Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Wilhelm Ermann, 1884 in Wittlich geboren, stammt aus einer dort alteingesessenen, wohlhabenden jüdischen Familie. Seine Eltern Salomon und Gudulla Ermann hatten zwei Jahre vor seiner Geburt die Lebensmittelgroßhandlung Ermann-Bach gegründet. Im Jahr 1911 übernimmt er zusammen mit seinem Bruder Max das Geschäft. Während des Ersten Weltkriegs heiratet Wilhelm seine Frau Emmy 1918 kommt ihr einziges Kind, die Tochter Charlotte, zur Welt.

Die Ermanns wohnen in einer schönen Villa in Wittlich. Der Bürgermeister nennt Wilhelm Ermann später einen „reichen, ruhigen, anständigen Menschen, der wohl noch nie einem Menschen was zu Leid getan hat“.

 

Februar 1933 Wilhelm Ermanns Ehefrau Emmy stirbt in jungen Jahren.                             

1933 Nach der Machtübernahme der Nazis und dem ab dem 1. April 1933 beginnenden „Judenboykott“ geht das Geschäft der Ermanns zurück.

1935 Wilhelm Ermanns Schwägerin Jenny Mayer, die die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt, zieht nach dem Tod ihres Mannes in die Villa Ermann.

Februar 1938 Wilhelm resigniert angesichts des „Judenboykotts“ und gibt das Geschäft in „arische Hände“.

10. November 1938 Beim Novemberpogrom („Reichspogromnacht“) wütet der Mob im Hause Ermann. Erst sperren sie Tochter Charlotte und die Hausangestellte ein, dann zerstören sie die Einrichtung und auch das Eigentum der Luxemburger Schwägerin.

Wilhelm Ermann bringt man ins Wittlicher Gefängnis und lässt ihn nach einigen Tagen – wie andere auch – wieder frei. Zuvor und später hat man ihm viel Geld abgenommen, teils „legal“ als Steuern und als andere Abgaben, teils auch geraubt.

Als Schwägerin Jenny Mayer sich über die Zerstörung ihrer Wohnungseinrichtung beschwert, wird sie aus Deutschland ausgewiesen.

Mitte Dezember 1938 Wilhelm Ermann emigriert zu seiner Schwägerin nach Luxemburg. Tochter Charlotte verlässt nach dem Novemberpogrom ebenfalls Wittlich, zieht zu ihrer Großmutter mütterlicherseits nach Werne/Westfalen und pflegt sie.

September 1939 Nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch Hitler-Deutschland verlassen Wilhelm Ermann und seine Schwägerin Jenny Mayer Luxemburg und wandern weiter nach Südfrankreich.

Dort werden sie interniert, Jenny Mayer im Lager Gurs, Wilhelm Ermann im Lager Les Milles. Sie wird als Luxemburgerin eine Woche später entlassen, er bleibt als „unerwünschter Ausländer“ noch bis Ende 1939 interniert.

10. Mai 1940 Hitler-Deutschland überfällt mit dem „Westfeldzug“ Luxemburg, die Niederlande und Belgien und marschiert im nördlichen Frankreich ein. Die beiden leben noch unbehelligt in der „freien“, südfranzösischen Zone, in Montpellier und Carpentras in der Region Provence-Alpes-Côte d’ Azur.

13. Dezember 1941 Tochter Charlotte in Werne wird von Münster aus in das Ghetto Riga in Lettland deportiert. Dort verliert sich ihre Spur.

August 1942 Als die Razzien auf ausländische und staatenlose Juden auch in der „freien“ Zone beginnen, wird Wilhelm Ermann festgenommen und in das Internierungslager Rivesaltes bei Perpignan verschleppt.

13. September 1942 Von dort geht er „auf Transport“ in das Durchgangslager Drancy bei Paris.

18. September 1942 Wilhelm Ermann kommt mit dem Transport Nr. 34 ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Von den 1.000 Deportierten überleben 1945 nur 22. Wilhelm Ermann ist nicht unter ihnen.

Jenny Mayer überlebt als einzige, ihre Rettung ist ihre luxemburgische Staatsangehörigkeit.

 

Villa Willi Ermann Wilhelmstraße 6

 

Quellenangabe und weiterführender Hinweis:

Dieses Kurzporträt beruht auf der von Franz-Josef Schmit recherchierten und aufgeschriebenen Lebensgeschichte der Familie Ermann:

Franz-Josef Schmit: Wilhelm Ermann und seine Tochter Charlotte. Der Wittlicher Novemberpogrom 1938 als Beginn einer mehrjährigen Verfolgungsgeschichte mit tödlichem Ausgang, in: Franz-Josef Schmit: Spätes Erinnern. Ein Lesebuch zu Verfolgten und Opfern der NS-Diktatur aus Wittlich und Umgebung, 2016, S. 105-111.