1. Deportation am 22. März 1942
Am 22. März 1942 wurden 337 namentlich bekannte Menschen und ein namenloses Baby von Koblenz aus „nach dem Osten“ deportiert.
Dieser 1. Deportation von Juden aus Koblenz und Umgebung ging die sog. Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 in der Villa am Großen Wannsee in Berlin voraus.
An ihr nahmen auf Einladung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich 15 hohe Behördenvertreter und SS-Führer teil. Sie besprechen die Zusammenarbeit ihrer jeweiligen Behörden u.a. bei der bevorstehenden Deportation aller europäischen Juden in die eroberten Gebiete in Ost-Europa. Dabei geht es um die technische Realisierung des Völkermords, des Holocaust, der Shoa. Die "Endlösung der Judenfrage" als solche hat Hitler höchstwahrscheinlich einige Wochen vorher beschlossen.
Daraufhin wird die (dritte) Deportationswelle von Juden aus dem „Altreich“ in den Distrikt Lublin im „Generalgouvernement“ vorbereitet. Dazu schickt der „Judenreferent“ des Reichssicherheitshauptamtes Adolf Eichmann einen „Schnellbrief“ an alle Staatspolizei(leit)stellen. Mit den einleitenden Worten: „Die in der letzten Zeit in einzelnen Gebieten durchgeführte Evakuierung von Juden nach dem Osten stellen den Beginn der Endlösung der Judenfrage im Altreich, der Ostmark und im Protektorat Böhmen und Mähren dar.“ geht es in ihm um die „genaue Planung und Vorbereitung“ der weiteren Verbrechen. Dazu werden die Gestapostellen aufgefordert, die im Reichsgebiet noch lebenden Juden festzustellen und deren Zahl dem RSHA zu melden. Zugleich erlässt das RSHA „Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden in das Generalgouvernement“. Eingehend und sehr bürokratisch wird darin die Deportation zehntausender Menschen jüdischer Herkunft geregelt. Die Gestapostellen – auch die Gestapo in Koblenz – werden verpflichtet die Juden zu erfassen, zu konzentrieren und dann für deren Abtransport zu sorgen – einschließlich der „Regelung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten“, d.h. der Wegnahme der letzten ihnen noch verbliebenen Vermögenswerte.
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„Im Vollzug“ des „Grunderlasses“ und der „Richtlinien“ wurden am 22. März 1942 337 namentlich bekannte Menschen und ein namenloses Baby von Koblenz aus „nach dem Osten“ deportiert.
Am Tag zuvor hatten sich diese Menschen – Männer, Frauen und Kinder - in der Schule in der Steinstraße in Koblenz-Rauental einzufinden
Am Tag zuvor hatten sich diese Menschen – Männer, Frauen und Kinder - in der Schule in der Steinstraße in Koblenz-Rauental einzufinden. Sie wurden registriert und listenmäßig erfasst. Ihr Gepäck wurde kontrolliert und sie selbst wurden körperlich durchsucht. Für die Gestapo Koblenz war das eine große Aufgabe – nicht nur die Planung und die Organisation der Deportation, sondern auch deren praktische Durchführung. Wohl sämtliche SS-Männer der Koblenzer Gestapo und auch Kriminalbeamte waren im Einsatz. Denn die Steinschule musste auch abgesperrt und diese große Menschengruppe dort musste bewacht werden.
Für die in der Steinschule eingesperrten Menschen begann die letzte Nacht vor dem Transport. Die Unterbringung in der Turnhalle war armselig, die Gestapo hatte gerade einmal Stroh besorgt, damit sie nicht auf dem blanken Steinboden nächtigen mussten.
Am nächsten Tag, es war ein Sonntag, wurden die Juden von den Gestapo- und SS-Leuten zum Abmarsch angetrieben. Sie nahmen die ihnen gelassenen Habseligkeiten und marschierten familienweise in Richtung Bahnhof Lützel.
Dort wurden die 338 Juden aus Koblenz und Umgebung „verladen“. Die von der Gestapo Koblenz für den Transport erstellte Liste nennt ihre Namen, ihr Geburtsdatum und ihren Geburtsort sowie ihre letzte Adresse vor der Deportation.
Das Verladen geschah auf der Rampe in Personenwagen der 4. Klasse des Sonderzuges Da 17 der Deutschen Reichsbahn. Diese Sonderzüge der Reichsbahn bildeten eine eigene Kategorie „Da“ – das stand für „David“. Sie hatten eigene Fahrpläne und waren meist „Russenzüge“, mit denen Russen, Ukrainer u.a. zur Zwangsarbeit in den Westen verschleppt wurden. Mit den Juden fuhren sie dann wieder zurück „nach dem Osten“.
Der Sonderzug Da 17 fuhr nach Köln, Düsseldorf und dann durch das Ruhrgebiet. Zielort war das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin.
Dort trafen die Koblenzer und Juden aus anderen Städten, insgesamt etwa 1.000 Menschen, 3 – 4 Tage später ein. Zuvor hatten Gestapo- und SS-Leute in Izbica Platz geschaffen, indem sie 2.200 einheimische Juden in das neu errichtete Vernichtungslager Belzec verschleppten und dort mit Gas ermordeten. In die zum Teil so geräumten Häuser quartierte man die dazukommenden Juden ein. Für alle war es ein Schock, für die Einheimischen, weil sie Platz machen mussten, für die „Reichsjuden“, weil sie in eine völlig fremde Welt und ungewisse Zukunft kamen. Sofern sie überhaupt die katastrophalen Verhältnisse in Izbica überlebten, wurden auch die Koblenzer Juden in ein Vernichtungslager verschleppt und mit Gas ermordet. Sehr wahrscheinlich war es das neu errichtete Vernichtungslager Sobibor. Von ihnen kam keiner zurück. Bis zum Herbst 1943 starben in Belzec zwischen 440.000 und 453.000, in Sobibor etwa 180.000 und in dem weiteren Vernichtungslager Treblinka zwischen 800.000 und 900.000 Menschen, zum weit überwiegenden Teil polnische Juden, aber auch Juden aus dem Deutschen Reich und aus anderen von Hitler-Deutschland besetzten Ländern.
Hinweise zur unten abgebildeten Liste:
Das Schicksal des als Nr. 82 aufgeführten Mädchens Hannelore Hermann und das ihrer als Nrn. 80 und 81 aufgeführten Eltern Johanna und Leopold Hermann ist auf dieser Homepage näher dargestellt unter:
Hannelore Hermann – Personentafel Nr. 22.
Das Schicksal der als Nrn. 234, 235 und 236 aufgeführten Familie Arthur Salomon ist auf dieser Homepage näher dargestellt unter:
Familie Arthur Salomon – Personentafel Nr. 63.