Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 

Jakob R. wird am 15. Januar 1899 in Horchheim geboren. Dort geht er zur Volksschule. Sein Vater stirbt recht früh. Jakob lernt Autoschlosser und lebt zunächst ein „normales“ Leben. Im Alter von 19 Jahren tritt bei ihm zum ersten Mal die Krankheit Epilepsie (Fallsucht) auf. An dieser Krankheit leidet offenbar auch eine Tante von ihm. Alsbald heiratet er. Aus der Ehe geht eine Tochter hervor.

14. Juli 1933 Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wird erlassen. Es regelt die Unfruchtbarmachung wegen neun Krankheiten, u.a. wegen Epilepsie (erblicher Fallsucht).

24. März 1934 Die Krankheit tritt bei Jakob massiv auf. Der ihn behandelnde praktische Arzt zeigt gegenüber dem Kreisarzt Koblenz an, dass er an erblicher Fallsucht leide.

18. September 1934 Wegen der sich häufenden Anfälle kommt er in die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach.

18. Oktober 1934 Der Oberarzt der Anstalt erstattet ein ärztliches Gutachten und attestiert ihm eine genuine (echte) Epilepsie.

20. Oktober 1934 Unter Bezugnahme auf das Gutachten stellt der Direktor der Provinzial- heil- und Pflegeanstalt Andernach beim Erbgesundheitsgericht Koblenz den Antrag auf Unfruchtbarmachung.

21. Januar 1935 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt die Sterilisation von Jakob R. Zur Begründung verweist es auf das ärztliche Gutachten, wonach er an einer genuinen Epilepsie, einer Erbkrankheit leide, und darauf, dass eine Tante von ihm dieselbe Krankheit habe.

20. Februar 1935 Jakob R. wird vom Chefarzt des Krankenhauses evangelisches Stift St. Martin Dr. med. Dr. phil. h.c. Fritz Michel sterilisiert. Die Operation verläuft „regelrecht“ und nach einigen Tagen wird er „als geheilt entlassen“.

Auch nach der Unfruchtbarmachung bleibt er in der Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach.

9. August 1940 Jakob R. gerät in die NS-Euthanasie, in die 1. Phase der sog. T4-Aktion. Als die „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten“ in der Tiergartenstraße 4 in Berlin Meldebögen für psychisch Kranke an die Anstalt Andernach schickt, wird auch für ihn ein Formular ausgefüllt. Darin heißt es, er leide an erblicher Fallsucht und mit einer Entlassung aus der Anstalt sei demnächst nicht zu rechnen.

7. Mai 1941 Jakob R. wird mit den grauen Bussen der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“ (Gekrat) in Berlin von der Anstalt Andernach abgeholt und mit zahlreichen Patienten von dort in die Landesheilanstalt Hadamar überführt. In der Hadamar wird Jakob R. noch am selben Tag mit Kohlenmonoxid ermordet.

30. Juni 1941 Das Amtsgericht Koblenz fragt in seiner dort anhängigen Vormundschaftssache bei der Anstalt Andernach an, wo sich dieser inzwischen befinde.

4. Juli 1941 Die Anstalt Andernach teilt dem Amtsgericht Koblenz mit, dass er am 7. Mai 1941 in eine andere Anstalt abgeholt worden sei. Weiteres sei nicht bekannt.

7. Juli 1941 Jakob R.s Tochter bittet die Anstalt Andernach um Auskunft, wie es ihrem Vater gehe, da sie schon lange keine Nachricht mehr von ihm erhalten habe.

9. Juli 1941 Dem Provinzialverband der Rheinprovinz werden inzwischen von der „Zentralverrechnungsstelle vereinigter Heil- und Pflegeanstalten“ Kosten für Jakob R. seit dem 7. Mai 1941 in Rechnung gestellt. Deshalb bittet der Verband die Anstalt Andernach um Mitteilung des Datums, an dem er in eine andere Anstalt verlegt wurde.

14. Juli 1941 Die Anstalt Andernach informiert R.s Tochter über die Verlegung in eine andere Anstalt und benachrichtigt die Gekrat über die Anfrage der Tochter.

Am selben Tag fragt auch R.s Schwester bei der Anstalt Andernach nach ihm, da sie seit Februar nichts mehr von ihm gehört und von ihrer Nichte erfahren habe, dass er inzwischen in eine andere Anstalt verlegt worden sei.

16. Juli 1941 Die Anstalt Andernach schreibt Jakobs Schwester, dass sie bereits seine Tochter über eine Verlegung in eine andere Anstalt informiert habe und dieser von der zuständigen Stelle inzwischen Näheres mitgeteilt worden sei.

18. Juli 1941 R.s Tochter richtet ein weiteres Schreiben an die Anstalt Andernach. Diese leitet es einige Tage später an die Gekrat in Berlin weiter.