Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Im Beiprogramm zu der Wanderausstellung „..gerade Dich, Arbeiter, wollen wir“ der DGB-Jugend Hessen, die der Förderverein um einen regionalen Teil ergänzt hatte, zeigten wir den DEFA-Film von Konrad Wolf „Professor Mamlock“, der von Friedrich Wolfs Sohn nach seinem gleichnamigen Drama entstanden ist. Hierzu gab unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig die nachfolgende Einführung:

 

Einführung in den Film „Professor Mamlock“ von Joachim Hennig

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, Sie heute in den Film „Professor Mamlock“ einführen zu dürfen. Der Film ist 1961 nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Wolf entstanden. Wolf hatte das Stück 1933 im Exil vollendet. Das Theaterstück ist seitdem in mehr als 30 Sprachen übersetzt und in einer Auflage von mehreren Millionen Büchern weltweit erschienen. Professor Mamlock  war ein Klassiker der  DDR-Schulbildung und der Film einer der wichtigsten DEFA-Filme. Gleichwohl ist es nötig, hier eine Einführung in den Film zu geben, denn – leider – ist dies eine Tradition, die uns hier in Koblenz und Umgebung weitgehend fremd ist. Dies mag umso mehr befremden, als der Schriftsteller Friedrich Wolf ein Kind unserer Region ist.

Geboren wurde Friedrich Wolf am 23. Dezember 1888 – also vor 120 Jahren – in Neuwied am Rhein als Sohn eines jüdischen Kaufmanns. Seine Vorfahren waren Sephardim, spanisch-portugiesische Juden, die vor der Inquisition in die Niederlande, an die Saar und ins Rheinland geflohen waren. Friedrich Wolf war stolz, Rheinländer, am Rhein geboren zu sein. Oft und gern erinnerte er sich an seine rheinische Heimat. So entstanden im Exil im Jahre 1945 etwa die Gedichte „Knabenträume“ und „Heimatland“.

Wolf wuchs in der sprichwörtlichen „Neuwieder Toleranz“ auf und legte dort 1907 sein Abitur ab. Nach dem Militärdienst studierte er Medizin sowie Philosophie und Kunstgeschichte. 1912 wurde er mit dem Thema „Die multiple Sklerose im Kindesalter“ zum Dr. med. promoviert. Im I. Weltkrieg war er Truppenarzt im Westen. Aufgrund dieser Erlebnisse wurde er zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem I. Weltkrieg heiratete Wolf hier in Koblenz seine erste Frau und wurde Mitglied der SPD, später der USPD, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Wolf heiratete ein zweites Mal. Aus dieser Ehe gingen der 1923 geborene Sohn Markus, der spätere Auslandsspionagechef, und der 1925 geborene Sohn Konrad, der spätere Regisseur und Regisseur des Films Professor Mamlock, hervor. Wie schon in der Jugend in Neuwied schrieb Friedrich Wolf Gedichte, bald Romane und dann auch Schauspiele – wie „Der arme Konrad“, ein Schauspiel über den Bauernkrieg. Während Wolf so ein anerkannter Schriftsteller wurde, publizierte er noch einen wichtigen medizinischen Ratgeber „Die Natur als Arzt und Helfer“. Inzwischen über Remscheid nach Stuttgart gezogen, trat er 1927 der KPD bei und schrieb den Aufsatz „Die Kunst ist Waffe“. Weitere sozialkritische Dramen folgten: 1929 das Stück „Cyankali“, das eine Kampagne gegen den Abtreibungsparagrafen 218 einleitete. Es folgten 1930 die Dramen „Die Matrosen von Cattaro“ und „Tai Yang erwacht“ sowie 1931 die Komödie „Die Jungens von Mons“. Zweimal geriet er für kürzere Zeit in Haft. Einmal wegen seines Stückes „Cyankali“ und ein zweites Mal als missliebiger Kommunist in so genannte Schutzhaft.

Die Endphase der Weimarer Republik und die immer stärker werdenden und sich an die Macht prügelnden und agitierenden Nazis erlebte er hautnah mit. In dieser Zeit begann er mit dem Drama „Professor Mamlock“. Als nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 tausende von Kommunisten nach vorbereiteten Listen verhaftet wurden und in „Schutzhaft“ kamen, gelang ihm gerade noch die Flucht. Über Österreich und die Schweiz floh er nach Frankreich. Dort beendete er 1933 „Professor Mamlock“.

Der gleichnamige Film spielt im Deutschland in der Zeit von Silvester 1932 bis April 1933. Er zeigt die Phase der so genannten Machtergreifung am Schicksal des jüdischen Arztes und Klinikchefs Professor Hans Mamlock und seiner Familie. Durch diese Personalisierung macht der Film den Rassismus der Nazis, ihren Terror und ihre zerstörerische Gewalt eindrucksvoll erfahrbar. Professor Mamlock will von alledem nichts wissen. Er ist ein über die deutschen Grenzen anerkannten Chirurg und führt mit seiner nicht-jüdischen Frau und seinen beiden Kindern Rolf und Ruth ein fast großbürgerliches Leben. Als Teilnehmer des I. Weltkrieges war er bereit, alles für sein Vaterland Deutschland zu geben. Auch zum Jahreswechsel 1932/33 ist er Patriot. Er ist ein Schöngeist, Liebhaber der Musik und Dichtkunst. Gesellschaftlich ist er voll anerkannt und beruflich eine allseits geschätzte Kapazität. Die politischen Geschehnisse dieser schicksalhaften Zeit lässt er nicht an sich herankommen. Immer wieder kommen sie – auch massiv – zum Vorschein – so etwa durch seinen Sohn Rolf, der sich den Kommunisten angeschlossen hat und durch einen Arzt, der SA-Mann ist, und durch eine Ärztin, die mit den Nazis sympathisiert. Das Engagement seines Sohnes tut er ab als jugendliches Ungestüm, die Blut-und-Boden-Phrasen seiner Ärzte blockt er ab mit den Worten: „Meine Herren, in meiner Klinik dulde ich keine Politik, nur Ärzte und Kranke“.
Die Situation spitzt sich nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 weiter zu. Es beginnt die Jagd auf die Kommunisten. Erstmals erscheint die SA in der Klinik und sucht nach einem Freund Rolfs dort, der als Patient eingeliefert worden war.  Auch suchen sie nach jüdischen Ärzten. Einige vom Personal beginnen sich von Mamlock abzusetzen. Es fallen die Worte: „Unter einem Juden kann ich nicht mehr arbeiten.“ Er zieht sich auf Anraten seiner Freunde vorübergehend aus der Klinik zurück. Dabei bleibt er sich selbst und seinen Idealen treu. Er sagt, er achte den Staat und seine Gesetze. Immer wieder beschwört er aber auch die Zivilcourage: „Nur nicht feige sein, das ist das Schlimmste!“ Mamlock und sein Sohn Rolf entzweien sich. Mamlock verbietet ihm jegliche kommunistische Betätigung. Rolf verlässt daraufhin das Haus, geht zu seinen Freunden und urteilt über seinen Vater: „Er hat sich seine Welt mit Illusionen voll gekleistert.“

Der Höhepunkt ist dann Anfang April 1933. Als Mamlocks Tochter Ruth aus der Schule mit „Juden raus!“ gehetzt wird, gibt er seine Untätigkeit auf. Erst will er zur Schule, um für seine Tochter zu kämpfen, dann geht er aber in seine Klinik. Dort wird er von der SA ergriffen, mit dem Schriftzug „Jude“ beschmiert und durch die Stadt getrieben. Er ist nicht nur entlassen, sondern auch als Jude stigmatisiert. Alle intellektuelle Gegenwehr hilft ihm nicht. Er wird mundtot gemacht mit den Worten: „Diese Frage wird nicht intellektuell entschieden, wo der Verstand aufhört, beginnt das Blut.“ Als ein einflussreicher Freund Mamlocks operiert werden muss und dieser auf eine Operation durch Mamlock besteht, kehrt er noch einmal in seine Klinik zurück. Er hat die Illusion, dass damit der Nazi-Spuk ein Ende habe. Mamlock kämpft – wie er sagt - für das Recht, das menschliches Zusammenleben erst möglich macht. Es fällt von ihm auch der Satz: „Es gibt kein größeres Verbrechen, als das, nicht zu kämpfen, wenn man kämpfen muss.“ – Sein letzter Aufenthalt in seiner Klinik endet dann im Fiasko. Er erschießt sich an seinem Schreibtisch mit der mitgebrachten alten Pistole aus dem I. Weltkrieg.

Soweit eine kurze Inhaltsangabe zu dem Film Professor Mamlock. Das 1933 von Friedrich Wolf geschriebene Stück ist ein sehr weitsichtiges, literarisch und zeitgeschichtlich imponierendes Werk. Während viele andere Intellektuelle, sofern sie nicht ohnehin schon zu den Nazis übergelaufen waren, noch meinten, Hitler zähmen zu können, erkannte Friedrich Wolf schon von Anfang an das Verbrecherische und Terroristische  des an die Macht kommenden Nationalsozialismus. Professor Mamlock ist wohl das erste Werk, das die Verfolgung der Juden voraussieht und thematisiert.

Während Friedrich Wolf im Exil Professor Mamlock beendete, wurden seine früheren Schriften bei den Bücherverbrennungen am 10.  Mai 1933 vernichtet. Zwei Jahre später wurde er von den Nazis ausgebürgert. Unterdessen war Wolf in die Sowjetunion emigriert. Als es dort zu den stalinistischen „Säuberungen“ kam, hielt ihn dort nichts. Mit den Worten: „Ich warte nicht, bis man mich verhaftet, da will ich lieber etwas Nützliches tun!“, brach er auf, um als Arzt im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der republikanischen Truppen im Bürgerkrieg gegen die spanischen Faschisten unter Franco zu arbeiten. Wolf wurde aber an der französischen Grenze abgefangen. Mit Beginn des II. Weltkrieges kam er wie viele deutsche Emigranten auch in französische Internierungslager. Als ihm als „unerwünschter Ausländer“ die Abschiebung nach Nazi-Deutschland drohte, verlieh ihm die UdSSR die sowjetische Staatsbürgerschaft und erreichte so seine Freilassung. Wolf kehrte zu seiner Familie nach Moskau zurück und war dann Mitbegründer und Frontbeauftragter des Nationalkomitees Freies Deutschland.

Nach dem Krieg kehrte er nach Berlin zurück. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit war er an führenden Stellen am kulturellen Wiederaufbau Deutschlands, alsbald der SBZ und dann der DDR tätig. Er war Mitglied im „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, Mitbegründer der DEFA, des „PEN-Zentrum Deutschland“. Von 1949 bis 1951 war er erster Botschafter der DDR in Polen. Bis zuletzt war er schriftstellerisch tätig. Sein letztes Drama „Thomas Münzer“ beschäftigte sich wiederum mit dem Bauernkrieg. Friedrich Wolf starb am 5. Oktober 1953 in seinem Haus in Lehnitz bei Berlin.

Sieben Jahre nach seinem Tod hat sein Sohn Konrad Wolf das Drama des Vaters zur Grundlage des gleichnamigen Films gemacht. Der Film hat mehrere internationale Auszeichnungen erhalten.

Meine Damen und Herren, sehen wir uns jetzt gemeinsam den 90-minütigen Film „Professor Mamlock“ an.

 


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