Der am 25. Oktober 1898 in Arenberg geborene Hans Ch. stammt aus einer alteingesessenen Arenberger Handwerkerfamilie. Geisteskrankheiten sind in der Familie nicht aufgetreten. Sein Vater hat einen kleinen Installationsbetrieb. Hans besucht die Volksschule in Arenberg. Das Schulentlassungszeugnis weist ihn als einen unterdurchschnittlichen Schüler aus. Die meisten Noten sind „genügend“, in Katechismus, Erdkunde und schriftlichem Deutsch ist er „ungenügend“. Anschließend macht Hans eine Lehre bei einem Hufbeschlagschmied in Koblenz. Danach ist er wohl freiwillig Soldat im Ersten Weltkrieg und später im Betrieb seines Vaters tätig. Immer wieder kommt er mit dem Gesetz in Konflikt, mit 23 Jahren zum ersten Mal. Immer wieder begeht er kleine vor allem Eigentumsdelikte, bis Ende 1932 sind es insgesamt zehn Straftaten.
14. Juli 1933 Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wird erlassen. Es regelt die Unfruchtbarmachung wegen neun Krankheiten, u.a. wegen Schizophrenie (Psychose u.a. mit Wahnvorstellungen).
Frühjahr 1935 Hans ist weiter straffällig. Jetzt sind es kleinere Betrügereien, die wegen des Rückfalls immer härter bestraft werden. In einem dieser Strafverfahren stellt das Schöffengericht Koblenz ausdrücklich fest, dass er nicht geisteskrank ist.
Sommer 1935 Nach der Verurteilung sitzt er im Gefängnis Wittlich ein und verbüßt eine der Strafen.
3. September 1935 Man macht mit ihm einen Intelligenztest anhand des standardisierten „Intelligenzprüfungsbogens“. Dabei beantwortet er fast alle Fragen und in einer Art und Weise, dass er einem Laien nicht als „dumm“, schwachsinnig erscheint.
1. Oktober 1935 Der Arzt der Strafanstalt Wittlich erstattet ein amtsärztliches Gutachten zu Hans Ch. Darin heißt es u.a.:
Es handelt sich um einen Grenzfall. Intellektuell ist er wohl nur leicht schwachsinnig und kann auch diesen Defekt durch sein gewandtes Reden überdecken. Vom kriminellen Standpunkt aus ist er ein unverbesserlicher Rechtsbrecher, der durch Willensschwäche und hemmungslose Genusssucht eine schlechte Prognose bietet. (…) Wertvolles Erbgut würde (durch die Sterilisation) wohl nicht zugrunde gehen.
Unter demselben Datum stellt der Leiter der Strafanstalt Wittlich den Antrag auf Unfruchtbarmachung wegen angeborenen Schwachsinns.
25. Oktober 1935 Schriftlich und auch in der Sitzung des Erbgesundheitsgerichts Trier im Gefängnis Wittlich wehrt sich Hans sehr wortreich gegen seine Sterilisation. Dabei behauptet er u.a., er habe als 17-jähriger Junge ein Geschäft mit 80 Arbeitern selbständig geführt.
Mit Beschluss vom selben Tag beschließt das Erbgesundheitsgericht Trier die Sterilisation. Das begründet das Gericht mit der nicht nachvollziehbaren bloßen Behauptung, er habe in der Intelligenzprüfung versagt. Ohne Begründung heißt es auch, dieser Schwachsinn sei angeboren.
6. November 1935 Das Amtsgericht Koblenz bildet aus den letzten Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten Zuchthaus.
5. Dezember 1935 Daraufhin wird er vom Gefängnis Wittlich in das Zuchthaus Rheinbach bei Bonn überführt.
Gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgerichts Trier legt Hans Beschwerde zum Erbgesundheitsobergericht Köln ein.
14. März 1936 Das Erbgesundheitsobergericht Köln weist die Beschwerde zurück. Dabei heißt es, es handele sich „freilich nur um Schwachsinn leichteren Grades“. Und dann:
Bei Ch. ist die Unfruchtbarmachung noch besonders wünschenswert, als er ein durchaus asozialer, haltloser Psychopath ist. Dass er dies ist, geht aus seinen Straftaten – er ist 15 Mal gerichtlich, und zwar meistens wegen Diebstahls und Betrugs bestraft und verbüßt zurzeit eine Gesamtstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten Zuchthaus – und aus seinen Erklärungen hervor.“
Da keine (äußere) Ursache erkennbar sei, müsse der Schwachsinn auch angeboren sein.
14. Mai 1936 Noch in Strafthaft in Zuchthaus Rheinbach wird Hans Ch. in einem Krankenhaus in Düsseldorf – wie es heißt – ohne Komplikationen sterilisiert und 5 Tage später „als geheilt entlassen“.