Ida (*1900) und Gertrude (*1904) Hanf sind Schwestern. Sie stammen aus dem Ort Seibersbach im Soonwald. Ihre Familie gehört dort zur jüdischen Gemeinde. Diese ist wohl in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden und hat um 1900 etwa 70 Gemeindeglieder. Beide heiraten nach auswärts, nach Argenschwang. Die Ältere, Ida, vermählt sich mit dem 1898 geborenen Max Hirsch, die Jüngere, Gertrude, mit dem gleichaltrigen Ernst Gamiel. Beide Ehepaare haben Söhne, die Hirschs den am 23. März 1927 geborenen Arnold und die Gamiels den am 18. Mai 1934 zur Welt gekommenen Egon.
1933 Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht im Deutschen Reich und beginnen mit dem „Judenboykott“. Es folgen für die jüdische Bevölkerung immer diskriminierendere Gesetze und Maßnahmen – Auswirkungen auf das Leben der Familien Hirsch und Gamiel sind konkret nicht bekannt.
1938 Die Diskriminierungen und Verfolgung der Juden jedenfalls allgemein nehmen so zu, dass die Eheleute Hirsch und Gamiel planen, ihre Heimat zu verlassen. Die Hirschs sind dabei offenbar die treibende Kraft. Im Sommer organisieren sie die Flucht.
18. August 1938 Vater Max Hirsch flüchtet als erster, offenbar nach Luxemburg. Ein Ausbürgerungsverfahren wird gegen ihn eingeleitet.
Oktober 1938 Mutter Ida und Sohn Arnold folgen ihm. Die Familie lebt in Luxemburg.
1939 (?) Die Familie Gamiel folgt den Hirschs, verlässt Argenschwang und zieht nach Luxemburg.
1. September 1939 Hitler-Deutschland überfällt Polen und entfesselt damit den Zweiten Weltkrieg.
10. Mai 1940 Die deutsche Wehrmacht marschiert beim „Westfeldzug“ in Luxemburg, die Niederlande, Belgien und in den Norden Frankreichs ein.
Die Familien Hirsch und Gamiel fliehen von Luxemburg weiter nach Südfrankreich.
Sommer 1942In der unbesetzten „Südzone“ Frankreichs werden die Eheleute Ernst und Gertrude Gamiel festgenommen und im Lager Les Milles in der Nähe von Marseille interniert.
Wohl zur selben Zeit und ebenfalls in der unbesetzten Südzone werden die Eheleute Max und Ida Hirsch festgenommen und interniert.
Die Söhne Arnold und Egon trennt man von ihren Eltern.
17. August 1942Die Eheleute Gamiel werden aus dem Lager Les Milles und die Eheleute Hirsch aus einem anderen Lager zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Sammellager Drancy bei Paris gebracht. Dann kommen beide Ehepaare mit dem Transport Nr. 20 von Drancy mit 996 anderen Gefangenen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Bei ihrer Ankunft dort werden 878 in die Gaskammern gebracht und ermordet. 1945 überleben von den 1.000 Deportierten dieses Transports 3 Personen. Die Eheleute Gamiel und Hirsch sind nicht unter ihnen.
Während ihre Eltern nach Auschwitz ins Giftgas geschickt werden, kommen die Söhne Arnold und Egon in das Kinderheim Izieu.
13. April 1944Der 10-jährige Egon Gamiel wird aus dem Heim in das Sammellager Drancy verschleppt. Im Transport Nr. 71 deportiert man ihn mit 1.499 Menschen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Bei der Ankunft dort werden ca. 1.265 Menschen in die Gaskammern geschickt und ermordet. 1945 leben von den 1.500 Deportierten 39 Männer und 91 Frauen. Egon Gamiel ist nicht unter ihnen.
15. Mai 1944 Der 17-jährige Arnold Hirsch, der auf den Namen Jean-Pierre Barreau gefälschte Papiere hat, wird ebenfalls in das Sammellager Drancy gebracht. Mit dem Transport Nr. 73 werden er und 877 vor allem Männer und Jungen „nach dem Osten“ deportiert. Zunächst fährt der Zug nach Kaunas (Litauen). Die Hälfte der Deportierten bringt die SS in die dortige Festung und ermordet sie im Lager Projanowski. Die andere Hälfte wird nach Tallin in Estland transportiert. In der dortigen Festung ermordet die SS fast alle von ihnen. Arnold Hirsch ist nicht unter den Überlebenden.