August 1941 beginnt in der Tötungsanstalt Hadamar die 2. Phase der NS-„Euthanasie“, die sog. dezentrale Phase (auch „wilde Euthanasie“ genannt). Hierbei werden die Patienten mit der Medikamentengabe in Überdosen, mit Hungerkost und vorenthaltener medizinischer Hilfe ermordet.

Zu dieser Zeit lebt die fast 75-jährige Sybilla Roos im gemeinsamen Haushalt bei ihren Geschwistern in Koblenz.          

1944 Ab dem 22. April 1944 wird Koblenz immer mehr zum Ziel größerer und großer Luftangriffe der Alliierten. Im September folgen weitere Angriffe.

23. September 1944 Wegen der immer schwerer werdenden Luftangriffe werden Frauen und Kinder aufgefordert, die Stadt Koblenz zu verlassen.

24. September 1944 Von Koblenz aus fährt der erste Zug mit 600 „Umquartierten“ nach Thüringen. Bis zum Ende des Jahres verlassen schätzungsweise 40.000 Menschen Koblenz mit dem Ziel Thüringen.

9. Oktober 1944 Die Geschwister Roos werden in ihrer Wohnung in Koblenz ausgebombt. Auch sie verlassen daraufhin Koblenz. Die 76-jährige Schwester nehmen sie nicht nach Thüringen mit. Vielmehr bringen sie sie zuvor in das Altersheim in Horchheim.

Sybilla Roos bleibt nicht lange im Altersheim. Von Horchheim wird sie in die Landesheilanstalt in Herborn verlegt.

6. Februar 1945 Auch in Herborn ist ihr Aufenthalt nur kurze Zeit. Sie wird dann in die Landesheilanstalt Hadamar gebracht. Dazu heißt es im ärztlichen Zeugnis vom selben Tag formularmäßig, sie sei „geisteskrank und fernerhin der Pflege in einer Irrenanstalt bedürftig (Diagnose: Verhärtung der Gehirnsubstanz)

7. Februar 1945 Die Anstalt Hadamar schreibt an den Landrat – Abteilung Räumungs-Familienunterhalt – in Limburg/Lahn, dass sie nach Hadamar verlegt sei und bittet, die Kosten für den weiteren Unterhalt wie bisher zu übernehmen.

8. Februar 1945 Im Krankenblatt heißt es u.a.: „Rapider Verfall, Herzschwäche“.

10. Februar 1945 Krankenblatt: „äußerst geringe Nahrungsaufnahme, Zunahme der Schwäche, moribunder Zustand“ (im Sterben liegend).

12. Februar 1945 Sechs Tage nach der Einlieferung in die Tötungsanstalt Hadamar stirbt Sybilla Roos. Der letzte Eintrag im Krankenblatt lautet: „Exitus an Marasmus senil(is)“ (Tod durch körperlichen und geistigen Abbau im Alter).

Am selben Tag macht die Anstalt Hadamar einer in Westdeutschland verbliebenen Schwester von Sybilla Roos die „traurige Mitteilung“, dass diese „heute in der hiesigen Anstalt verstorben ist. Die Beisetzung findet in aller Stille auf unserem Anstaltsfriedhof statt.“

16. Februar 1945 Dieser Schwester schickt die Anstalt den Nachlass von Sybilla Roos: 1 Paar Schuhe, 1 Paar Strümpfe, 1 Taschentuch, 1 Hemdhose, 1 Hose, 3 Halstücher, 1 Unterrock, 1 Jacke, 1 Hemd, 1 Mantel, Das Paket kommt nicht bei der Schwester an.

19. Februar 1945 Die Anstalt Hadamar teilt dem Landrat in Limburg mit, dass Sybilla Roos verstorben ist und macht als Pflegekosten für die Zeit vom 7. bis 12. Februar 1945 und als Beerdigungskosten einen Betrag von 65 Reichsmark geltend.

Im August 1945 holt die Schwester als Nachlass ein Paar Stiefel und einige Kleidungsstücke von Sybilla Roos in der Anstalt Hadamar ab.

Ein Jahr später melden sich die aus Thüringen zurückgekehrten Geschwister bei der Anstalt Hadamar und bitten um die Übersendung des Besitzes, die ihre Schwester bei der Einlieferung bei sich gehabt habe, u.a. zweier goldener Ringe.

Die Anstalt erwidert, dass sie den Nachlass der anderen Schwester im August 1945 übergeben habe. Weitere Sachen, wie die beiden goldenen Ringe, seien nicht vorhanden. Möglicherweise seien diese bei der Verlegung nicht mehr in Hadamar angekommen.