Zurückverfolgen lässt sich die Familie Allmayer (auch: Allmeyer) in Hottenbach bis auf den dort am 25.Oktober 1849 geborenen Nathan. Er ist Pferdehändler und heiratet seine Frau Babette, geb. Goldschmied, geboren am 10. Februar 1859 in Altleinigen. Sie haben zehn Kinder, von denen nicht alle das Erwachsenenalter erreichen. Ältester ist der am 27. Februar 1882 geborene Benny, Julius wird am 19. April 1884 geboren, weitere Söhne sind Leo (Lazarus), der am 28. August 1894 geborene Adolf und Ludwig, geb. 2. Januar 1897. Die Brüder Benny und Julius führen den Pferdehandel des Vaters fort und gehören zur recht großen jüdischen Gemeinde in Hottenbach. Im Ersten Weltkrieg sind beide Soldaten und werden mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.
Julius ist verheiratet mit Johanna, geb. Köhler, geboren 1880 in Gau-Odernheim. Benny heiratet seine Frau Susanne (Sally), geb. Behr, geboren 1887 in Leimersheim). Seit den 1920er Jahren leben und arbeiten sie in Kirn an der Nahe.
1933 Nach der Machtübernahme der Nazis und dem beginnenden „Judenboykott“ (ab dem 1. April 1933) gehen ganz generell die Geschäfte der Juden, zurück. Das gilt auch für den Pferdehandel, die Metzgerei und die Gaststätte der Allmayers. Nach und nach verlassen sie Hitler-Deutschland.
Juni 1933 Als erster wandert Arthur, der 1911 geborene Sohn von Benny und Sally, nach Paris aus. Grund dafür ist, dass ihm als Juden das weitere Studium der Naturwissenschaften nicht möglich ist.
1934 Als der 1913 geborene Sohn Kurt von zwei Nazischlägern in Kirn verprügelt wird, flieht er zu seinem Bruder Arthur nach Paris.
April 1937 Benny Allmayer stirbt. Daraufhin verlässt seine Witwe Sally mit dem jüngsten Sohn Helmuth Leopold Kirn und flieht zu ihren beiden älteren Söhnen nach Paris.
11. Juni 1937 Johanna Allmayer wird wegen Vorbereitung zum Hochverrat in Kirn festgenommen und dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erlässt.
Als drei Wochen später der Haftbefehl wieder aufgehoben wird, kommt sie in sog. Schutzhaft.
11. August 1937 Sie wird aus der „Schutzhaft“ entlassen.
11. Dezember 1937 Es kommt zu einem Strafprozess gegen Johanna Allmayer, in dem sie vom Oberlandesgericht Hamm freigesprochen wird.
Ihr Ehemann Julius wird wegen „Wirtschaftssabotage“ angezeigt.
März 1938 Die Eheleute Allmayer verlassen Kirn. Sie fliehen nach Luxemburg und dann weiter nach Paris. Dort beantragen sie einen Reisepass, der ihnen wegen des laufenden Ausbürgerungsverfahren für ein halbes Jahr auch ausgestellt wird. Mit den Reisepässen erreichen sie keine Ausreise aus Frankreich, sie werden – wie andere Angehörige auch – ausgebürgert.
November 1938 Der nach seiner Heirat mit Alice, geb. Baum, geboren am 3. Februar 1898(?), in Stuttgart lebende Leo Allmayer wird im Zuge des Novemberpogroms festgenommen und in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
September 1939 Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Arthur Allmayer als „unerwünschter“ Ausländer in Frankreich interniert. Um aus dem Internierungslager freizukommen, lässt er sich für die Fremdenlegion rekrutieren.
Oktober 1940 Arthur kämpft in der Fremdenlegion in Nordafrika, wird dann aus der Legion entlassen und kehrt zu seiner Familie in Frankreich zurück.
Ende 1940 Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Frankreich und der Besetzung eines Teils davon Frankreich (u.a. von Paris), fliehen die Allmayers aus Paris in das unbesetzte südliche Frankreich.
Sommer 1942 Julius Allmayer (und seine Frau Johanna?) wird in Südfrankreich festgenommen und dort in einem Sammellager interniert.
22. Juli 1942 Vom Internierungslager aus wird er in das Durchgangslager Drancy bei Paris verschleppt und von dort aus im Transport Nr. 9 mit 995 anderen jüdischen Menschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Von diesen überleben 7, Julius Allmayer ist nicht unter ihnen.
22. August 1942 Leo und Alice Allmayer werden von Stuttgart aus in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Alice kommt dort am 12. Dezember 1942 um.
September 1942 Sally Allmayer und ihre beiden älteren Söhne (Helmuth Leopold ist 1941 bei einer Operation verstorben) sowie Arthurs Ehefrau Meta (geb. Berg, geb. 11. Mai 1912 in Kirn) fliehen aus der noch freien Zone im Süden Frankreichs in die Schweiz. Beim illegalen Grenzübertritt werden sie festgenommen und in verschiedenen Lagern interniert.
4. März 1943 Johanna Allmayer wird mit dem 50. Transport von Drancy aus mit 1002 jüdischen Menschen nach Majdanek bzw. in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und umgebracht.
4. August 1944 Ludwig Allmayer kommt ins Konzentrationslager Flossenbürg.
6. Oktober 1944 Leo Allmayer wird vom Konzentrationslager Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort mit Giftgas ermordet.
4. Januar 1945 Ludwig Allmayer stirbt im KZ Flossenbürg.
Von den hier erwähnten Mitgliedern der Familie Allmayer erleben nur die in die Schweiz Geflüchteten. Sie kehren bald nach Frankreich zurück Arthur und seine Familie emigriert wenig später in die USA.
Fotos von Angehörigen Benny Allmayers (+1937), die sich in die Schweiz retten konnten. V.l.n.r.:
Witwe Susanne (Sally) Allmayer, geb. Behr, Sohn Arthur, dessen Frau Meta, geb. Berg, Sohn Kurt
(Quelle: Akten der Familie im Amt für Wiedergutmachung Saarburg).