Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Familie Salzmann, Paris 1935


Klein-Hugo, Paris 1935

 

 
Vater Hugo und Sohn Hugo, Paris 1935

 

Brief von Mutter Julianna vom 05. Dezember 1938 an ihre Familie in Österreich (Das Original HIER lesen)

 Adresse von Juliana Salzmann:
“58 bis Av. Pasteur, Montreul/Seine“

„Lieber Vater, Tinnerl & Mann,
Deinen lieben Brief haben wir mit Freude erhalten und danken Dir, liebe Tinnerl, herzlichst. Du hattest mir viel geschrieben und so werde ich Euch auch viel antworten. Mit dem Bildchen habe ich große Freude und dass Ihr alle, besonders Vater, noch so wohlauf seid, hat mich am meisten gefreut. Du, liebe Tinnerl, und auch Vater habt Euch fast nicht verändert. Deinem Mann Peter sieht man es an, dass er ein lieber Mensch ist. Liebe Schwester & Schwager, nehmt von uns drein die besten Wünsche zu Eurem Eheleben entgegen. Ja, Tinnerl, Du willst wissen, was ich von Dir geträumt hab, ich hab Dich und Frau Kollmann gesehen und Du hattest ein reizendes zweijähriges Töchterchen an der Hand. Ja von Herzen wünsche ich Euch einen Sohn oder Tochter. Nur Geduld, es wird schon noch etwas ankommen.
Nannerl ist ein hübsches Mädl und sag ihr, sie soll sich nicht überstürzen. Sie hat ja noch Zeit bis sie einen Menschen findet, der es ehrlich mit ihr meint. Heute sind zwar solche Menschen dünn gesät, aber trotzdem findet man noch welche.
So, jetzt will ich Euch einmal von mir, vielmehr von uns, erzählen.
Du weißt, dass ich mich 1932 verheiratet habe. Wir hatten dort eine schöne Dreizimmerwohnung mit Küche. Es fehlte uns gar nichts, alles Möbel, genug Wäsche, Geschirr hatten wir, Hugo hatte immer Arbeit, verdiente genug, um anständig leben zu können.
Alles das war auf einmal und ist vorbei. Du wirst Dich vielleicht noch erinnern können, als ich Euch 1933 schrieb, da fing für uns und mit uns noch Millionen anderer Menschen ein schweres Leben an. Ich habe zwar nicht das Pech, mit einem Juden oder Halbjuden verheiratet zu sein. Nein, mein Mann ist reiner Arier, nach der Auffassung des heutigen Deutschlands. Aber wir sind eben auch in Paris gelandet, trotz Arier.
Ja, liebe Schwester, zu schreiben, wie wir hierher kamen, das kann ich nicht, das erzähl ich Euch alles später einmal. Wenn wir uns wieder sehen?
Liebe Timmerl, Du fragst, ob es uns gut geht. Das muss ich mit nein beantworten. Wir haben jetzt fünf Jahre größter Entbehrungen hinter uns, ein Leben ohne Arbeit und Rechte. So eine Zeit, das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen. Und trotzdem haben wir Mut und sind überzeugt, dass wir es einmal wieder so bekommen wie früher. Natürlich haben wir unsere ganze Wohnung, Wäsche, Geschirr also alles, was wir hatten, verloren. Unser Kleiner war damals sechs Monate alt, als er fort musste. Ja, es waren Zeiten, die man nie vergessen kann.  
Aber Hugo ist ein lieber und anständiger Mann, wir verstehen uns sehr gut und ich gehe, wohin es auch nur ist, mit ihm.
Siehst Du, liebe Timmerl, so ist das Leben. Hier in Frankreich ist es für Ausländer auch schlimm, denn trotzdem wo Hugo einen guten Beruf hat, darf er nicht arbeiten.
Jetzt möchte ich Euch etwas fragen, und ich hoffe, dass Ihr mir darin bald Antwort gebt, ob ja oder nein. Wir bräuchten notwendig eine Hilfe und, wenn es geht, dass Ihr uns manchmal 10 Reichsmark schicken könntet, wäre ich Euch dankbar.
Wir könnten es Euch bei späteren Verhältnissen wieder zurückgeben. Wenn einer von Euch einen Pass hat, so könnt Ihr mir als Eurer Schwester 10 Reichsmark zukommen lassen.
Liebe Timmerl, ich möchte aber nicht gern, wenn Luis oder Mitzi wieder über mich urteilen, denn Ihr alle könnt vielleicht unser Leben von heute nicht verstehen. Das, was ich verlange, ist auch weniger für Hugo und mich, sondern für unseren kleinen Hugo, damit er ein bisschen besser essen könnte...“

 

 

Mutter Julianna und Hugo, Paris 1937

 

 

Erlass des französischen Innenministeriums vom 17. September 1939 HIER lesen

 

Zeichnungen des Vaters für den Sohn aus dem Gefängnis in Paris, September 1939

 

Hugo bei den französischen Bauersleuten, um 1940

 

Hugo bei der Familie seiner Mutter in der Steiermark/Österreich

 

Hugo mit seiner Tante Ernestine in der Steiermark, um 1942

 

Mutter Julianna, Ende der 1930er Jahre

 

Brief der Mutter vom 23. Februar 1941 aus dem Gefängnis in Koblenz an ihre Angehörigen in der Steiermark und ihren Sohn Hugo (Originale Handschrift HIER lesen)

„Lieber Vater, Tinnerl & Mann,
Deinen lieben Brief haben wir mit Freude erhalten und danken Die, liebe Tinnerl, herzlichst. Du hattest mir viel geschrieben und so werde ich Euch auch viel antworten. Mit dem Bildchen habe ich große Freude und dass Ihr alle, besonders Vater, noch so wohlauf seid, hat mich am meisten gefreut. Du, liebe Tinnerl, und auch Vater habt Euch fast nicht verändert. Deinem Mann Peter sieht man es an, dass er ein lieber Mensch ist. Liebe Schwester & Schwager, nehmt von uns drein die besten Wünsche zu Eurem Eheleben entgegen. Ja, Tinnerl, Du willst wissen, was ich von Dir geträumt hab, ich hab Dich und Frau Kollmann gesehen und Du hattest ein reizendes zweijähriges Töchterchen an der Hand. Ja von Herzen wünsche ich Euch einen Sohn oder Tochter. Nur Geduld, es wird schon noch etwas ankommen.
Nannerl ist ein hübsches Mädl und sag ihr, sie soll sich nicht überstürzen. Sie hat ja noch Zeit bis sie einen Menschen findet, der es ehrlich mit ihr meint. Heute sind zwar solche Menschen dünn gesät, aber trotzdem findet man noch welche.
So, jetzt will ich Euch einmal von mir, vielmehr von uns, erzählen.
Du weißt, dass ich mich 1932 verheiratet habe. Wir hatten dort eine schöne Dreizimmerwohnung mit Küche. Es fehlte uns gar nichts, alles Möbel, genug Wäsche, Geschirr hatten wir, Hugo hatte immer Arbeit, verdiente genug, um anständig leben zu können.
Alles das war auf einmal und ist vorbei. Du wirst Dich vielleicht noch erinnern können, als ich Euch 1933 schrieb, da fing für uns und mit uns noch Millionen anderer Menschen ein schweres Leben an. Ich habe zwar nicht das Pech, mit einem Juden oder Halbjuden verheiratet zu sein. Nein, mein Mann ist reiner Arier, nach der Auffassung des heutigen Deutschlands. Aber wir sind eben auch in Paris gelandet, trotz Arier.
Ja, liebe Schwester, zu schreiben, wie wir hierher kamen, das kann ich nicht, das erzähl ich Euch alles später einmal. Wenn wir uns wieder sehen?
Liebe Timmerl, Du fragst, ob es uns gut geht. Das muss ich mit nein beantworten. Wir haben jetzt fünf Jahre größter Entbehrungen hinter uns, ein Leben ohne Arbeit und Rechte. So eine Zeit, das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen. Und trotzdem haben wir Mut und sind überzeugt, dass wir es einmal wieder so bekommen wie früher. Natürlich haben wir unsere ganze Wohnung, Wäsche, Geschirr also alles, was wir hatten, verloren. Unser Kleiner war damals sechs Monate alt, als er fort musste. Ja, es waren Zeiten, die man nie vergessen kann.  
Aber Hugo ist ein lieber und anständiger Mann, wir verstehen uns sehr gut und ich gehe, wohin es auch nur ist, mit ihm.
Siehst Du, liebe Timmerl, so ist das Leben. Hier in Frankreich ist es für Ausländer auch schlimm, denn trotzdem wo Hugo einen guten Beruf hat, darf er nicht arbeiten.
Jetzt möchte ich Euch etwas fragen, und ich hoffe, dass Ihr mir darin bald Antwort gebt, ob ja oder nein. Wir bräuchten notwendig eine Hilfe und, wenn es geht, dass Ihr uns manchmal 10 Reichsmark schicken könntet, wäre ich Euch dankbar.
Wir könnten es Euch bei späteren Verhältnissen wieder zurückgeben. Wenn einer von Euch einen Pass hat, so könnt Ihr mir als Eurer Schwester 10 Reichsmark zukommen lassen.
Liebe Timmerl, ich möchte aber nicht gern, wenn Luis oder Mitzi wieder über mich urteilen, denn Ihr alle könnt vielleicht unser Leben von heute nicht verstehen. Das, was ich verlange, ist auch weniger für Hugo und mich, sondern für unseren kleinen Hugo, damit er ein bisschen besser essen könnte...“

 

Brief von Mutter Julianna vom 20. April 1941 aus dem Gefängnis in Koblenz an deren Vater, Schwester („Tinnerl“) und Sohn Hugo

Habe Deinen sowie Hugos Brieflein ebenso die 10 Reichsmark mit viel Freude und Dank erhalten. Liebe Tinni, ich kann mir denken, dass Hugos Sachen nicht ganz in Ordnung waren, aber sei bitte deswegen nicht böse, ich war halt in der letzten Zeit nicht bei ihm. Dass es bei Euch noch so kalt ist, habe ich mir gar nicht gedacht, ich kann mich schon bald nicht mehr erinnern. Ich hoffe, dass es uns auch einmal wieder besser geht und ich Euch dann wieder für alles Gute, was Ihr Hugo tut, es besonders Dir, liebe Tinnerl, wieder geben kann.
Du brauchst Dir meinetwegen keine Sorgen zu machen, wie lange ich noch in der Haft bleibe, weiß ich nicht, im Leben geht es immer anders als man denkt. Aber wenn sich einmal die Gefängnistüre für mich öffnet, so mache Dir nicht schon jetzt Gedanken, wie ich bei Euch ankomme. Ich war so lange fort und kenne daher die deutschen Gesetze nicht, weiß daher nicht, ob ich als Staatenlose nach Freilassung, selbst wenn ich über Reisegeld verfüge, nicht doch in Bewachung eines Beamten in meine Heimat gebracht werde. Ich kann Dich gut verstehen, es wäre nichts Angenehmes, sollte es aber so sein, so kann ich es nicht ändern.
Ich kann meinen Kopf immer hoch tragen, ich bin keine Verbrecherin, ich habe nicht gestohlen, noch betrogen oder gemordet. Dass Euch in der letzten Zeit ebenfalls die Flieger aufsuchen, ist ja schlimm, hoffentlich richten sie keinen Schaden an.
Sage Tinni, hat Hugo keine Kleider und Schuhe von mir mitgebracht? Schreibe es mir. Hugo hat mir in seinem Brieflein geschrieben, Du seiest so lieb zu ihm und er habe keine Angst vor den Fliegern.
Hoffentlich bleibt Ihr alle gesund bis wir uns wieder sehen. Wie geht es Luise und Mann und Anny? Wann kommt Dein Mann auf Urlaub? Jetzt schreibe ich noch ein paar Worte an Mitzi. Bleibt alle recht gesund, schreibt mir wieder...

Liebe Schwester Mitzi!

Du weißt über meine jetzige Lage genau Bescheid, Tinnerl hat Dir ja alles erzählt. So tritt das Schicksal an jeden Menschen heran, an den einen früher, den anderen später. Dich, liebe Schwester, hat es schon getroffen, ich fühle mit Dir, Dein einziger Sohn und Kind ist gefallen, armer Fritz. Ich weiß es, ich habe meinen Hugo, er ist der einzige Reichtum, den ich besitze, und so geht es jeder Mutter. Du warst zu Hause und hast Hugo kennen gelernt und freute mich, dass Du gut zu ihm warst. Wenn ich auch noch nicht an Dich schrieb, so war dies doch nicht böse gemeint. Ich habe viel Schweres hinter mir, und ich weiß nicht, was noch alles bevorsteht. Wenn ich einmal wieder komme, werde ich mich über manches, was Dir an mir nicht gefällt, ausspre-chen. Mit dem Schreiben kommen immer missverstandene Sachen heraus. Wünsche Dir alles Gute, bleib gesund bis auf ein Wiedersehen, sei innigst gegrüßt ....

Mein lieber guter Hugo!

Vielen lieben Dank für dein liebes Brieflein mit Zeichnung, sehr schön hast Du das gemalt. Und für das Geld, welches zu für Deine Mama sparst, Danke dafür, bist mein braver Bub. Du hast ganz recht Hugo, wenn Du vor den Fliegern keine Angst hast, der Krieg wird bald zu Ende sein und dann wird vieles wieder anders. Ich freue mich, dass Du gesund bist und es Dir gut geht, es ist lieb von Tante Tinni, dass sie Dir Schuhe und Hose gekauft hat, und Du bist auch recht lieb zu ihr und Großvater, gell. Schreibe mir bitte bald wieder, ich freue mich darauf. Nehme von deiner Mama, die immer an Dich denkt, viele liebe Grüße und Küsse...“
3. Brief vom 4. Mai 1941 an Vater, Schwester Tinni und Hugo
„Habe gestern deinen lieben Brief erhalten, vielen Dank. Ich habe auch das Päckchen mit allem darin bekommen, und ich habe mich sehr darüber gefreut, lieben Dank dafür.
Hugo geht nun in die Schule, es ist gut so, ich kann mir gut vorstellen, dass es für ihn schwer ist, aber es wird schon gehen. Auch soll er geimpft werden gegen Diphterie, ja Tinnerl, Du weißt doch noch, wie damals unser Brüderchen Victor im schönsten Kindesalter von dieser heimtückischen Krankheit überfallen wurde und sterben musste. Mache Dir keine Sorgen und lasse Hugo impfen, ich glaube nicht, dass er dadurch krank wird. Sicher wird er sich danach nicht ganz wohl fühlen, vielleicht etwas Fieber haben, aber wenn Du gut acht gibst, und ich weiß gute Schwester, dass Du das tust, so wird ihm nichts Ernsthaftes dabei zustoßen.
Die roten Flecken, die Hugo bekommt, sind schon viel besser geworden, er hatte sie besonders stark, als er noch jünger war, und in Paris die Luft konnte er schlecht vertragen. Ich war deswegen schon viel mit ihm beim Arzt, er bekam Höhensonne und Vitaminpräparate. Es wird jetzt wohl der Luft- und Nahrungswechsel sein, dass er es wieder hat. Armer Hugo, er hat dadurch schon viel gelitten.
Du wirst ja sehen, ob es wieder weggeht, gib ihm viel Gemüse, rohen Salat, wenn es wieder gibt rohe Karotten und keine so scharfen Speisen. Aber Du kochst doch wie unsere Mutter, und das war sehr gut. Liebe Tinnerl, sei nur nicht ängstlich, es wird schon gut gehen, ich bin ganz ruhig, denn ich weiß, dass Hugo es bei Dir gut hat und in der herrlichen Natur ganz gesund wird. Nur mit dem Baden musst Du trotzdem aufpassen, denn ich erinnere mich, das Wasser war manchmal eiskalt und Hugo hat schon zweimal doppelseitige Lungenentzündung gehabt, ebenso die Masern. Aber an heißen Tagen kann er schon baden.
Dass unser Vater auch fast nichts mehr sieht, ist ja furchtbar traurig, 80 Jahre ist schon ein hohes Alter und dazu sein leben lang gearbeitet. Du hast dadurch auch noch viel Arbeit, das Bad und jetzt noch Hugo, oft denke ich, wie Du das alles schaffen kannst.
Ich hoffe, dass Ihr einmal ein Bildchen von Hugo macht, ich hätte Freude daran.
Was ist mit Luise, warum schreibt sie nicht? Anny hat wohl auch keine Zeit, mir einige Worte zu schreiben, aber macht nichts. Es ist halt etwas Schreckliches, eine Schwester zu haben, die im Gefängnis sitzt, ja, ja. Ich hatte neulich einen dummen Traum, ich verlor zwei Zähne und war bei Euch daheim, bei einer Beerdigung, überall Trauerkleider, Franz und Luis wollten mich gar nicht sehen.
Wenn Du einmal an Bernard schreibst, dann bitte sie, sie möchten meine paar Sachen, die ich habe, aufheben. Herr und Frau Rose sind Onkel und Tante zu meinem Mann, wenn Du schreibst grüße und danke von mir, den Koffer mit Sachen habe ich vom Gefängnis in Trier an sie gesandt. Ich will jetzt noch ein paar Worte an Hugo schreiben. ....

Mein lieber guter Hugo!

Ich danke Dir für Dein liebes Brieflein und die guten Sachen vom Osterhasen. Jetzt gehst Du in die Schule, mein Guter, ja ich verstehe, dass es schwer ist. Aber auch das ist nur am Anfang, und ich weiß Hugo, dass es bald besser gehen wird. Du bist doch kein Dummer, und wenn Du fleißig bist und gerne lernst, dann kannst Du es bald so gut wie in Frankreich, da warst Du doch der beste von der Klasse, und nicht weinen Hugo, immer tapfer sein. Ich hab viel Freude mit Dir, weil Du so brav und lieb bist und Dein lieber Papa wird sich auch .......“

 

Brief - Hugos Mutter vom 25. Mai 1941 aus dem Gefängnis in Koblenz an ihre Angehörigen in der Steiermark und ihren Sohn Hugo. (Original Dokument HIER lesen)


Brief vom 25. Mai 1941 an Vater, Schwester Tinni und Hugo

„Mit vielen Freuden erhielt ich Deinen Brief vom 13. Mai, so lieb hast Du mir geschrieben, und die schönen Bildchen, ich kann sie gar nicht genug anschauen. Du, liebe Tinni, mit Hugo zusammen ist allerliebst, wie Mutter und Sohn, so sieht Dir Hugo ähnlich. Ich sehe, dass er Dich sehr lieb hat, und Du ihn.
Ich mache mir auch keine Sorgen, denn ich weiß, ich selbst kann nicht besser sein. Mein guter Bub ist in den sechs Monaten, wo ich ihn nicht mehr gesehen habe, recht groß geworden, und gut sieht er aus. Gell, Tinni, wenn Du auch Ausgaben für unseren Bub hast, so macht er Dir manches frohe Stündchen, und kannst in all Deiner Sorge um Peter, die ich sehr gut verstehe, doch so manchmal herzlich mit ihm lachen.
Du hast recht, Tinni, auch ich hoffe einmal wieder warmen Sonnenschein zu spüren, warum sollte er uns auch immer versagt bleiben.
Diese Woche hoffe ich geröntgt zu werden, mache Dir aber nur keine Sorgen, vielleicht ist es auch nur Schwäche, wenn ich nachts nicht schwitze, ist es mir gleich wohler. Hier ist das Wetter auch noch kalt und trübe, der Mai ist nun auch wieder bald vorbei, trotz der Einsamkeit vergeht die Zeit einigermaßen schnell, nur vor dem Winter graut es mir, da ist es so dunkel und kalt.
Wenn Du magst, so schicke doch auch ein Bildchen, wo Du mit Hugo zusammen bist, an Frau Knobel, es wird Freude machen, und schreibe mir dann immer, wenn sie schreibt.
Diese Woche bekam ich von Familie Rose eine Karte, wo sie mir schrieben, dass Du ihnen ein Bild von unserem Bub gesandt hast. Sie haben sich sehr darüber gefreut. Sie alle liebten unseren Sohn und waren lieb und gut zu ihm. Hugo soll einmal an diese Familie schreiben, wenn es in deutsch noch nicht so gut geht, so kann er in französisch schreiben. Onkel Rose kann es lesen.
Von Luise bekam ich diese Woche einen Brief, ich schreibe ihr heute auch noch, aber Anny hat mir noch nie geschrieben, vielleicht ist es ihr nicht wohl, sie bekommt doch im Juni ihr Kind, wünsch, dass alles gut geht.
Höre, Tinni, damit Du es weißt, sollte Hugo Dich einmal fragen, in Paris hat ihm eine Frau erzählt, die kleinen Kinderchen wachsen im Krautkopf. Da kam er zu mir und sagte, „Mama, das glaube ich nicht“, und ich sagte ihm, er habe recht, es sei nicht wahr. Ich erzählte ihm, dass ein kleines Kind anfängt am Herzen der Mutter zu wachsen, und da es doch groß werden muss, im Mutterleib so lange bleibt, bis es der Doktor holt. Damit war er ganz zufrieden und frug nie mehr. Dies nur, falls er Dich einmal frägt. Ich muss auch noch ein bisschen Platz für Hugo lassen und sage Dir, liebe gute Tinni, innigen Dank für die schönen Bilder, über die ich mich so freue, und alles Gute...

Mein lieber Hugo!

Du hast mir zum Muttertag ein so schönes Herz gemalt, mit Vergissmeinnicht rings-herum, das ist sehr lieb von Dir und ich danke Dir mein gutes Kind. Und lieb bist Du auf dem Bildchen, ach, und Tante Tinni hat Dir ja Golfhosen gekauft, schon so lange hast Du Dir solche gewünscht. Ich muss lachen, mein Hugo hat die ersten langen Hosen an und einen schönen Ball dazu, ich und Papa sind froh, dass es Dir gut geht und alle lieb mit Dir sind. Sag, Hugo, wie ist das mit Deinen Fingernägeln, tust Du sie immer noch abbeißen? Mache es nimmer, Hugo, es ist nicht gesund und auch nicht schön, gell Du denkst daran. Ich bin froh, dass es in der Schule schon ein bisschen besser geht und habe viel Freude, dass Du ein so lieber braver Bub bist, bleib nur so. Ich drücke ganz fest....“

 

Brief von Hugo Salzmann von „Frühling 1941“ aus dem südfranzösischen Lager Le Vernet an seinen Sohn Hugo und Schwägerin Ernestine und Schwager in Stainz/Österreich HIER lesen

 

 

Brief von Mutter Julianna von Oktober 1941 aus dem Gefängnis in Koblenz an deren Schwester Ernestine („Tinnerl“) und Sohn Hugo

„Meine liebe Schwester, Sohn Hugo!
Deinen letzten Brief sowie die 10 Reichsmark habe ich erhalten, ich habe mich sehr gefreut, und hab vielen Dank dafür. Wenn Du mir wieder schreibst, so soll mir mein Söhnchen auf die andere Seite etwas malen und dazu schreiben, ich habe solche Sehnsucht, von ihm selbst etwas zu haben, seine beiden Bienenhäuschen habe ich bekommen und hatte viel Freude damit. Ja, liebes Hugolein, bald hast Du Geburtstag, am 2. 11., nehme alles Gutes zu deinem 9. Geburtstag von Deiner Mutti, bleibe gesund und sei immer unser braves gutes Kind. Leider habe ich heute nur ein paar Worte für Dich, aber Deinen 10. Geburtstag wollen wir zusammen mit unserem lieben Papa in der Heimat feiern. Wenn Du an ihn schreibst, grüße ihn herzlich von mir und drücke Großvater und Tante Tinerl fest von mir. Nochmals vielen Dank, Grüße und Bussi an alle ....“

 

Hugo Salzmann senior, 1946

 

 Umschlag des letzten Briefes von Hugo Salzmanns Mutter aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück an ihre Angehörigen in der Steiermark/Österreich

 

Letzter Brief Hugos Mutter von November 1944 aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück an ihre Angehörigen in der Steiermark/Österreich (Originale Handschrift HIER lesen)


„Meine Lieben! Habe Euren lieben Brief bekommen, ich war sehr froh, gute Nachricht von Euch zu haben. Es tut mir sehr leid, dass es Vater nicht gut geht, und ich habe ein großes Verlangen, ihn wieder zu sehen. Von Hugo habe ich noch immer nichts gehört und bin daher sehr beunruhigt, vielleicht könntest Ihr einmal dorthin schreiben. Liebe Tini, ich habe zwei Pakete bekommen, eines mit getrockneten Äpfeln und das zweite mit Zwiebeln, alles bekam ich und war in bestem Zustand. Meinen innigsten Dank dafür. Wenn Du hast, schicke mir einmal getrocknete Schwarzbeeren. Jetzt zu Dir ein paar Worte, mein liebes Kind. Übermorgen feierst Du dein zwölftes Lebensjahr, viele Jahre schon feierst Du Deinen Geburtstag ohne Eltern, ich, liebster Hugo, wünsche Dir das Beste, bleibe gesund und brav. Lerne weiter so gut, und hoffe, dass wir uns recht bald mit unserem lieben Papa wieder sehen. Hoffentlich ist er gesund. Ich denke zurück, vor 12 Jahren waren wir in Bad Kreuznach, es ist Deine Vaterstadt, eine schöne Heimat hast Du, Hugo, ia und liebe gute Freunde hatten wir, als Du geboren wurdest, da hatten sie mit uns die größte Freude, wir gehen wieder dorthin, wenn wir uns alle drei wieder finden, ich umarme und küsse Dich und grüße alle recht herzlich, Geschwister, Paula und die Kreuznacher Eure dankbare Julerl.“

 

Lesen Sie HIER eine Kopie der Karteikarten von Julianna und Hugo Salzmann - Das Original der Karteikarte befindet sich im Landeshauptarchiv Koblenz.

Hinweis: Der eingebrachte Lizenzcode auf der Kartei-Karte berechtigt nur die Veröffentlichung auf den Webseiten des Fördervereins Mahnmal Koblenz

 

Hugo Salzmann, anfang der 1950er Jahre

 

Hugo Salzmann und seine Ehefrau Herta, um 1957

 

Hugo junior (rechts) mit seinem Sohn Hanno bei seinem Vaterin in dessen Künstlerwerkstatt in Bad Kreuznach