Josef Terboven (1898 – 1945)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie heute zum ersten Vortrag der dreiteiligen Reihe über NS-Täter aus Koblenz und Umgebung begrüßen zu können. Einige von Ihnen sind ja inzwischen treue Hörer und – wenn ich das so sagen darf – Fans geworden. Andere sind jetzt neu dazu gekommen. Ihnen allen ein herzliches Willkommen!
Es ist inzwischen die 10. Kampagne der Vortragsreihe „Verfolgung und Widerstand in Koblenz und Umgebung 1933 – 1945“. Der Start war im Wintersemester 2001/2002. Dann haben wir jedes Wintersemester die Reihe fortgesetzt und sind jetzt im 10. Jahr. Wir haben lange durchgehalten – und ich hoffe, es ist Ihnen nicht langweilig geworden. Ich wünsche uns allen, dass es in diesem Semester so bleibt.
Ich habe mich bemüht, Ihnen auch diesmal wieder eine interessante und abwechslungsreiche Mischung zusammenzustellen. Mit dabei sind wieder ein NSDAP-Gauleiter und Verwaltungsbeamter sowie ein Mann aus dem unmittelbaren Repressionsapparat, ein SS-Mann – allerdings der besonderen Art -, und last but not least wieder einmal ein „furchtbarer Jurist“.
Beginnen möchte ich heute mit dem Gauleiter Josef Terboven. Wer meine Vortragsreihe aufmerksam verfolgt, weiß, dass das nunmehr der vierte Gauleiter ist, den ich hier porträtiere. Der erste war Gustav Simon, der zweite Robert Ley, der dritte Josef Grohé – und jetzt als vierter Josef Terboven. Man wird sich wundern – ein einziger NS-Gau und vier Gauleiter. Nein, so war es nicht und das möchte ich gleich klarstellen. Koblenz und das heutige nördliche Rheinland-Pfalz gehörten zunächst zum NS-Gau Rheinland Süd. Dessen Gauleiter war seit 1925 Robert Ley. Auf Betreiben des Leiters des NS-Bezirks Koblenz – das war Gustav Simon – wurde der Gau Rheinland Süd im Jahr 1931 geteilt. Gustav Simon wurde der erste und der einzige Gauleiter des Gaus Koblenz-Trier-Birkenfeld, später: Gau Moselland. Der im letzten Jahr porträtierte Gauleiter Josef Grohé wurde nach der Teilung des Gaus Rheinland Süd der Gauleiter des nördlichen Teils dieses Gaus, des Gaus Köln-Aachen. Porträtiert habe ich ihn im letzten Jahr nicht nur deshalb, weil er in Gemünden im Hunsrück geboren und aufgewachsen war, sondern auch deshalb, weil er als „Gaugeschäftsführer“ und Chefredakteur des Parteiorgans „Westdeutscher Beobachter“ sich bis 1933 maßgeblich in die politischen Verhältnisse in Koblenz und Umgebung eingemischt hatte und ein übler Demagoge war.
Heute nun will ich Ihnen den Gauleiter Josef Terboven vorstellen. Er hat als Gauleiter überhaupt nichts mit Koblenz zu tun. Denn er war Gauleiter von Essen – und zu diesem Gau gehörte, wie der Name schon sagt, Essen und das Umland von Essen. Den Bezug zu Koblenz erhielt Terboven vielmehr durch eine Funktion, die keiner der bisher von mir porträtierten Gauleiter erreichte: Neben seinem Parteiamt als Gauleiter der NSDAP war Terboven auch staatlicher Beamter – und zwar Oberpräsident der Rheinprovinz.
Dazu möchte ich Ihnen – weil sicherlich nicht allen von Ihnen das bekannt ist – erzählen, was es mit dem Amt des Oberpräsidenten der Rheinprovinz auf sich hat. Das Amt des Oberpräsidenten wie auch die Rheinprovinz, der er vorstand, waren ein Kind des Wiener Kongresses. Im Zuge der Niederlage Napoleons und der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress im Jahre 1815 kamen die Rheinlande an Preußen. Diese Rheinlande dehnten von Bingen bis Kleve aus. Nach einer Zeit der Neu- und Umorganisation wurde die Rheinprovinz im Jahr 1822 neu gebildet. Sie war eine von zeitweise 12 preußischen Provinzen. Sitz des Leiters der Rheinprovinz, des Oberpräsidenten, war Koblenz. Zunächst hatte der Oberpräsident mit seinem Verwaltungsapparat, der Provinzialregierung, seinen Sitz im ehemaligen Kurfürstlichen Schloss. Vor ziemlich genau 100 Jahre, im Jahre 1911, zog er mit seiner Provinzialregierung in das in neubarockem Stil errichtete Gebäude an der heutigen Stresemannstraße in der Nähe des Schlosses ein. Dieses Gebäude war nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz der Bezirksregierung. Seit einigen Jahren, nach der Verwaltungsreform, ist es Sitz der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord).
Die Rheinprovinz, die bis zum Untergang Preußens mit der Kapitulation Hitler-Deutschlands am 8. Mai 1945 bestanden hatte, gliederte sich in fünf Regierungsbezirke. Das waren von „oben nach unten“ die Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf, Köln, Koblenz und Trier. Diesen stand jeweils ein Regierungspräsident vor. Auch dieses Amt gibt es heute nicht mehr. Das liegt aber nicht an der Niederlage im Zweiten Weltkrieg, sondern an der Verwaltungsreform, die – wie erwähnt – die Bezirksregierungen abschaffte und stattdessen die beiden Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd (Süd in Neustadt an der Weinstraße) und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier einrichtete.
Die Oberpräsidien waren echte Zwischeninstanzen zwischen den preußischen Staatsministerien und den Regierungspräsidenten. Sie hatten eigenständige Kompetenzen wie etwa die Oberaufsicht über die Regierungen und die Regierungspräsidenten, Wasserstraßenverwaltung, die Provinzialschulkollegien u.a. mehr. Ihre verwaltungsgeschichtlich und politisch interessante Funktion resultierte aber nicht aus diesen einzelnen Kompetenzen, sondern aus der Stellvertretung der preußischen Staatsregierung in der Provinz. Die Oberpräsidenten waren die klassischen „politischen Beamten“, sie waren zumal in der Weimarer Republik für die Regierungsparteien von erheblicher Bedeutung.
Das Amt des Oberpräsidenten der Rheinprovinz war also ein staatliches Amt, ein sehr herausgehobenes Amt, das höchste Amt in der preußischen Rheinprovinz. Und das muss man sich schon noch einmal verdeutlichen: Diese Kombination Gauleiter und hoher Staatsbeamter war schon sehr wichtig. Der Gauleiter war zwar der höchste Repräsentant der NSDAP in seinem Gau – von dem es zuletzt 42 gab. Aber der Gauleiter hatte keine verwaltungsmäßigen, exekutivischen Befugnisse. Das änderte sich zwar ein wenig im Zweiten Weltkrieg, weil dann die Gauleiter auch Reichsverteidigungskommissare u.a. ihres Gaus wurden. Aber diese Stellung war im Krieg nicht mehr so bedeutend und vor allem erlangten sie diese erst im Krieg – besaßen sie also zuvor nicht.
Anders war es da bei dem Gauleiter Josef Terboven. Neben seinem Parteiamt war er Oberpräsident der Rheinprovinz. Aber bis Terboven als Oberpräsident der Rheinprovinz in das Oberpräsidium in Koblenz einziehen konnte, dauerte es bis zum Jahr 1935. Was er bis dahin machte und wie er dahin kam, will ich Ihnen jetzt schildern.
Geboren wurde Terboven am 23. Mai 1898 in Essen und wurde auf die Namen Josef Antonius Heinrich getauft. Er wuchs in ganz guten Verhältnissen auf. Er war Sohn eines Landwirts, Terboven selbst bezeichnete seine Vater als „Gutsbesitzer“. Er besuchte die Humboldt-Oberrealschule in Essen. Als der I. Weltkrieg ausbrach, war Terboven offensichtlich von der nationalen Begeisterung voll erfasst. Er beendete die Schulausbildung gerade noch mit der Unterprima und meldete sich dann im Mai 1915 – mit gerade einmal 17 Jahren – freiwillig zur Armee. Zunächst war er Soldat bei der Feldartillerie, später kam er zur Luftwaffe. Er tat sich hervor und wurde mit dem Eisernen Kreuz Zweiter und auch Erster Klasse ausgezeichnet. Den Krieg beendete er als Leutnant der Reserve.
Mit dem Abgangszeugnis-Reifezeugnis seiner Schule immatrikulierte er sich an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Terboven studierte Rechts- und Staatswissenschaften. Schon im nächsten Semester setzte er sein Studium in Freiburg fort. Im dritten Semester unterbrach er sein Studium. Grund dafür war der Tod seines Vaters. Im vierten Semester schließlich schrieb er sich wieder in München ein. Das war sein letztes Studiensemester. Er immatrikulierte sich nicht erneut und wurde deshalb im Wintersemester 1921/22 aus der Liste der Studierenden gestrichen. Das Studium hat Terboven wohl aus finanziellen Gründen abgebrochen – wie das bei zahlreichen seiner Kommilitonen der Fall war. Sein Vater war nämlich inzwischen Rentner geworden, hatte also offenbar seinen Grundbesitz verkauft und von dem Erlös und seiner Rendite gelebt. Sein Tod und die beginnende Inflation haben diese Planungen dann sicherlich erschwert oder gar zunichte gemacht. Ohne den Scheck des Vaters war es Terboven wohl nicht möglich, weiter zu studieren.
Terboven musste sich neu orientieren. Als 25Jähriger begann er in Essen eine Banklehre. Zur gleichen Zeit engagierte er sich für die NSDAP. Ob er sich bereits als Student in München den Nazis zugewandt hatte, ist nicht bekannt. Jedenfalls trat er schon früh – im Jahr 1923 – in die NSDAP ein. Seine Mitgliedsnummer lautete: 25.247. Bald machte er in der Partei Karriere – noch auf lokaler Ebene. Noch im selben Jahr – 1923 - wurde er Ortsgruppenleiter der NSDAP in Essen und örtlicher SA-Führer.
Eins hob ihn aus der Menge der damals für die NSDAP tätigen Parteigänger heraus. Terboven war Teilnehmer des Hitler-Putsches am 9. November 1923. Sie erinnern sich: Am Abend des 8. November 1923 versammelte der „Generalstaatskommissar“ Ritter von Kahr im Bürgerbräukeller in München etwa 3.000 Vertreter von Wirtschafts- und Bauernverbänden, der katholischen Kirche und gemäßigten rechten Organisationen. Plötzlich drangen Hitler und seine SA in den Saal. Mit einem Revolverschuss in die Decke, einem rasch aufgestellten Maschinengewehr, der – erlogenen - Behauptung, Polizei und Reichswehr hätten sich schon seinem Kommando unterstellt, sowie mit dem Erscheinen General von Ludendorffs und dessen Unterstützung brachte Hitler von Kahr, den General von Lossow und den Polizeichef Seißer dazu, sich mit ihm an die „Spitze der Bewegung“ zu stellen. Stunden später besannen sich die drei eines Besseren und sorgten dafür, dass am nächsten Tag beim „Marsch auf die Feldherrnhalle“ ein starkes Polizeiaufgebot Hitler, Ludendorff und die anderen Putschisten stoppte.
Da war also schon Terboven dabei. Ein weiterer, prominenter Teilnehmer an diesem Putsch war übrigens Hermann Göring. Möglicherweise ergab sich daraus eine nähere Beziehung zwischen Göring und Terboven. Vielleicht hatten sich die beiden aber auch schon im I. Weltkrieg als Offiziere der Luftwaffe kennen gelernt. Wie auch immer, Terboven sagte man nach, ein Günstling Görings zu sein.
Nicht nur der „Marsch auf die Feldherrnhalle“ misslang, sondern auch Terbovens Einstieg in die Finanzwelt. Im Jahr 1925 wurde er nach Ende seiner Lehrzeit zwar noch als Bankbeamter übernommen, doch schon wenige Monate später wieder entlassen. Als Personaleinsparungen nötig wurden, war er als jüngster Bankbeamter der erste, der gehen musste.
Da stand Terboven wiederum vor dem Nichts. Immerhin war – aus seiner Sicht – Hitler aus der Festungshaft in Landsberg entlassen und er hatte Ende Februar 1925 – die in Folge des Hitlerputsches vorübergehend verbotene NSDAP neu gegründet. Auf diesen Zug sprang Terboven auf. Er gründete die Ortsgruppe Essen der NSDAP neu und wurde deren Ortsgruppenleiter. Zudem wurde er Führer der Essener SA. Schließlich eröffnete er im selben Jahr zusammen mit anderen Parteigenossen in Essen einen kleinen Zeitungs- und Buchvertrieb. Das Geschäft florierte nicht – im Gegenteil. Die Firma geriet immer mehr in die „roten Zahlen“. Einmal fehlten 700 Reichsmark in der Kasse. Terbovens Kompagnon bezichtigte ihn der Unterschlagung. Daraufhin schloss Terboven – als Ortsgruppenleiter – diesen Kompagnon aus der Partei aus. Das beschäftigte dann noch den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuss der Partei. Terboven bekam aber Recht. Ebenso glimpflich endete ein Verfahren gegen ihn vor diesem Parteiausschuss, weil er von einem Parteigenossen ein Fahrrad gekauft, dann aber nicht bezahlt hatte.
In dieser Zeit war auch noch Goebbels in und um Essen. Er stammte ja aus dem Ruhrgebiet und wurde kurzzeitig Gauleiter des Gaues Ruhr – um sich dann nach Berlin zu orientieren und dort Gauleiter zu werden. Auf Goebbels hat Terboven wohl keinen nachhaltigen Eindruck gemacht. Nur einmal heißt es in seinem Tagebuch: „Gestern Essen. Terboven gut.“ Terboven konnte mobilisieren und mitziehen. Schon im Sommer 1925 war er mit einer größeren Gruppe von Essener SA-Männern beim Reichsparteitag in Weimar.
Bald machte Terboven in der Partei weiter Karriere. 1927 wurde er Bezirksleiter der NSDAP von Essen und im folgenden Jahr dann Gauleiter von Essen. Dabei kam es zu einer ähnlichen Entwicklung wie zwei Jahre später bei Gustav Simon und dem Gau Koblenz-Trier. Der Gau Ruhr wurde groß und größer – schließlich gehörte das Ruhrgebiet zu ihm. Und deshalb teilte man den Gau und bildete die neuen Gaue Westfalen, Düsseldorf und Essen. Am 1. August 1929 ernannte Hitler Terboven dann zum Gauleiter des neu gebildeten Gaus Essen.
Wie wir schon bei Ley und Grohé gesehen haben, waren für Gauleiter Zeitungen wichtig, die sie als ihr Propagandaorgan einsetzen konnten. In dem ursprünglichen Gau Ruhr gab es seit 1928 ein solches Parteiblatt, die Wochenzeitung „Die Neue Front“. Seit der Bildung des Gaus Essen war Terboven deren Herausgeber. Die Berichterstattung der „Neuen Front“ war keineswegs zurückhaltend, man bemühte sich auch gar nicht um eine objektive Berichterstattung. Hierfür mobilisierte Terboven als Leiter des Bezirks Essen seine Ortsgruppenleiter – eine Lokalberichterstattung im heutigen Sinne konnten sich NS-Blätter wie dieses nicht leisten - sie mögen doch Skandalberichte aus den Städten und Gemeinden senden, schließlich gebe es „da immer Schweinereien“. Außerdem verwies Terboven darauf, dass das „unmoralische Verhalten einzelner Persönlichkeiten gute Angriffspunkte (biete)“. Unerheblich sei, ob der Inhalt objektiv richtig sei oder nicht. Der Leser beurteile den Erfolg später nicht objektiv, sondern allein danach, ob tatsächlich ein solcher Erfolg eingetreten sei.
Damit beherzigte Terboven das, was Goebbels bereits im Jahr 1927 bei der Gründung der von ihm in Berlin herausgegebenen Zeitung „Der Angriff“ propagiert hatte:
Es lag nicht in unserer Absicht, ein Informationsblatt zu gründen, das für unsere Anhänger gewissermaßen das tägliche Journal ersetzen sollte. Unsere Zeitung entstand aus der Tendenz heraus und sollte auch in der Tendenz und für die Tendenz geschrieben werden. Unser Ziel war nicht zu informieren, sondern anzuspornen, anzufeuern, anzutreiben. Das Organ, das wir gründeten, sollte gewissermaßen wie eine Peitsche wirken, die die säumigen Schläfer aus ihrem Schlummer aufweckt und zu rastlosem Handeln vorwärts hetzt.
Die NS-Presse war also lediglich als ein Mittel der politischen Agitation gedacht. Sie sollte die „Artillerie der Propaganda“ sein, versuchte mit allen Mitteln zu provozieren und zu verleumden und den Gegner an die Wand zu drücken.
Zum Ende der Weimarer Republik ging es mit Terboven weiter bergauf. Bei den vorgezogenen Reichstagswahlen am 14. September 1930 konnten die Nazis ihren Stimmenanteil (im Vergleich zu den Reichstagswahlen von 1928) von 2,6 auf 18,3 Prozent und die Zahl der Mandate von 12 auf 107 steigern. Terboven war einer der neuen Mandatsträger und NS-Abgeordneter des Wahlkreises Düsseldorf West. Zum Ende der ersten Demokratie auf deutschen Boden gab es noch einige vorgezogene Wahlen zum Reichstag, bei denen die NSDAP die Zahl ihrer Mandate weiter steigern konnte. Da war es kein Wunder, dass Terboven sein Reichstagsmandat behielt. Mit diesen Diäten als Reichstagsabgeordneter hatte Terboven seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse gut geordnet. Zu ihm passte ein geflügeltes Wort, das damals die Runde machte: Gegen Ende der Weimarer Republik gelang es den Nazis, die soziale Frage zu lösen – jedenfalls für ihre Person.
Dies war dann Anlass für Terboven, sich der Frage der Gaupresse zuzuwenden. Er entschied sich dafür, die „Neue Front“ einzustellen und als NS-Organ des neu gebildeten Gaus Essen die „National-Zeitung“ herauszubringen. Zur Gründung der Zeitung hatte er einen Kredit in Höhe von 20.000 Reichsmark aufgenommen und damit eine Druckerei erworben, die mehr als 200.000 Reichsmark kostete. Terboven war dann auch Herausgeber der „National-Zeitung“. Von Anfang an stand es sehr schlecht um die Finanzen des Unternehmens. Dabei spielte auch eine Rolle, dass Essen eine Hochburg von SPD, KPD und Zentrum war. Wie viele NS-Blätter jener Zeit litt auch die „National-Zeitung“ daran, kein Kapital, keine Dauerabonnenten und keine Anzeigen zu haben.
Ende 1932 wusste man nicht, ob die Zeitung noch über den 1. Februar 1933 hinaus erscheinen könnte. Dann geschah das „große Wunder“, von dem der Chronist der Gauleitung wie folgt berichtete:
Da kam als wirkliche und endgültige Rettung für unsere National-Zeitung die Berufung des Führers durch Generalfeldmarschall von Hindenburg, und mit einem Schlage begann man auch wieder, in die wirtschaftliche Zuverlässigkeit der National-Zeitung Vertrauen zu setzen. Alle die Gläubiger, die, um noch etwas zu retten, zum äußersten gegriffen hätten, wurden wieder ruhig., da durch die Machtergreifung mit einer Sanierung der Zeitung bestimmt gerechnet werden konnte, und sie somit die Hoffnung hatten, zu ihrem Geld zu kommen.
Im Zuge der Machtübernahme durch die Nazis. Weiterhin Reichstagabgeordneter, Preußischer Staatsrat, SA-Gruppenführer.
Inzwischen hatte Hitler seine Macht weiter gefestigt. Einige Probleme blieben aber noch. Eines war die mächtige, vier Millionen Mann starke Privatarmee SA unter ihrem Chef Röhm. Röhm, einer der wenigen Duzfreunde Hitlers, war mit seiner SA zu einem Unsicherheitsfaktor geworden. Die SA war unzufrieden, hatte im neuen Staat nicht das erreicht, was sie meinte für ihre „treuen Dienste“ in der „Kampfzeit“ beanspruchen zu können. Röhm redete großspurig: „Hitler ist treulos und muss mindestens auf Urlaub. Wenn nicht mit, so werden wir die Sache ohne Hitler machen.“ Aber bei aller Unzufriedenheit standen er und die SA treu zur Sache. Da entschloss sich Hitler, seinen alten „Kampfgefährten“ Ernst Röhm sowie konservative Kritiker, ehemalige Rivalen und Mitwisser seines Weges an die Macht zu beseitigen.
Dieses Schurkenstück wurde generalstabsmäßig geplant – und dabei spielte Terboven auch eine Rolle. Zunächst streuten SD und Gestapo das Gerücht über einen bevorstehenden Putsch der SA. Eine Woche vor dem 30. Juni wurde damit begonnen, SS und Reichswehr auf den bevorstehenden Putsch der SA einzustimmen und entsprechende Gegenmaßnahmen vorzubereiten. SS-Einheiten wurden für die Aktion ausgewählt und die Reichswehr veranlasst, für diese Waffen, Transportraum und Unterbringungsmöglichkeiten in Reichswehrkasernen zur Verfügung zu stellen. Auch stellte die Reichswehr für den Fall, dass die SS auf stärkeren Widerstand stoßen sollte, umfangreiche Eingreifreserven bereit.
Am 28. Juni 1934 konnten die technischen Vorbereitungen bei SS und Reichswehr als abgeschlossen bezeichnet werden. Um „nach außen den Eindruck absoluter Ruhe zu erwecken“ – wie es später eine offizielle Darstellung der Ereignisse formulierte – begab sich Hitler an diesem Tag in Begleitung des Preußischen Ministerpräsidenten Göring und des SA-Obergruppenführers, Oberpräsident der Provinz Hannover und Nachfolgers Ernst Röhms, eines gewissen Viktor Lutze nach Essen. Dort nahm Hitler als Ehrengast an der Hochzeit des Essener Gauleiters Josef Terboven und seiner Frau Ilse teil.
Das wurde groß gefeiert. Zunächst wurde standesamtlich geheiratet. Die Zeremonie vollzog der Essener Oberbürgermeister. Anwesend waren – außer dem Brautpaar – auch Reichskanzler Adolf Hitler „Führer“ war er damals noch nicht, diesen Titel legte er sich erst nach dem Tod von Hindenburgs Anfang August 1934 zu) sowie der Preußische Ministerpräsident Hermann Göring und im Hintergrund war auch der alsbaldige Nachfolger Röhms als SA-Stabschef dieser gewisse Lutze.
Der standesamtlichen Trauung folgte dann auch die kirchliche, die ebenfalls sehr würdig war. An ihr nahmen Hitler und Göring ebenfalls teil Im Bild zu sehen ist hier auch Adolf Hitler.
Dieser wundervolle Hochzeitstag der Brautleute Terboven klang dann noch mit einem zünftigen Vorbeimarsch der SA am Abend aus.
In Essen und im Umfeld dieser Hochzeit dürfte der Zeitpunkt für die Aktion gegen Röhm und seine Leute festgelegt worden sein. Fest steht jedenfalls, dass Hitler von Essen aus am Abend des 28. Juni 1934 Röhm telefonisch befahl, für den 30. Juni 1934 um 10 Uhr an seinem Urlaubsort Bad Wiessee eine SA-Führerbesprechung einzuberufen. Gleichzeitig begannen die Vorbereitungen für den bevorstehenden Coup: Die ersten Alarmbefehle gingen hinaus, Göring und wohl auch Goebbels flogen zurück nach Berlin, um die hier vorgesehenen Aktionen einzuleiten. Hitler selbst blieb noch in der Umgebung von Essen. Am Abend des 29. Juni spielten vor dem Hotel „Dreesen“ in Bad Godesberg Arbeitsdienstgruppen für Hitler den großen Zapfenstreich. Nach Mitternacht flog Hitler mit dem inzwischen aus Berlin angereisten Goebbels nach München.
Nachdem sich Hitler vergewissert hatte, dass München vollständig unter seiner Kontrolle war, jagte er mit Goebbels, Lutze und einem Kommando ausgesuchter SS-Leute in das ca. 50 Kilometer entfernte Bad Wiessee.
In der Pension Hanselbauer herrschte an diesem Morgen noch absolute Ruhe, hatte man doch am Vorabend der SA-Führerbesprechung ausgiebig gezecht und musste man jetzt seinen Rausch ausschlafen. Hitler ließ es sich nicht nehmen, Röhm höchstpersönlich aus dem Bett heraus zu verhaften: „Röhm, Du bist verhaftet!“ Als Röhm schlaftrunken stammelte: “Heil, mein Führer!“, brüllte Hitler ein zweites Mal: „Du bist verhaftet!“ Alle SA-Führer wurden überrumpelt und ins Gefängnis München-Stadelheim gebracht. Dort und im KZ Dachau wurden SA-Führer mit dem Worten umgebracht: „Sie sind vom Führer zum Tod verurteilt worden! Heil Hitler!“
In Berlin leitete Göring die Aktion und erweiterte sie gegen „die Reaktionäre“. Das war die Gruppe um Vizekanzler von Papen. Ermordet wurden auch der Reichskanzler a.D. General von Schleicher und seine Frau, Schleichers Vertrauter Generalmajor von Bredow und der Berliner Vorsitzende der Katholischen Aktion Klausener. Bei dieser Gelegenheit wurden auch alte Rechnungen beglichen. So wurden weiterhin erschossen Gregor Strasser, der Exponent des „sozialistischen“ Flügels der NSDAP und ärgster Rivale Hitlers in der Partei, wie auch Ritter von Kahr, der beim Hitlerputsch 1923 erst mitgemacht und sich dann gegen Hitler gestellt hatte. Als einer der letzten wurde Röhm am 1. Juli erschossen, nachdem er es abgelehnt hatte, Selbstmord zu begehen. Am 2. Juli befahl Hitler das Ende der „Säuberungsaktion“, der im ganzen Reich mindestens 85, möglicherweise sogar 200 Menschen zum Opfer fielen, unter ihnen auch Unbeteiligte aufgrund von Verwechslungen. –
Während dieser ersten Massenmordaktion des „Dritten Reiches“ dürfte – um auf Josef Terboven zurückzukommen – das junge Brautpaar Terboven in die Flitterwochen gefahren sein. – Hier zeige ich Ihnen noch ein Bild des jungen Paares zusammen mit Goebbels. Es ist nicht bei der Hochzeit aufgenommen. Goebbels war in Berlin geblieben und dort die Aktion zu organisieren. Man hat die Gratulation hier aber nachgeholt. Das gehörte sich auch so. Denn Terbovens Frau Ilse war Goebbels ehemalige Sekretärin.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, durch den sog. Röhm-Putsch erlangte die Hochzeit der Terbovens eine gewisse zeithistorische Bedeutung
Bei so viel Prominenz im Bekanntenkreis und sogar bei der Hochzeit nimmt es nicht wunder, dass Josef Terboven schon bald weiter Karriere machte. Am 5. Februar 1935 wurde er vom preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt.
Diese Personalmaßnahme muss man im Zusammenhang mit der Personalpolitik der Nazis in der Frühphase des „Dritten Reiches“ sehen. Genau genommen mit der Personalpolitik in Preußen gegen Ende der Weimarer Republik. Denn dies begann mit dem sog. Preußenschlag am 20. Juli 1932. An diesem Tag setzte der greise Reichspräsident von Hindenburg die geschäftsführende preußische Regierung unter dem Sozialdemokraten Otto Braun ab und setzte den Reichskanzler von Papen als Reichskommissar für Preußen ein. Zugleich wurden vor allem sozialdemokratische Polizeipräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Einer von ihnen war der Kölner Polizeipräsident Otto Bauknecht. Dieser Hinauswurf von Republikanern setzte sich dann fort mit den sog. politischen Säuberungen der Nazis nach deren Machtergreifung. Zunächst wurden von Göring als dem kommissarischen preußischen Innenminister viele republikanisch gesinnte Polizeipräsidenten aus ihrem Amt entfernt. In Koblenz war davon der aufrechte Demokrat Dr. Ernst Biesten betroffen. In den nächsten Wochen und Monaten folgten weitere Entlassungen hoher Beamter. Zu ihnen gehörte auch der Oberpräsident der Rheinprovinz Hans Fuchs. Als Mann des Zentrum wurde er Ende März 1933 beurlaubt und dann in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Härter traf es seinen Vertreter, den Vizepräsidenten der Rheinprovinz. Dr. Wilhelm Guske, ein SPD-Mann, Reichsbanner-Mann und Mann der Eisernen Front, wurde Ende März 1933 von der Koblenzer Polizei festgenommen und in Handschellen und mit Hunden durch Koblenz geführt. Im Februar und März 1933 - hatten die Nazis u.a. fünf Oberpräsidenten, 11 Regierungspräsidenten, 21 Vizepräsidenten des Oberpräsidiums und 25 Polizeipräsidenten aus ihren Ämtern entfernt.
Das übrige Personal staatlicher Behörden hatte noch eine gewisse Schonfrist. Aber bald waren auch die anderen hohen Beamten dran. Bis Ende Juli 1934 fielen dieser sog. „politischen Säuberung“ alle Oberpräsidenten und 32 von 34 Regierungspräsidenten zum Opfer.
Eine gewisse Besonderheit gab es im Oberpräsidium in Koblenz. Teils war sie ein Zugeständnis der Nazis an den deutschnationalen Koalitionspartner und vielleicht auch dem Charakter des katholischen Rheinland geschuldet. Vor allem beruhte diese Besonderheit aber wohl darauf, dass vielfach Gauleiter zu Oberpräsidenten ernannt wurden, es in der Rheinprovinz indessen mehrere Gauleiter gab und die Naziführung in dieser frühen Phase noch nicht die anderen, nicht zum Zuge kommenden Gauleiter vor den Kopf stoßen wollte. Deshalb entschied man sich für einen Kompromisskandidaten, der zugleich aber den Erfordernissen des Jahres 1933 Rechnung trug. Dieser Mann war Hermann Freiherr von Lüninck. Als Angehöriger des altwestfälischen Adels repräsentierte er jene gesellschaftliche Schicht, die bis 1918 bevorzugt die Oberpräsidenten gestellt hatte. Jetzt kam er aber nur zum Zuge, weil es kurzfristig politisch opportun war.
Von Lüninck war zuvor Präsident der Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz gewesen und war Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei. Noch 1933 hatte von Lüninck den Eintritt in die NSDAP ausdrücklich abgelehnt, weil er nicht – wie er sagte – „in dem Strom der zahlreich zur Partei sich Drängenden mitschwimmen (wollte)“. Er stand aber als Deutschnationaler den Nazis schon nahe. Göring persönlich bescheinigte ihm, seine Ansichten seien „nationalsozialistisch“ – daraufhin wurde von Lüninck ohne eigenes Zutun in die NSDAP aufgenommen.
Von Lüninck wurde aber als Oberpräsident nicht glücklich. Keine zwei Jahre später reichte er seinem Chef, dem preußisch en Ministerpräsidenten Göring sein Rücktrittsgesuch ein. Er begründete das damit, dass „wichtige die Rheinprovinz unmittelbar berührende Fragen der Staats-, Kirchen- und Personalpolitik z.T. ohne meine Anhörung entschieden wurde“ und damit die notwendige Vertrauensbasis fehle.
Diese Entwicklung war kein Zufall. Zur Machtübernahme brauchte Hitler kurz nach dem 30. Januar 1933 z.T. noch diese rechtskonservativen und reaktionären Verwaltungsjuristen, die als Deutschnationale ja von Hitler gerade in seine aus nur drei Nationalsozialisten gebildete Reichsregierung berufen waren. Je fester Hitler im Sattel saß, brauchte er diese Leute nicht mehr. Sie waren auch hinderlich bei seinem immer radikaleren innen- und außenpolitischen Kurs.
Inzwischen hatten Hitler und Göring die Macht soweit monopolisiert, dass sie die Konzessionen von 1933 korrigieren konnten. So war es konsequent, dass Nachfolger von Freiherr von Lünincks als Oberpräsident der Rheinprovinz Josef Terboven wurde. Das Amt übernahm er bereits am 5. Februar (oder 6. März) 1935. Die Entscheidung für Terboven lag auch im Trend, denn ab 1935 wurden auf frei werdende Oberpräsidentenstellen nur noch Gauleiter berufen. Die drei anderen Gauleiter in der Rheinprovinz (der Koblenzer Simon, der Kölner Grohé und der Düsseldorfer Florian) hatten das Nachsehen. Die Entscheidung für Terboven begründete man damit, dass er der dienstälteste Gauleiter der Rheinprovinz sei. Dabei war er aber auch von den Vieren ohne Zweifel der Fähigste und auch der Machtbewussteste. Damit bauten die Nazis den Oberpräsidenten als politischen Stützpunkt der Regierung in der Provinz weiter und konsequent aus. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Terboven im folgenden Jahr – also 1936 – noch zum SA-Obergruppenführer ernannt wurde.
Seine Beziehungen hat Terboven auch nach seiner Ernennung zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz gepflegt. So erwiesen sich seine guten Kontakte zu Krupp in Essen als sehr vorteilhaft, erhielt er von da doch wiederholt Spenden, u.a. auch für den Ausbau der SA in seinem Gau. Seine Beziehungen zur „Wirtschaft“ reichten aber auch über Krupp in Essen hinaus. So erhielt er als Gauleiter von verschiedenen NS-Wirtschaftsführern 1939 eine „Weihnachtsgabe“ in Höhe von 100.000 Reichsmark. Für Terboven als „Günstling Görings“ war es sicherlich auch sehr vorteilhaft, dass dieser bald Reichsluftfahrtminister und – 1936 – Beauftragter für den Vierjahresplan wurde.
Ein hoher Verwaltungsbeamter charakterisierte Terboven später einmal so:
In der Parteiführerschaft galt Terboven als so etwas wie ein Außenseiter, zumal er nicht nur in Parteivorstellungen lebte, sondern auch in staatlichen Begriffen denken konnte und bei seinen Beziehungen zu Göring nicht ausschließlich auf die Parteikanzlei abgerichtet war.
Über die Tätigkeit Terbovens als Oberpräsident der Rheinprovinz wissen wir leider nur sehr wenig. Das liegt daran, dass die Akten des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, soweit sie aus der Dienstzeit Terbovens stammen, wahrscheinlich beim Brand des Oberpräsidiums im November 1944 vernichtet wurden.
So bleibt hier nur, den einen oder anderen flüchtigen Blick auf aus anderen Quellen bekannt gewordene Ereignisse und Umstände zu werfen. Eine solche Sache war die Organisation der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Preußen.
Die Gestapo fand ihre abschließende Regelung im „Gesetz über die Geheime Staatspolizei“ vom 10. Februar 1936. Zentralstelle der politischen Polizei in Preußen war schon früh das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin. Es war unmittelbar dem preußischen Innenminister bzw. Himmler – als Chef der Deutschen Polizei - unterstellt. Als Mittelbehörden fungierten die Staatspolizeistellen. Diese wurden den zuständigen Regierungspräsidenten unterstellt. Zusätzlich ordnete der preußische Ministerpräsident an, dass auch die Oberpräsidenten in unmittelbare Beziehung zu den Staatspolizeistellen ihrer Provinz treten konnten. Terboven stellte diese Verbindung dadurch her, dass sein persönlicher Referent, der Oberregierungsrat Dr. Johannes Nockemann, gleichzeitig auch Leiter der Stapo-Stelle Koblenz war. Damit hatte Terboven über seinen persönlichen Referenten Einblick in die Tätigkeit der Stapo-Stelle Koblenz. Dieser Einfluss nahm dann noch zu, las mit Erlass vom 5. November 1935 die Stapo-Stelle Koblenz als Staatspolizeileitstelle eingerichtet wurde. Sie sollte damit eine Leitfunktion für alle anderen Staatspolizeistellen in der Rheinprovinz ausüben – von denen gab es ja mehrere jeweils am Sitz der Regierungspräsidenten. Diese herausgehobene Position verlor die Koblenzer Gestapo aber wieder im September 1939. Dann wurde die Leitfunktion Koblenz genommen und zur Stapo-Stelle Düsseldorf verlagert. Dadurch verlor Terboven in diesem Bereich an Einfluss.
Ansonsten kann ich Ihnen noch einen kleinen Einblick in das Familienleben der Terbovens bieten. Im Jahre 1935 kam die Tochter Inge zur Welt. Herzallerliebste Kinderfotos gerade auch mit den Eltern dabei sind immer wieder schön. Und deshalb will ich Ihnen davon auch ein paar zeigen.
Nach diesem kleinen Ausflug ins (scheinbar) Private wollen wir uns wieder der dienstlichen Tätigkeit Terbovens zuwenden – wobei ich Ihnen wiederum nur allgemeine Impressionen vermitteln kann. Mit fortschreitender Dauer des „Dritten Reiches“ verlor das Amt des Oberpräsidenten an Bedeutung. Die Ministerialbürokratie suchte ihren Einfluss auf Kosten der Oberpräsidenten zu vergrößern. Eine ähnliche Tendenz gab es bei den Regierungspräsidenten. Hinzu kam, dass sich Parteifunktionäre immer mehr in staatliche Angelegenheiten einmischten. Schließlich lag es im System der Nazis, Parallel- und Sonderverwaltungen einzurichten, die Kompetenzen der klassischen Verwaltungsstellen erhielten bzw. an sich zogen.
Diese Situation verschärfte sich noch während des Zweiten Weltkrieges. Dafür wurden die Ämter der Reichsverteidigungskommissare geschaffen und die Gauleiter zu diesen Reichsverteidigungskommissaren berufen. Damit erhielten die Gauleiter faktisch die Befehlsgewalt über die gesamte Zivilverwaltung in den Provinzen bzw. Gauen. Damit verlor das Amt des Oberpräsidenten weiter an Bedeutung und geriet in den Schatten des Gauleiters. Diese wurden immer einflussreicher. U.a. in der Rheinprovinz versuchten sie zu erreichen, dass die Provinz in vier Oberpräsidien aufgeteilt und damit jeder der vier Gauleiter (also neben Terboven auch Simon, Grohé und Florian) Oberpräsident würde. Erstaunlicherweise befürwortete Terboven diese Neugliederung – die einen weiteren Machtverlust für ihn bedeutete. Letztlich scheiterte diese Aufteilung am Einspruch des preußischen Ministerpräsidenten Göring.
Während der Zweite Weltkrieg für Terboven eine Schwächung seiner Position als Oberpräsident der Rheinprovinz zur Folge hatte, war er auf der anderen Seite für ihn ein weiterer Karrieresprung. Terboven wurde nämlich „Reichskommissar des besetzten Norwegen“ – und damit – wie es eine norwegische Biografie über ihn ausdrückte – „Hitlers Mann in Norwegen“.
Norwegen war damals eine konstitutionelle Monarchie mit König Haakon VII. an der Spitze. Noch Anfang 1939 hatte sich Norwegen einer Proklamation der skandinavischen Staaten angeschlossen, die für den Fall eines Krieges strikte Neutralität vorsah. Für Hitler und die deutsche Rüstungsindustrie war Norwegen interessant – nicht wegen des Nordsee-Öls, das damals noch nicht entdeckt war, wohl aber wegen des Eisenerzes. Jährlich wurden 10 Millionen Tonnen Eisenerz aus Schweden vom nordnorwegischen Hafen Narvik aus regelmäßig verschifft. Diese sollten dem Reich erhalten bleiben und nicht etwa in die Hände der Engländer fallen. Deshalb überfiel Hitler-Deutschland – noch vor dem sog. Westfeldzug – Norwegen und zugleich dann auch noch Dänemark. Die Besetzung (genannt: „Weserübung“) war von längerer Hand geplant und fiel zusammen mit Vorbereitungen Englands. In der Nacht vom 8. auf den 9. April 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht Dänemark und auch Norwegen. Es war die bis dahin modernste strategische Operation – alle drei Waffengattungen – Marine, Heer und Luftwaffe – waren umfassend parallel am Einmarsch beteiligt.
Anders als Dänemark verteidigte sich Norwegen und wurde dabei von britischen, französischen und polnischen Streitkräften unterstützt. Dabei erlitt die sich im Aufbau befindliche deutsche Marine schwere Verluste. Im Oslo-Fjord versenkten die Norweger den nagelneuen Schweren Kreuzer „Blücher“, das Flaggschiff der Invasionsflotte. Vor Bergen erwischte es den Kreuzer „Königsberg“ nach einem britischen Bombenangriff und in Narvik traf es gleich 10 von 14 Zerstörern. Die Deutschen hatten aber bald die Lufthoheit und konnten die Engländer nach deren Anfangserfolgen wieder zurückwerfen. Am 26. April 1940 zogen sich die britischen Truppen zurück. Noch einige Wochen leisteten die Norweger militärischen Widerstand. Am 8. Juni begaben sich der norwegische König und Mitglieder seiner Regierung an Bord eines britischen Kreuzers. Der Krieg in Norwegen war damit beendet und das Land kapitulierte.
Bereits kurz nach dem Überfall auf Norwegen – nämlich am 24. April 1940 - war Terboven mit „Führererlass“ Hitlers zum „Reichskommissar die besetzten norwegischen Gebiete“, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt 1940, Teil I, S. 677 ernannt worden. Er erhielt umfassende Befugnisse. So war der Reichskommissar Wahrer der Reichsinteressen und übte im zivilen Bereich die oberste Regierungsgewalt aus. Er konnte durch Verordnungen recht setzen. Zur Durchführung seiner Anordnungen und zur Ausführung der Verwaltung konnte er sich der norwegischen Behörden und deutscher Polizeiorgane bedienen.
Zu dieser Zeit war die Besetzung Norwegens noch nicht abgeschlossen, es herrschte also noch Krieg. Gleichwohl wurde Terboven nicht dem Militärbefehlshaber in Norwegen, General von Falkenhorst, unterstellt, sondern vielmehr Hitler unmittelbar, von ihm erhielt er Richtlinien und Weisungen. Diese „Führer unmittelbare“ Unterstellung wirkte auf die Spitzen der Wehrmacht alarmierend. Sie zeigte aber, dass für Hitler die Besetzung Norwegens keine ausschließlich militärische, sondern – auch – eine eminent „politische“ Angelegenheit hat.
Vor Terboven lag eine schwere Aufgabe. Er übernahm ein Amt, für das es kein Vorbild gab. Er war Leiter einer Behörde, die es nicht gab und die er erst noch schaffen und organisieren musste. Im Übrigen folgte er dem deutschen Botschafter in Norwegen nach, der bei Hitler durch seinen vermittelnden Kurs in Ungnade gefallen war. Für 6 Tage hatte der norwegische Nationalsozialist Vidkun Quisling sich selbst zum Ministerpräsidenten ausgerufen, dann aber auf Drängen der Deutschen zugunsten Terboven einen Rückzieher gemacht. Auch die deutsche Wehrmacht war Terboven nicht sonderlich wohl gesonnen, hatte Hitler in der Phase der Besetzung für ihn ihre Kompetenzen eingeschränkt. Auch wird ihm die Gestapo nicht direkt unterstellt, aber immerhin kann er sich deutscher Polizeiorgane zur Durchsetzung seiner Anordnungen bedienen.
Davon abgesehen war zu Beginn Terbovens Tätigkeit in Norwegen die Besetzung noch nicht abgeschlossen. Sie dauerte noch sechs Wochen. Aber auch nach der Kapitulation leistete Norwegen Widerstand. König Haakon VII. und die Exilregierung in England verweigerten jede Zusammenarbeit. Während des gesamten Krieges unterhielten sie Funkkontakt zu loyalen Truppenteilen in der Heimat. Gemeinsam sabotierten und bekämpften norwegische und britische Kommandoeinheiten deutsche Truppen - vor allem im unzugänglichen Küstenland. Das Hören ausländischer Sender, vor allem des Londoner Rundfunks der BBC, war für die Norweger eine Selbstverständlichkeit, das stärkte auch ihre Widerstandskraft. Das erkannten auch Terboven und seine Leute und sie schritten dagegen ein. Im Sommer 1940 mussten die Norweger alle privaten Radiogeräte abliefern. Über 500.000 Geräte kamen zusammen, aber auch diese Aktion konnte den Kontakt zu den Alliierten nicht unterbinden.
Am 25 September 1940 war dann nach Auffassung der deutschen Besatzung die Machtübernahme in Norwegen abgeschlossen. An diesem Tag verkündete Reichskommissar Terboven eine „politische Neuordnung“. Die Tätigkeit des bisherigen norwegischen „Verwaltungsrates“ wurde für beendet erklärt. An seine Stelle traten „Kommissarische Staatsräte“, die die „Führung der Regierungsgeschäfte“ übernehmen sollten. Die bisher noch bestehenden politischen Parteien wurden aufgelöst. Bestehen blieb nur die faschistische Partei „Nasjonal Samling“ unter Führung von Vidkun Quisling.
In der Folgezeit versuchte Terboven immer wieder mit dem „Kunstgriff der Legalität“, d.h. durch Rechtsverordnungen, gerade auch das gesellschaftliche Leben im Sinne der deutschen Besatzung zu gestalten. Dabei pflegte er „die Politik der harten Hand“.
Doch die norwegische Bevölkerung und ihre Organisationen waren hinhaltend und widerständig. Sie wehrten sich gegen die Besatzungspolitik mit Rücktritten und Streiks.
Im Dezember 1940 traten sämtliche Richter des Obersten Gerichtshofes zurück und machten damit öffentlich, dass die von Terboven inzwischen geschaffene Ordnung und die Tätigkeit seiner norwegischen handlanger mit der norwegischen Verfassung und dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren waren. Weiterhin gab es einen „Sportstreik“. Als Terboven die Sportverbände gleichschalten wollte, entschieden die Sportverbände keine Sportwettkämpfe mehr auszutragen. Die Gleichschaltung der Berufsverbände führte vielfach dazu, dass die Vorstandsmitglieder ihren Rücktritt erklärten, die fest angestellten Verbandsfunktionäre ihre Tätigkeit kündigten und die Mitgliedsvereine ihren Austritt erklärten. Terboven und seine Leute herrschten über einen leeren Apparat. Es gab keine Mitglieder mehr. und Arbeitsniederlegungen.
Im September 1941 kam es wegen der Rationierung der Milch zum sog. Milchstreik. In Oslo streikten 25.000 Arbeiter in 50 Industriebetrieben. Daraufhin rief Terboven für Oslo und die umliegenden Bezirke den „zivilen Ausnahmezustand“ aus. Es kam zu Verhaftungen und zu Verurteilungen. Ein Standgericht sprach zwei Todesurteile aus, die auch vollstreckt wurden. Zahlreiche Gewerkschafter wurden zu langen, meist lebenslänglichen Zuchthausstrafen verurteilt. Viele andere blieben ohne Urteil in Haft.
Im Jahr 1942 kam es zum Kirchen- und Schulkampf, als die deutsche Besatzung von den Lehrern verlangte, dass sie „sich auf Ehre und Gewissen … verpflichten“, die Schüler künftig im Sinne der neuen Zeit und im Sinne des norwegischen Nationalsozialisten Quisling zu unterrichten; Lehrer, die keine Sicherheit für einen solchen Unterricht böten, könnten entlassen werden. Einige Wochen später wurden 1.000 Lehrer verhaftet und zur Zwangsarbeit nach Nord-Norwegen transportiert. – Zur gleichen Zeit legten die Bischöfe der Staatskirche ihre Funktionen als Staatsbeamte nieder, erklärten aber, ihre seelsorgerischen Aufgaben weiter wahrzunehmen. Viele Pfarrer folgten dem Beispiel der Bischöfe. Damit verloren die Pfarrer ihr Gehalt. Die Kirche Norwegens wurde „illegal“, sie blieb aber Norwegens Kirche und die Gemeinden spendeten für ihre Pfarrer.
Am 1. Februar 1942 ernannte Hitler den Führer der norwegischen Nationalsozialisten Quisling zum „Ministerpräsidenten“. Es änderte sich aber am Machtgefüge kaum etwas. Über dem „Ministerpräsidenten“ stand der „Reichskommissar“ Terboven. Er blieb im Besitz der obersten Regierungsgewalt, wie es Hitler in seinem „Führererlass“ vom 24. April 1940 geregelt hatte. Goebbels vermerkte dazu in seinem Tagebuch:
Quisling hat … ein umfassendes Interview über seine Politik gegeben. Etwas skurril wirkt dabei die Behauptung, dass er als Ministerpräsident die gesamte Machtfülle, die früher der König, das Parlament und der Ministerpräsident besessen hätten, vereine. Das ist wohl etwas zu viel gesagt, denn neben ihm steht ja immer noch ein Reichskommissar. Trotzdem lassen wir diese Version herausgehen, da bei uns natürlich ein großes Interesse daran besteht, die norwegische Regierung möglichst groß und selbständig erscheinen zu lassen.
Wer das „Sagen“ in Norwegen hatte, zeigte sich beispielsweise zwei Monate später in dem Dorf Telavag an der norwegischen Westküste. Wegen der zerklüfteten Fjordlandschaften war es ein Geheimtipp für den aus Großbritannien unterstützten Widerstand gegen die deutsche Besetzung. Nachzug konnte hier anlanden und Flüchtlinge konnten das Land verlassen.
Das änderte sich am 26. April 1942, als die Gestapo im Dorf zwei aus England eingetroffene Widerstandskämpfer überraschte. Es kam zu einem Schusswechsel. Dabei wurden zwei hohe Gestapoleute getötet. Vier Tage später kam Terboven mit SS-Leuten wieder. Sodann wurde das Dorf ausgelöscht, sämtliche Fischerhäuser wurden niedergebrannt und Hab und Gut der Bewohner vernichtet. Die Gestapo verhaftete alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren und verschleppte sie ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Die Frauen, Kinder und Greise kamen nach wochenlangen Verhandlungen mit dem Roten Kreuz frei. Insgesamt waren von dieser Aktion 268 Menschen betroffen. – Telavag ist für die Norweger das, was die SS-Massaker von Lidice für die Tschechen oder Oradour für die Franzosen sind.
Trotz dieser harten Besatzungspolitik der Deutschen fügten sich viele Norweger nicht in diese Repressionen Nicht wenig leisteten Widerstand und immer wieder gab es auch Sabotageakte.
Das war natürlich für den Reichskommissar Terboven ein hartes Brot. Da war es nötig, vom Tagesgeschäft einmal Abstand zu gewinnen und so richtig auszuspannen. Zum Glück für Terboven hatte er ja ein schönes Land besetzt mit vielen Freizeitmöglichkeiten. So konnte man im Sommer in den Fjorden Norwegens sehr schön segeln. Und im Winter ging es zum Skifahren in die Berge.
Terboven genoss in Norwegen aber nicht nur die schöne Natur sondern auch die schönen Künste. Einen der letzten Höhepunkte kultureller Art war die Weihnachtsfeier – die Nazis nannten es Julfest – des Jahres 1944.
Das Jahr 1945 brachte dann das Ende des Zweiten Weltkrieges. Mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 fand dann auch die deutsche Besetzung Norwegens und auch die norwegische Kollaborationsregierung Quislings ihr Ende. Am Tag der Kapitulation setzte sich der Reichskommissar für die besetzten Gebiete Norwegens Josef Terboven in seinem Luftschutzbunker bei Oslo auf eine Sprengstoffkiste und zündete die Lunte. Diese Aktion war ein voller Erfolg. – Quisling fand ein anderes Ende. Er war der Überzeugung, für sein Land das Beste getan zu haben, was man in dieser Situation der Besetzung durch die Deutschen tun konnte. Mit dieser Überzeugung stellte er sich der norwegischen Polizei. Die Norweger sahen das aber anders als ihr früherer Ministerpräsident. Deshalb leitete man gegen ihn ein Strafverfahren ein. Dieses endete mit Quislings Verurteilung wegen Landesverrat zum Tode. Bald darauf wurde er hingerichtet.
So, meine Damen und Herren, das war das Leben, Werden und Wirken des Oberpräsidenten der Rheinprovinz mit Sitz in Koblenz Josef Terboven, der vormalige Teilnehmer am Hitlerputsch 1923 und nachmalige Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.