Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 

 

Werner Strauß, geboren am 24. Oktober 1928 in Bad Kreuznach, ist der jüngere Sohn der jüdischen Eheleute Siegfried und Anna Strauß. Vater Siegfried (*22. Februar 1894) stammt aus Obermoschel, dessen Vater Albert war dort Handelsmann. Im Jahr 1920 lebt Siegfried in Kreuznach und gründet mit seinem Teilhaber Julius Wolf die Schuhwarengroßhandlung Siegfried Strauß und Co oHG. 1922 heiratet er Anna Lazar (*13. Juni 1895 in Illingen/Saar). Im folgrndem Jahr kommt ihr älterer Sohn Rolf zur Welt. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise gerät die Firma in Schwierigkeiten, der Konkurs wird durch einen Vergleich abgewendet und der Geschäftsbetrieb um den Bereich „Kleinhandel mit Schuhwaren“ erweitert.

 

1933 Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem „Judenboykott“ besteht die Firma weiter, hat aber als „jüdisches Geschäft“ neue Schwierigkeiten. Denn nicht nur Siegfried Strauß ist Jude, sondern höchstwahrscheinlich auch sein Teilhaber Julius Wolf.

1. September 1938 Die Eheleute Strauß beabsichtigen auszuwandern.

10. November 1938 Während das Verfahren auf Passerteilung läuft kommt es zum Novemberpogrom. Auch in Bad Kreuznach werden die Synagoge, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Menschen zerstört. In der Wohnung der Familie Strauß in der Viktoriastraße 35 werden die Zimmer total demoliert. Vater Siegfried wird bei dieser „Judenaktion“ verhaftet und in das Gerichtsgefängnis von Kreuznach gebracht, anschließend in das Landgerichtsgefängnis Mainz überführt und noch am selben Tag in das Konzentrationslager Dachau bei München verschleppt.

5. Dezember 1938 Mutter Anna und ihre Kinder Werner und Rolf sind nach den Ereignissen in der Pogromnacht geschockt. Sie suchen so schnell wie möglich einen Weg zur Flucht aus Hitler-Deutschland. Mutter und Werner fliehen in die südfranzösische Kleinstadt Nyons im Département Drôme in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Die Mutter hat dort Verwandte. Es ist wohl ihr Bruder Louis (*14. Mai 1893 in Illingen/Saar), der dort mit seiner Frau Berthe (geb. Salomon, *15. Februar 1903 in Illingen/Saar) und ihren vier Kindern lebt.

20. Dezember 1938 Rolf hat andere Pläne; er bemüht sich um einen Reisepass für eine Emigration in die USA.

12. Januar 1939 Vater Siegfried wird aus dem KZ Dachau entlassen. Inzwischen ist seine Firma aufgelöst und im Handelsregister gelöscht. Er ist arbeitslos.

26. Februar 1939 Rolf erhält kein Visum für die USA. Er wandert nach England aus.

1. September 1939 Mit dem Überfall auf Polen entfesselt Hitler-Deutschland den Zweiten Weltkrieg.

10. Mai 1940 Mit dem „Westfeldzug“ überfällt Hitler-Deutschland auch Frankreich. Das Land wird in fünf Zonen aufgeteilt, u.a. in die von Deutschland besetzte „Nordzone“ und die freie „Südzone“. Nyons, der Zufluchtsort von Werner und seiner Mutter, liegt in der freien Zone.

18. Juli 1940 Vater Siegfried flieht von Bad Kreuznach über Yokohama in die USA und lässt sich dort nieder.

11. November 1942 Die deutsche Besatzungsmacht besetzt jetzt auch die bisher freie Südzone.

Mai 1943 In Izieu, in der Südzone, ca. 70 Kilometer von Lyon entfernt, wird für jüdische Kinder verfolgter Eltern ein Kinderheim eingerichtet. Werner wird eins der 44 Kinder dort.

20/21. Januar 1944 Während das Kinderheim in Izieu noch wenige Monate weiterbesteht, ist Werner wieder bei den Verwandten seiner Mutter in Nyons. In der Nacht werden Werner seine Tante (?) Berthe und ihre vier Kinder Ruth (*20. April 1926 in Illingen), Günther ( *12.September 1927 in Illingen), Kurt (*21. März 1937 in Illingen) und Francine (* 23. Juni 1939 in Nyons) verhaftet. Anschließend werden sie alle im Fort Montluc in Lyon interniert.

28. Januar 1944 Von Lyon verschleppt man alle sechs in das Sammellager Drancy bei Paris.

3. Februar 1944 Alle sechs in Nyons Verhafteten werden im Transport Nr. 67 mit 1208 anderen Festgenommen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort werden bei ihrer Ankunft 985 Menschen mit Giftgas ermordet. 1945 überleben von den 1214 Menschen 20 Männer und 23 Frauen. Werner Strauß, seine Tante (?) Berthe und seine Cousinen Ruth, Günther, Kurt und Francine sind nicht unter ihnen.