Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Abt Ildefons Herwegen von Maria Laach beim Empfang des Vizekanzlers Franz von Papen zusammen mit dem Oberpräsidenten Hermann Freiherr von Lüninck in Maria Laach Ende Juli 1933:

Was auf religiösem Gebiet die Liturgische Bewegung ist, ist auf dem politischen Gebiet der Faschismus. - Der deutsche Mensch steht und handelt unter Autorität, folgt, ist ein Schädling für die Gemeinschaft (...) Sagen wir ein rückhaltloses Ja zu dem neuen Gebilde des totalen Staates, das durchaus analog gedacht ist dem Aufbau der Kirche. Die Kirche steht in der Welt wie das heutige Deutschland in der Politik.


Das Führerprinzip im Bauernstande.  Von Freiherr von Lüninck, Koblenz

Nicht das geringste Verdienst des neuen Reiches und seines Führers Adolf Hitler in der Neugestaltung des gesamten öffentlichen Lebens liegt darin, dass sie das als unbrauchbar erwiesene liberal-demokratische System auf der ganzen Linie durch das Führerprinzip ersetzt hat. Während im demokratischen System jede Entscheidung von der Abstimmung und Beschlussfassung einer Vielheit abhing und damit die Verantwortung des Einzelnen verschleiert und zum Teil völlig ertötet wurde, tritt beim Führerprinzip die Entscheidung und die Verantwortung der einzelnen Persönlichkeit uralten deutschem Rechtsempfinden entsprechend völlig in den Vordergrund.
Diese persönliche Verantwortung, dieser Führergedanke entspricht insbesondere dem Denken und Wollen des bodenständigen Bauerntums, dessen einer klaren autoritären Führung zugeneigter Sinn sich in den demokratischen Formen niemals innerlich hat befreunden können. Wer die Geschichte des deutschen Bauernstandes und namentlich auch seiner Entwicklung in den letzten Jahrzehnten kennt, der weiß, dass in ihm auch in den Zeiten des Vorherrschens liberal-demokratischer Ideen im Grunde stets der Führergedanke bestimmend gewirkt hat. Weil das Bauerntum fest im deutschen Boden und deutschen Denken stets verwurzelt blieb, hat es von jeher klare Führung gewollt, geradezu verlangt und sich nie dem Wahn hingegeben, dass der echte Führer seine Verantwortung wirksam auf ein beschließendes breiteres Organ obwalten könne oder dürfe. Vom ersten großen Bauernführer des vergangenen Jahrhunderts, dem westfälischen Bauernkönig Freiherr von Schorlemer-Alst wurde schon vor mehr als 50 Jahren gesagt: ,,Er hört alle und entscheidet allein, weil er nicht nach unten, sondern nach oben sich verantwortlich fühlt.“ Und der große rheinische Bauernführer der drei Jahrzehnte hindurch das Schicksal des rheinischen Bauerntums maßgebend geleitet hat, Freiherr von Lee-Mergenhessen, hat ganz gewiss nie einen Zweifel darüber gelassen, dass er für seine Entscheidung jeweils höchst persönliche Verantwortung trug, wie er im Kern auch nie es zugelassen hätte, dass in wichtiger Frage etwa durch eine Mehrheit seiner Berater seine Überzeugung entschieden werden würde. Es war in den Zeiten der Beschlüsse demokratischer Ideen und demokratischer Formen, kurz nach der schmachvollen Revolte von 1918, als ein sehr geistreicher Beobachter der organisatorischen Verhältnisse im rheinischen Bauerntum feststellte:
,,Freiherr von Lee-Mergerhessen redet zwar viel von demokratischem Aufbau und von den Beschlüssen seiner Organe, im Kern wird aber doch alles entschieden nach dem Grundsatz: Wir, Clemens von Gottesgnaden usw.“
Der rheinische Bauernstand ist schon in der Vergangenheit bei diesem Führerprinzip nicht schlecht gefahren. Die Voraussetzung echten Führertums ist neben dem Willen zur verantwortlichen Entscheidung, die enge organische, in festem Vertrauen begründete Verbindung mit der Gefolgschaft. Führertum erschöpft sich keineswegs in der Kommandogewalt. Die Führung eines Organismus, insbesondere auch eines sozialen Organismus, ist etwas wesentlich anderes, wie die Führung eines Mechanismus. Die Führung des Mechanismus liegt außerhalb desselben. Der Lokomotivführer steht auf seiner Maschine ohne innere organische Verbindung mit dem Mechanismus selbst. Der Führer des Organismus muss diesem Organismus selbst angehören, muss nicht von außen, sondern von innen her führen. Ja die Führung ist nicht nur ein beliebiger Bestandteil des Gesamtorganismus, sondern dessen wesentlichstes und unentbehrlichstes Glied, nämlich das eigentliche Lebensprinzip des sozialen Organismus. Diese Führung ist es, welche die einzelnen Glieder des Organismus selbst zur Ganzheit verbindet und zusammenfasst und aus diesem wesentlich mehr macht als die Summe ihrer Teile. Wie die Seele das eigentliche Lebensprinzip des physischen menschlichen Organismus ist, dessen Glieder auseinander fallen und sterben müssen, sobald die Seele weicht, so ist die Führung das eigentlich belebende und erhaltende des sozialen Organismus. Das tiefste Wesen der Führung kann deshalb auch nie mit rationalistischen Begriffen umschrieben werden, genau so wenig wie es möglich ist, das Leben im physischen Organismus mit den Formeln der Physik und der Chemie zu erfassen. Führung im sozialen Organismus ist letzten Endes ein Geheimnis, hoch und heilig wie das Leben selbst. Weil der Führer im sozialen Organismus belebender Teil des Ganzen ist, darum ist bei aller ausschließlichen Verantwortung des Führers sein Führerwille doch auch tausendfältig abhängig von dem Leben dieses Organismus und seiner Glieder. Darum muss die Willensbestimmung im gesunden sozialen Organismus nicht allein durch die äußere Entscheidung des Führers, sondern durch die innere Durchdringung der gesamten Gefolgschaft mit dem Willen des Führers erfolgen. Er allein trägt die Verantwortung vor Gott und seinem Volke. Aber seine Entscheidung muss so wirken, dass sie von seiner Gefolgschaft zugleich als ihr Wille und Wunsch im Großen empfunden werde.
Unerreichtes, aber für jeden Unterführer nacheifernswertes Vorbild ist auch in dieser Hinsicht der Mann, der mit Recht den Ehrentitel ,,Der Führer der Nation“ erhalten  hat, der Volkskanzler Adolf Hitler selbst, dessen ganze Größe darin besteht, dass er die ganze Nation nach Überwindung tausendfältiger Widerstände mit seinem Führungswillen durchdrungen und zu rückhaltloser Führergefolgschaft gewonnen hat. Über unfreie Knechte zu verfügen, kann vielleicht einen Tyrannen befriedigen. Seit Jahrtausenden ist es stets der Ehrgeiz aller wahrhaft deutschen Führer gewesen, freien Menschen ein Herzog zu sein und in erster Linie nicht durch äußeren Befehl, sondern im letzten Grunde durch die überlegene Kraft des Willens und des Geistes zu herrschen. ,,Freien Menschen zu gebieten, schönstes aller Königsrechte!“
(Manuskript zu der Sondernummer der Westdeutschen Bauern-Zeitung im Spätsommer/Frühherbst 1933)


Brief des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring vom 2. Juni 1937, mit dem Hermann Freiherr von Lüninck aus dem Preußischen Staatsrat ausgeschlossen wurde:

(...) Dies ist umso bedenklicher, da gerade die Bevölkerung Ihres Wohnortes früher besonders zentrümlich eingestellt war und auch heute noch durch die unverschämte Pfaffenhetze sich gegen den Staat einstellt. (...) Allein schon die Bindung nach Rom, die Gehorsamspflicht einem Manne gegenüber, der einer fremden Nation angehört, gibt ungeheure Gefahrenmomente. Das Verhalten der Priester hierbei ist in meinen Augen glatter Landesverrat. Es ist mir persönlich unbegreiflich, weshalb man nicht längst schon die hohe Klerisei, die dauernd nach Rom fährt und dort in unverschämter Weise gegen Deutschland hetzt, wegen Hoch- und Landesverrat vor das Volksgericht gestellt hat. Aber ich gebe mich der insbrünstigen Hoffnung hin, dass dies möglichst bald geschehen wird.
(zitiert nach: Ekkehard Klausa: Vom Bündnispartner zum ,,Hochverräter“ - Der Weg des konservativen Widerstandskämpfer Ferdinand von Lüninck, in: Westfälische Forschungen 43 (1993), S. 530 - 571)


Schreiben von Hermann Freiherr von Lüninck vom 19. Januar 1950 an den katholischen Publizisten P. Max Pribilla

(··.) Das zweite, vielleicht noch bezeichnendere Erlebnis war sechs Wochen vor dem 20. Juli. Am 3. Juni 1944 war ich mit Beck, Witzleben, Stieff, Stauffenberg, Schulenburg (Fritzi) (alles hohe Militärs, die zum engsten Kreis der Verschwörer vom 20. Juli 1944 gehörten, Erg. d. A.) in einem kleinen Privatzimmer in Potsdam zusammen. Durch Trott zu Solz (Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, Mitglied des Kreisauer Kreises, Erg. d. A.) kam die Nachricht, dass auch der letzte Versuch, der unternommen war, von den angelsächsischen Mächten im Falle eines Sturzes von Hitler durch eine deutsche Widerstandsbewegung die Zusicherung einigermaßen vertretbarer Kapitulationsbedingungen zu erreichen, ein völlig negatives Ergebnis gezeitigt hätte; sowohl England wie USA beständen auch für den Fall eines Sturzes von Hitler auf der Forderung ,,der bedingungslosen Kapitulation“, des ,,unconditionaly surrender“. Diese Nachricht, die inhaltlich auch indirekt durch den Botschafter Schulenburg, der nicht selbst anwesend war, Bestätigung erhielt, machte ungeheuren Eindruck. Witzleben zitterte vor Erregung und sprang vom Stuhl auf und erklärte, dann ist es unmöglich, dann kann kein Ehrenmann das deutsche Volk dieser Lage aussetzen. Da erhob sich Beck und erklärte mit der ihm eigenen Ruhe und doch mit einem ganz eigenartigen Leuchten in den Augen: ,,Das Entscheidende ist nicht, was aus diesem oder jenem persönlich wird, das Entscheidende ist nicht einmal die Folge für die Gesamtheit des Volkes, sondern entscheidend ist, dass es unerträglich ist, dass seit Jahr und Tag im Namen des deutschen Volkes Verbrechen auf Verbrechen und Mord auf Mord gehäuft wird, und dass es sittliche Pflicht ist, mit allen verfügbaren Mitteln diesem im angemaßten Namen des Volkes geübten Verbrechen Einhalt zu tun. Diese Einstellung von Beck gab den Ausschlag für die Fortführung der begonnenen Pläne. Das war die innere Einstellung, von der der geistige Führer der Widerstandsbewegung, Generaloberst Beck, und die ihm nahe stehenden Menschen geleitet waren.
(zitiert nach: Institut für Zeitgeschichte, München)


Hermann Freiherr von Lüninck über sein Verfahren vor dem Volksgerichtshof

Irgendeine Auswertung oder Benutzung freier Rede oder rhetorischer Fähigkeiten war praktisch beim Volksgerichtshof nicht möglich. Ich hatte bei Vernehmungen durch die Gestapo im Oktober 1944 nach anfänglichem völligen Ableugnen und nachdem die üblichen Druckmethoden bei der Vernehmung keinen Erfolg hatten, schließlich ein weitgehendes Geständnis nach dem Wunsch des vernehmenden Gestapokommissars abgelegt, nachdem er in meiner Gegenwart mit der Dienststelle der Gestapo in Köln telefonisch angeordnet hatte, dass meine Frau verhaftet werden sollte und meine Töchter in das SS-Heim in der Eifel eingewiesen werden sollten. Ich habe mir nachträglich gesagt, dass auch dieses Gespräch wahrscheinlich fingiert gewesen sei, aber man war damals auf jede Möglichkeit gefasst und hielt alles für denkbar. Jedenfalls habe ich dann vor der Gestapo mich diesen Druckmitteln gebeugt und habe das gewünschte, übrigens im ganzen objektiv zutreffende Geständnis abgelegt. - Tatsächlich ist, abgesehen von einer rigorosen Haussuchung niemand an Berta oder meine Kinder herangetreten. Dieses Geständnis, das die Grundlage der Anklageschrift und des Antrages des Reichsanwaltes auf Todesstrafe darstellte, habe ich dann am 18. Januar in der Sitzung des Volksgerichtshofs - übrigens entgegen einem dringenden Rat meines mich verteidigenden Rechtsanwaltes — hart und scharf widerrufen. Das hatte einen tollen Wutausbruch von Freisler zur Folge. Das Folgende könnte ich aus eigener Erinnerung nicht bezeugen, ich weiß es aber aus der Mitteilung eines SS-Mannes, der mich zur Verhandlung geführt hatte und nachher auch wieder abführte. Dieser übrigens sehr erkenntliche(?) Mann hat mir erzählt, Freisler und ich hätten uns fünf Minuten wechselseitig angebrüllt, unter weitgehender Bezugnahme auf das Tierreich: ,,Du Lump, du Schwein, du Verbrecher“ usw.
Ich erinnere das wie gesagt persönlich nicht. Aber erfahrungsgemäß ist man ja bei solchen Situationen wie bei Sturmangriffen so aufgeregt, dass man keine zuverlässige Erinnerung hat. Ich erinnere nun, dass Freisler schließlich seine rote Mütze aufsetzte und erklärte, dass die Verhandlung auf den 3. Februar vertagt würde, damit der mich vernehmende Gestapokommissar gehört werden könne. Vorher waren von den fünf Mitangeklagten dieses Termins drei zum Tode und einer zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 3. Februar 1945 zerstörte eine amerikanische Bombe den Volksgerichtshof in der Bellevue-Straße und tötete Freisler. Sein Nachfolger Lemmie ließ übrigens die Anklage nicht fallen, sondern setzte neuen Termin auf den 20. April an. Zu diesem Termin ist es praktisch nicht mehr gekommen, da inzwischen Berlin umzingelt war und die SS am 18. oder 19. April aus unserem Gefängnis abgerückt war, allerdings am 23. und 24. April mit einer Gruppe nochmals zurückkehrte und 19 von uns an der Mauer des Gefängnisses umgebracht hat.
(zitiert aus einem Brief Hermann von Lünincks vom 20. August 1973 an Staatsanwalt a.D. Wolfgang Freiherr von Fürstenberg, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München)