Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Lebenslauf von Heinrich Roth, von ihm geschrieben am 7. Oktober 1946

Lebenslauf

Am 8. Juli 1889 in Holler/Westerwald als das 6. von 9 Kindern geboren, besuchte ich 8 Jahre die Volksschule. Danach erlernte ich 4 Jahre lang das Handwerk des Schriftsetzers. Nach Beendigung der Lehre arbeitete ich als Schriftsetzer auswärts und schrieb nebenbei Artikel für politische Tageszeitungen und konfessionelle Zeitschriften. Im Jahre 1911 ging ich zur Zentrale des Katholischen Volksvereins in Mönchen-Gladbach und machte sozialpolitische und volkswirtschaftliche Kurse mit, um später als Sek.retär des Katholischen Volksvereins mit dem Sitz in Montabaur tätig zu sein. Meine Aufgabe war, werbend unter den Katholiken für den Verein tätig zu sein und den Rechtsschutz für alle Mitglieder und Minderbemittelte im Arbeitsrecht, bürgerlichen Recht und der sozialen Gesetzgebung wahrzunehmen.Von 1924 bis 1933 gehörte ich folgenden größeren Parlamenten an: - dem Deutschen Reichstag,- dem Preußischen Staatsrat und- von 1932 bis zur Auflösung im November 1933 dem Preußischen Landtag,- außerdem von 1919 bis 1933 dem nassauischen Kommunallandtag und dem Landesausschuss,- zwischendurch auch dem Kreistag für den Unterwesterwaldkreis. Von 1929 bis zur Auflösung der Parteien durch Hitler war ich Vorsitzender der Zentrumspartei für den Regierungsbezirk Wiesbaden. Im Jahr 1926 wurde ich zum Bürgermeister der Stadt Montabaur gewählt, von welchem Posten ich 1933 von dem Hitlerregime entfernt wurde. Neben dem damaligen Kreisleiter der NSDAP Koch wurde meine fristlose Entlassung ohne Pension hauptsächlich von den damals führenden Leuten des Stahlhelm betrieben. Meinen Unterhalt bestritt ich teilweise bis 1939 aus einer Vertretung für eine Wachswarenfabrik und einer Lebensversicherung. Als im Jahre 1939 der Krieg ausbrach, hörte jede Tätigkeit für mich auf. Die Leitung der NSDAP hat mir jede Betätigung und viele Möglichkeiten, die mir ein gesichertes Einkommen geboten hätten, dadurch zunichte gemacht, dass bei dem vorgeschriebenen Befragen der Parteileitung jedes Mal meine politische Unzuverlässigkeit erklärt wurde. Jahrelang habe ich daher fast ohne Einkommen dagestanden und musste meine Familie mit Bankdarlehen ernähren. Mein wirtschaftlicher Ruin wäre sicher gewesen, wäre nicht der Zusammenbruch des Naziregimes erfolgt. Zweimal bin ich in Haft gewesen, zunächst vom 20. bis 25. Juli 1933 im Gefängnis in Montabaur und im Anschluss an den am 20. Juli 1944 erfolgten Anschlag auf Hitler nahezu 2 Monate im Gefängnis von Frankfurt/Main, wohin mich die Gestapo gebracht hat. Hier saß ich, durch die Bombenangriffe unter dauernder Lebensgefahr, in Einzelhaft. Für die Konzentrationslager in Dachau war ich vorgesehen, dies unterblieb nur deshalb, weil der Gefängnisarzt mich für lagerunfähig erklärte. Meine Entlassung aus dem Gefängnis erfolgte dann wegen Haftunfähigkeit.

Bis zum Eintreffen der Amerikaner stand ich dauernd unter Polizeiaufsicht. Wäre der Einzug der amerikanischen Armee nicht so schnell erfolgt, so wäre meine erneute Verhaftung sicher gewesen. Wochenlang vorher habe ich mich hier im Nachbarort bei Verwandten aufgehalten Dass meine Frau und ich durch die Erlebnisse gesundheitlich schwer gelitten haben, dürfte ohne weiteres klar sein. Soldat bin ich nie gewesen. Meine politische Tätigkeit galt nachweislich immer der Verständigungspolitik. Ich vertrat die Richtung der bedeutenden Staatsmänner Erxberger - Wirth - Brüning, die ebenfalls wie ich der Zentrumspartei angehörten und sich der Angriffe der Rechtsparteien, insbesondere der Nazis, dauernd ausgesetzt sahen. Mit den beiden letztgenannten Staatsmännern war ich befreundet. Als Führer der Zentrumspartei habe ich die Bevölkerung meines Wahlkreises stets auf die großen Gefahren aufmerksam gemacht, die durch Hitler und seine Trabanten drohten: - Zerstörung der Demokratie,- Zerstörung des Kulturlebens,- Zerstörung der Arbeitergewerkschaft,- Zerstörung des geistig-sittlichen Lebens,- Zerstörung der Harmonie und des friedlichen Zusammenlebens der Völker usw. So ist es gekommen! Wenn es nicht so traurig wäre, empfände ich heute eine große Genugtuung. Eins habe ich mir jetzt vorgenommen: Mit den Besatzungsmächten für meinen Teil an der Befriedung der Welt und dem Wiederaufbau mitzuarbeiten.

Montabaur, den 7. Oktober 1946

 


Lesen Sie folgende Dokumente betreffend Heinrich Roth:


Heinrich Roth wird zum Bürgermeister von Montabaur gewählt (1926)

Amtseinführung Heinrich Roths als Bürgermeister von Montabaur (1926) (Westerwälder Volks-Zeitung vom 3. Juli 1926)

Heinrich Roth wird zum Landesvorsitzenden der nassauischen Zentrumspartei gewählt (1929)

Heinrich Roths Begegnung mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg (Westerwälder Volks-Zeitung vom 27. Juli 1930)

Aufruf Heinrich Roths an die Bevölkerung von Montabaur (1930)

Zeitungsberichte für die Haft Heinrich Roths 1933

Aufruf Heinrich Roths zu einer Weihnachtsspende (Dezember 1945)

Abberufung Heinrich Roths als Landrat des Unterwesterwaldkreises und Berufung zum kommissarischen Landrat des Landkreises St. Goar (November 1947)

Abschied von Heinrich Roth aus dem Kreistag St. Goar (Rhein-Zeitung vom 29. Juli 1955)

 


 

Auszug aus der Aktennotiz des Ministerpräsidenten Peter Altmeier über die Besprechung bei dem französischen Gouverneur Hettier de Boislambert am 24. Oktober 1947.

Der Gouverneur beanstandete, dass Landrat R o t h, Montabaur, zwei Zentner Kartoffeln aufgerufen und dadurch eine Gefahr für die gesamte Verteilung innerhalb des Landes heraufbeschworen habe. Er könne eine solche Selbstherrlichkeit nicht hinnehmen; schon allein deshalb nicht, damit nicht bei den anderen Landräten der Eindruck entstehe, als wenn jeder machen könne was er wolle. Er betonte andererseits die politische Haltung des Landrates und die Opfer, die dieser während der Nazizeit als Verfolgter bringen musste. Schließlich verwies er auf die ihm bekannte Tatsache, dass ich mit Landrat Roth persönlich befreundet sei. Er wolle deshalb die Angelegenheit mit mir erörtern. Ich habe auf die Motive, die den Landrat zu seinem Tun bewegten, hingewiesen und dabei insbesondere betont, dass

a) die Auflage für Ludwigshafen (die später in eine Militärumlage umgewandelt wurde),
b) die Auflage für Koblenz,
c) die Versorgung der Kreisbevölkerung mit einem Zentner sichergestellt sei und dass der Landrat die darüber hinaus vorhandenen Mengen vor einer Verschiebung bewahren wollte, indem er den zweiten Zentner für die Kreisbevölkerung freigab.

Ich verwies weiterhin auf die politische und landrätliche Tätigkeit, die es mir verbiete, eine etwaige französische Maßregelung hinzunehmen, so dass ich dringend darum bitten müsse, davon Abstand zu nehmen. In den weiteren Ausführungen betonte der Gouverneur vor allem die Unmöglichkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Bezirksdelegierten Chevalier. Die Unmöglichkeit Tätigkeit als dieser Zusammenarbeit habe ich in meiner Regierungspräsident von Montabaur bereits mehrfach beobachten können. Das Verlangen nach Absetzung bzw. Inruhestandsversetzung konnte ich abwehren durch die Bereitschaft, eine Versetzung nach dem soeben frei gewordenen Kreis St. Goar ins Auge zu fassen. Mit einer solchen Regelung erklärte sich der Gouverneur einverstanden.

 


 Hier eine Bildersammlung zu Heinrich Roth: