Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

                                                                              

Peter Josef Füllenbach, den später alle Jupp nennen, wird am 20. Oktober 1899 in Neuwied am Rhein in ein Arbeitermilieu hineingeboren. Sein Vater ist Monteur, Jupp wird Handlungsgehilfe. Als 17-Jähriger nimmt er am Ersten Weltkrieg teil. Nach seiner Demobilisierung wird er Angestellter bei der Stadt Neuwied und bei einer Firma, er ist Mitglied in einer Gewerkschaft und der SPD. Bald wählt man ihn in den Ausschuss der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Neuwied und in deren Vorstand. 1925, nach seiner Heirat mit seiner Frau Susanne, geb. Kaster, mit der er später den Sohn Otfried hat, wird er Redakteur der Zeitung Nahetalbote in Oberstein (heute: Idar-Oberstein).

Zugleich ist er vielfältig engagiert: als Redner für die SPD und für Gewerkschaften, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt im Saargrenzgebiet, Führer der örtlichen Arbeiterkultur- und -sportbewegung, Jugendschöffe, Arbeitsrichter, Stadtverordneter. Bis 1933 wird Füllenbach als „bestgehasster Gegner der Nazis im Obersteiner Bezirk“ dreimal von Nazis überfallen.

 

11. März 1933 Nach der Machtübernahme der Nazis und der Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand flieht Jupp Füllenbach vor der ihm drohenden Verhaftung. Er sucht Zuflucht in dem nach dem Ersten Weltkrieg vom Deutschen Reich abgetrennten und unter dem Mandat des Völkerbundes stehenden Saargebiet. Seine Frau Susanne folgt ihm mit Sohn Otfried.

1933 Weil er dort keine Perspektive sieht, flieht er mit seiner Familie bald weiter illegal in das elsässisches Straßburg. Er ist Arbeiter und Zeitungsverkäufer.

Juni 1934 Füllenbach wird von der französischen Polizei verhaftet. Als ihm die Abschiebung nach Hitler-Deutschland droht, kann er mit seiner Familie nach Paris fliehen.

Durch die Vermittlung von Genossen in Straßburg gelingt ihm eine Anstellung in dem inzwischen von Willi Münzenberg geführten Verlag Editions du Carrefour.

Willi Münzenberg (1889-1940) war ein sehr einflussreicher deutscher Kommunist, der in der Zeit der Weimarer Republik mit viel Geschick einen linken Medien-Konzern aufgebaut und geführt hatte. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand musste er aus Hitler-Deutschland fliehen. In Paris setzt er seinen Kampf gegen die Nationalsozialisten und ihre Presse fort. Schon im Herbst 1933 erscheint in dem Verlag das „Braunbuch“, eine aufsehenerregende Dokumentations- und Agitationsschrift „über den Reichstagsbrand und Hitlerterror“. Im Sommer 1934 kommt das „Blaubuch“ heraus, eine Denkschrift oppositioneller Kreise an Reichspräsident Paul von Hindenburg mit einem Bericht „über die Erschießungen des 30. Juni“ 1934, die Morde beim sog. Röhmputsch.

Sommer 1934 Münzenberg stellt Füllenbach in seinem Verlag ein. Offiziell ist er Expedient (Packer) und auch Buchhalter. Tatsächlich gehört er zum „inneren Kreis“ und ist als einer von Münzenbergs „drei Musketieren“ eine Art Leibwache und „Mädchen für alles“ (Arthur Koestler).

1936 Füllenbach avanciert zu einem weiteren geschäftsführenden Gesellschafter des Verlages Editions du Carrefour.

Sommer 1938 Als sich Münzenberg mit der KPD überwirft, er und seine Leute im Verlag an Einfluss verlieren und einen anderen Verlag übernimmt, folgt ihm Füllenbach. Der Verlag gibt die Wochenzeitung „Die Zukunft“ heraus. Füllenbach übernimmt deren Versand und Buchhaltung.

1./2. September 1939 Jupp Füllenbach und auch seine Frau und sein Sohn werden nachts als „feindliche Ausländer“ in Paris festgenommen. Während Frau und Kind umgehend wieder entlassen werden, kommt er in das Gefängnis Santé.

10. Oktober 1939 Mit anderen Linken, vor allem Kommunisten, wird er vom Stadion Roland Garros mit dem Güterzug in das bei Toulouse gelegene Internierungslager Le Vernet transportiert.

Mitte August 1940 Die im Waffenstillstandsvertrag mit den besiegten Frankreich vereinbarte sog. Kundt-Kommission (benannt nach ihrem Vorsitzenden, dem Legationsrat im Auswärtigen Amt Ernst Kundt) „besucht“ die Lager und kontrolliert die dort internierten Deutschen. Sie kommt auch ins Internierungslager Le Vernet und verspricht, diese wieder in Deutschland aufzunehmen. Daraufhin meldet sich auch Füllenbach für eine Rückkehr.

28. Februar 1941 Aufgrund des Waffenstillstandsvertrags (Art. 19) überstellen ihn die französischen Sicherheitsbehörden der Gestapo.

1. März 1941 Er geht auf Transport ins Reich. Über die Gefängnisse von Vierzon, Bourges, Dijon und Karlsruhe kommt er zu Ostern ins Gefängnis von Koblenz.

2. Februar 1942 Jupp Füllenbach wird mit der Anklageschrift des Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof angeklagt, „im In- und Auslande, insbesondere in Paris, von 1934 bis 1939 fortgesetzt und gemeinschaftlich mit anderen das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben, wobei die Tat 1. darauf gerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen und aufrechtzuerhalten, 2. auf Beeinflussung der Massen durch Herstellung und Verbreitung von Schriften gerichtet war, 3. im Auslande und dadurch begangen worden ist, dass er es unternommen hat, Schriften zum Zwecke der Verbreitung im Inland aus dem Ausland einzuführen.“

29. April 1942 Entsprechend der Anklage wird Füllenbach vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu acht Jahren Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von acht Jahren verurteilt.

17. Mai 1942 Füllenbach verbüßt seine Strafe im Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Im Zuchthaus wird immer mehr für die Rüstung produziert. Die Arbeitsbedingungen sind außerordentlich hart, die Ernährung ist sehr mangelhaft. Füllenbach ist  körperlich und psychisch am Ende und kurz davor, sich selbst aufzugeben.

27. April 1945 Sowjetische Truppen befreien das Zuchthaus und auch Jupp Füllenbach.

Seine Bemühungen, schnell in die Heimat zurückzukehren, bleiben zunächst erfolglos. Im August 1945 kehrt er in seine rheinische Heimat zurück. Er will – wie er sagt – „mit ganzer Kraft mithelfen, die Schäden zu beseitigen und die Wunden zu heilen, die der Wahnsinn der Nazis über unser Volk und Heimat gebracht hat.“ Dementsprechend gründet er den Ortsverein Neuwied der Arbeiterwohlfahrt neu, ist Vorsitzender des Bezirksverbandes der AWO Rheinland/Hessen-Nassau, Geschäftsführer der AOK Neuwied und im Stadtrat von Neuwied. Jupp Füllenbach stirbt am 1. September 1968 in Neuwied,

 

Quellenangabe und weiterführender Hinweis:

Dieses Kurzporträt beruht auf der von Axel Redmer recherchierten und aufgeschriebenen Lebensgeschichte Jupp Füllenbachs:

Axel Redmer: Jupp Füllenbachs Flucht endete in Le Vernet, in: Axel Redmer: In uns brennt jede Wunde. Aufsätze zur Regionalgeschichte der oberen Nahe, 2011, S. 273-301.