Chronologie 1933 bis 1945 - allgemein und speziell Koblenz
1933 |
30. Januar Als die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, in Auflösung begriffen ist, ernennt der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg den Vorsitzenden der NSDAP Adolf Hitler zum 21. Reichskanzler nach dem Ersten Weltkrieg. Hitler bildet eine Koalitionsregierung aus NSDAP, Deutschnationaler Volkspartei und dem „Stahlhelm“. Beim Eintritt in die Reichskanzlei erklärt er: „Keine Macht der Welt wird mich jemals lebend hier wieder herausbringen.“ In der Provinz, also auch in Koblenz und Umgebung, bekommt man von diesem Ereignis nicht viel mit. In Berlin gibt es am Abend aber einen großen Fackelzug. Goebbels schreibt in sein Tagebuch: „Es herrscht ein unbeschreiblicher Jubel (…) Hunderttausende und Hunderttausende ziehen im ewigen Gleichschritt unten an den Fenstern vorbei. Das ist der Aufbruch der Nation! Deutschland ist erwacht.“ Ein anderer Augenzeuge dieser Szenen ist der Maler Max Liebermann. Am Fenster seines Hauses am Pariser Platz (in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tores) sieht auch der 86-Jährige den Aufmarsch und stellt fest: „Ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte.“
31. Januar Erich Ludendorff, General im Ersten Weltkrieg und damals Stellvertreter des Reichsfeldmarschalls Paul von Hindenburg, schreibt an den jetzigen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg: „Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in Ihrem Grabe verfluchen.“
01. Februar Reichspräsident von Hindenburg löst den erst am 6. November 1932 gewählten Reichstag auf und bestimmt Neuwahlen für den 5. März 1933. Hitler gibt als Wahlperiode für die Reichsregierung aus: „Angriff gegen den Marxismus“. Am Abend spricht Hitler zum ersten Mal im Rundfunk und verliest den „Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk“. Er fordert dazu auf: „Nun deutsches Volk, gib uns die Zeit von vier Jahren und dann urteile und richte über uns!“
02. Februar Hitler hält vor den Befehlshabern der Wehrmacht eine Rede. Ausweislich eines geheim angefertigten Stichwortprotokolls sagt er: „Ziel der Gesamtpolitik allein: Wiedergewinnung der politischen Macht. Hierauf muss gesamte Staatsführung eingestellt werden (alle Ressorts!). Im Innern: Völlige Umkehrung der gegenwärtigen innenpolitischen Zustände in Deutschland. Keine Duldung der Betätigung irgendeiner Gesinnung, die dem Ziel entgegen steht (Pazifismus!). Wer sich nicht bekehren lässt, muss gebeugt werden. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel. Einstellung der Jugend und des ganzen Volkes auf den Gedanken, dass nur der Kampf uns retten kann und diesem Gedanken alles zurückzutreten hat (…) Ertüchtigung der Jugend und Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln. Todesstrafe für Landes- und Volksverrat. Straffste autoritäre Staatsführung. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie!
12. Februar Die „politische Säuberung“ der Nazis beginnt. U.a. der Koblenzer Polizeipräsident Dr. Ernst Biesten, ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, wird „bis auf weiteres“ beurlaubt. (vgl. Ernst Biesten – Personentafel Nr. 51).
17. Februar Görings „Schießerlass“. Der inzwischen zum kommissarischen preußischen Ministerpräsidenten ernannte Hermann Göring ermuntert die Polizei zum Schusswaffengebrauch. Der preußischen Polizei werden Angehörige von SA, SS und „Stahlhelm“ als „Hilfspolizei“ an die Seite gestellt.
27. Februar Am Abend brennt der Reichstag. Es ist Brandstiftung. Der bzw. die Täter sind bis heute nicht ermittelt. Für die Nationalsozialisten ist das ein „gefundenes Fressen“. Goebbels notiert in sein Tagebuch: „Nun ist der entscheidende Augenblick gekommen. Göring ist ganz groß in Fahrt.“ Die Nazis schieben den Reichstagsbrand den Kommunisten in die Schuhe. Sie nehmen einen jungen niederländischen Kommunisten - Marinus van der Lubbe - fest und machen ihm den Prozess; später wird er vom Reichsgericht zum Tode verurteilt.
28. Februar Die von Goebbels herausgegebene Parteizeitung „Der Angriff“ hat die Titelzeile: „Den roten Mordbrennern wird das Handwerk gelegt!“ Und Goebbels glaubt: „Es ist wieder eine Lust zu leben!“ Der greise Reichspräsident von Hindenburg erlässt die "Reichstagsbrandverordnung" zur – wie es in ihr heißt – „zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“. Die Verordnung setzt die wesentlichen Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft, ermächtigt zum Erlass von Strafvorschriften und zu Maßnahmen der „Schutzhaft“ (eine Willkürmaßnahme der Polizei, ohne richterliche Kontrollmöglichkeit). Sie ist „die Verfassungsurkunde des Dritten Reiches“ (so Ernst Fraenkel in seinem grundlegenden Werk „Der Doppelstaat“). Schon am nächsten Tag beginnen Polizei, SA und SS mit Verhaftungen tausender Kommunisten und anderer tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner im ganzen Deutschen Reich. Mitte März sind allein in Preußen rund 10.000 Menschen (vor allem Kommunisten) in „Schutzhaft“. (vgl. Jakob Newinger – Personentafel Nr. 19). Andere könne fliehen, vor allem ins nahe gelegene Saargebiet (vgl. Familie Hugo Salzmann – Personentafel Nr. 39 - und Klaus Thielen – Personentafel Nr. 34).
05. März Reichstagswahlen. Trotz NS-Terrors im Wahlkampf und verfassungswidriger Behinderung besonders von KPD, SPD und Zentrum erhält die NSDAP „nur“ 43,9 % der abgegebenen Stimmen. Mit den Stimmen der „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" (8,0 %) erreicht sie eine knappe absolute Mehrheit und bildet eine Koalitionsregierung mit Hitler als Reichskanzler.
07. März Der Vizepräsident der Rheinprovinz Dr. Wilhelm Guske (SPD) wird in Koblenz inhaftiert. (vgl. Wilhelm Guske – Personentafel Nr. 61). In den Städten und Gemeinden drängen die Nazis Bürgermeister aus dem Amt und hissen auf den Rathäusern die Hakenkreuzfahne.
20. März Wegen Überfüllung der Gefängnisse wird das erste KZ in Dachau errichtet. Zwei Tage später werden die ersten Häftlinge dorthin gebracht.
21. März Reichsweit werden die Sondergerichte eingerichtet, für jeden Oberlandesgerichtsbezirk ein Sondergericht. Damals gehört Koblenz zum OLG-Bezirk Köln. Das Sondergericht Köln ist für Koblenz örtlich zuständig. Die Sondergerichte sind sachlich zuständig zunächst für Straftaten nach der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 und nach der „Heimtückeverordnung“ vom 21. März 1933.
24. März Der Reichstag erlässt (nur gegen die Stimmen der noch verbliebenen SPD-Abgeordneten) das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat“ (sog. Ermächtigungsgesetz)." – Der Reichstag entmachtet sich selbst. Gesetze – sogar verfassungsändernde Gesetze – kann jetzt auch die Reichsregierung erlassen. Die Regierung erlässt die Gesetze, die sie befolgen will. Aufhebung der Gewaltenteilung.
01. April Reichsweiter Boykott jüdischer Ärzte, Rechtsanwälte, Geschäfte und Waren. Jüdische Juristen werden aus ihren Ämtern verjagt (vgl. Georg Krämer – Personentafel Nr. 64).
07. April „“Nichtarier“ und „politisch Unzuverlässige” werden vom Beamtenberuf ausgeschlossen; viele junge jüdische Rechtsanwälte verlieren ihre Zulassung.(vgl. Albert Trum – Personentafel Nr. 95 -, Juristenfamilie Brasch – Personentafel Nr. 20 – (Dr. Walter Brasch) Jakob Schönewald – Personentafel Nr. 97 -, Fritz Dreyfuss – Personentafel Nr. 96, Hans Bauer – Personentafel Nr. 38)
01. Mai Der 1. Mai ist als „Tag der nationalen Arbeit“ erstmals gesetzlicher Feiertag. Mit Massenkundgebungen suggeriert er „Volksgemeinschaft“ und Arbeiterfreundlichkeit der Nazis.
02. Mai Schlagartig besetzen SA, SS und Mitglieder der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) Häuser und Betriebe der Freien Gewerkschaften, Redaktionsbüros der Gewerkschaftspresse und Büros der Arbeiterbank in ganz Deutschland. Führende Funktionäre der Freien Gewerkschaften kommen in „Schutzhaft“. Es ist die Zerschlagung der Gewerkschaften (und die wenige Tage später erfolgende Zwangseingliederung ihrer Mitglieder in die Deutsche Arbeitsfront [DAF]). – Schon am 18. April hat Goebbels notiert: „Den 1. Mai zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, dann gehören sie uns. Man darf hier keine Rücksicht mehr kennen.“ Schlagartig werden in Deutschland alle Gewerkschaftshäuser besetzt, die Gewerkschaften werden aufgelöst.
10. Mai In Berlin und in vielen anderen Städten werden mehr als 20.000 Bücher „des undeutschen Geistes“ verbrannt. Zu den „Verfemten“ gehören auch Schriftsteller aus Koblenz und Umgebung.(vgl. Friedrich Wolf – Personentafel Nr. 52).
22. Juni Reichsinnenminister Frick erklärt „die Sozialdemokratische Partei Deutschlands als eine staats- und volksfeindliche Partei“. – Das ist das faktische Verbot der SPD. Die übrigen Parteien lösen sich in den nächsten Tagen selbst auf.
24. Juni Die preußische Staatspolizei verbietet die Zeugen Jehovas. Für Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft beginnt eine schwere und lange Zeit der Verfolgung. Erst kommen sie vorübergehend in „Schutzhaft“, dann werden sie von Sondergerichten verurteilt und dann in Konzentrationslager verschleppt. (vgl. Auguste Schneider – Personentafel Nr. 4 -, Luise Thomas und ihre Töchter Anna und Ruth – Personentafel Nr. 79 – und Familie Fritz Michaelis Nr. 17).
14. Juli Die Reichsregierung (sie kann das aufgrund des „Ermächtigungsgesetzes“) erlässt das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“. Die NSDAP ist von nun an die einzige Partei im Deutschen Reich. Die Reichsregierung verabschiedet auch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Dieses Gesetz erlaubt die zwangsweise Sterilisation von psychisch kranken und sozial nicht angepassten Menschen. Dazu werden bei den Amtsgerichten Erbgesundheitsgerichte im gesamten Reich eingerichtet. Auch in Koblenz gibt es ein Erbgesundheitsgericht. Man schätzt heute, dass in den 12 Jahren der NS-Diktatur 350.000 Menschen zwangsweise sterilisiert werden. Etwa 5.000 sterben bei dem Eingriff. (vgl. Magdalene M. – Personentafel Nr. 111 -, Elisabeth M. – Personentafel Nr. 115 – und Maria K. – Personentafel Nr. 10).
20. Juli Abschluss des Reichskonkordats – Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl. Das Deutsche Reich sichert den Bestand, die Tätigkeit und die Einrichtungen der – nie näher festgelegten – religiösen, kulturellen und karitativen katholischen Organisationen zu. Der Heilige Stuhl verbietet im Gegenzug Priestern und Ordensleuten jede parteipolitische Betätigung (wie zuvor im Zentrum).
Sommer Seit der Machtübernahme arbeiten die Nationalsozialisten am Verbot, der Zerschlagung, Eingliederung und Gleichschaltung der Jugendverbände. Die politischen und gewerkschaftlichen Jugendverbände teilen das Schicksal ihrer jeweiligen politischen Parteien und Gewerkschaften. Die katholischen Jugendverbände werden zunehmend in ihrer Arbeit behindert, die evangelischen lösen sich zum überwiegenden Teil selbst auf. Die bündischen, jüdischen und freien Jugendverbände werden schikaniert. Die Hitler-Jugend (HJ) soll die einzige Jugendorganisation des deutschen Volkes sein. Nach dem Verbot aller politischen Parteien außer der NSDAP im Juli 1933 fordert der von Hitler zum Jugendführer des Deutschen Reiches ernannte Baldur von Schirach auch die Gleichschaltung der Jugendverbände: „Wie die NSDAP nunmehr die einzige Partei ist, so muss die HJ die einzige Jugendorganisation sein.“ Zunächst werden die Bünde verboten, später sind auch entsprechende Kleidung und Ausrüstung unter der Bezeichnung „bündische Umtriebe“ strafbar. Die freien Bünde gelten als „Erzfeinde der Hitler-Jugend“ (Baldur von Schirach).
14. August Nach einer amtlichen Statistik befinden sich etwa 27.000 Menschen in „Schutzhaft“. Die ersten Koblenzer „Schutzhäftlinge“ werden in die Konzentrationslager im Emsland verschleppt. Einer von ihnen ist Richard Christ (vgl. Richard Christ – Personentafel Nr. 66), ein anderer ist Alfred Knieper (vgl. Alfred Knieper – Personentafel Nr. 59). Einer der dort maßgeblichen SS-Männer ist der in Oberlahnstein geborene und in Koblenz aufgewachsene SS-Sturmführer Emil Faust.
September Erste Verhaftungen und Prozesse gegen Kommunisten wegen Hochverrat u.a. (vgl. Klaus Thielen – Personentafel Nr. 34).
11.September Gründung des "„Pfarrernotbundes“ – Beginn des evangelischen Kirchenkampfes. (vgl. Pfarrer Paul Schneider – Personentafel Nr. 14).
1934 |
24. April Auf Veranlassung Hitlers wird der Volksgerichtshof in Berlin als Sondergericht zur Aburteilung von Hoch- und Landesverrat errichtet. Er ist die Reaktion darauf, dass das höchste deutsche Gericht – das Reichsgericht in Leipzig – im Reichstagsbrandprozess den mutmaßlichen Täter Marinus van der Lubbe zwar zum Tode verurteilt, drei mitangeklagte Funktionäre der Kommunistischen Partei aber freigesprochen hat. Zugleich werden die Vorschriften über Hoch- und Landesverrat weiter verschärft.
In der Anfangszeit waren die Strafen des Gerichts zwar sehr hart, die Todesurteile aber die Ausnahme, das ändert sich dann aber während des Zweiten Weltkrieges. So wird beispielsweise der ehemalige kommunistische Reichstagsabgeordnete Nikolaus (Klaus) Thielen nach seiner Rückkehr aus dem Saargebiet und seiner ersten Kontaktaufnahme zu Genossen in Berlin im Jahr 1935 vom Volksgerichtshof zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. (Diese verbüßt er auch, bis er im Jahr 1943 aus dem Zuchthaus in das Konzentrationslager Mauthausen in Oberösterreich verschleppt wird und dort wenige Wochen später umkommt; (vgl. Klaus Thielen – Personentafel Nr. 34). Während des Zweiten Weltkrieges nahm die Zahl der Todesurteile dieser „Blutjustiz“ sprunghaft zu. Am Ende erlässt der Volksgerichtshof mehr als 5.000 Todesurteile.
Weniger wichtige Hochverratsverfahren werden nicht vor dem Volksgerichtshof, sondern vor den für politische Straftaten zuständigen Oberlandesgerichten angeklagt. Zuständig für Koblenz und Umgebung ist der Strafsenat beim Oberlandesgericht Hamm/Westfalen. So macht man Jakob Newinger und 20 anderen Koblenzern vor dem Oberlandesgericht Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat den Prozess. Newinger wird wegen des Besitzes von Zeitungen der illegalen KPD zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt. (vgl. Jakob Newinger – Personentafel Nr. 19).
Ende Mai In Barmen (heute: Wuppertal-Barmen) findet die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche statt. Sie spricht der – inzwischen gebildeten Organisation der NSDAP-nahen „Deutschen Christen“ unter dem Reichsbischof Ludwig Müller den Anspruch ab, rechtmäßige Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche zu sein. Sie sieht ihre Aufgabe darin, „die bekennende Gemeinde zu sammeln und zu vertreten. Dafür institutionalisiert sie einen Bruderrat. Die Bekenntnissynode verabschiedet die „Theologische Erklärung“.
30. Juni Vorgeblich wegen eines unmittelbar drohenden Putsches der SA werden zwischen dem 30. Juni und 2. Juli in einer umfassenden Aktion zahlreiche höhere SA-Führer (u.a. SA-Stabschef Ernst Röhm) von Gestapo und SS verhaftet und ohne Verfahren erschossen. Unter den etwa 90 Ermordeten sind auch enge Mitarbeiter des Vizekanzlers von Papen, der Leiter der Katholischen Aktion Ministerialdirigent Erich Klausener, der ehemalige bayerische Generalstaatskommissar und scheinbare Verbündete beim Putsch im November 1923 Gustav Ritter von Kahr, der ehemalige Reichskanzler und Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher und seine Ehefrau sowie dessen Mitarbeiter Generalmajor Ferdinand von Bredow und auch einstige innerparteiliche Gegner Hitlers wie Gregor Strasser.
03. Juli Ein Gesetz der Reichsregierung legalisiert „die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni und 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen“ als „Staatsnotwehr“.
02. August Tod von Hindenburgs. Durch Reichsgesetz wird noch am selben Tag das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Adolf Hitler nennt sich fortan „Führer und Reichskanzler".
22. August Die Reichsregierung ordnet die unverzügliche Vereidigung aller Beamten auf die Person des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler an. Die Formel des Diensteides lautet: Ich schwöre es: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflicht gewissermaßen erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“
1935 |
01. März Aufgrund einer Volksabstimmung im Januar, in dem sich die überwältigende Mehrheit der Saarländer für den Anschluss an das Deutsche Reich ausgesprochen hat, wird das Saargebiet Teil des Reiches („Die Saar kehrt heim.“). Die ins Saargebiet geflohenen politischen Gegner der Nazis müssen das Land verlassen und fliehen ganz überwiegend weiter nach Frankreich. (vgl. Familie Hugo Salzmann – Personentafel Nr. 39).
September Bericht der Gestapo zur Schönstatt-Bewegung.
15. September Auf dem Nürnberger „Reichsparteitag der Freiheit“ tritt nach langer Zeit und sehr kurzfristig der Reichstag zusammen. Er verabschiedet drei Gesetze – die „Nürnberger Gesetze“. Zwei sind Rassengesetze: das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (Blutschutzgesetz).
Das Reichsbürgergesetz „erfindet“ eine besondere Art des Bürgers: den „Reichsbürger“. Allein dieser sollte die vollen politischen Rechte haben (§ 2 Abs. 3 Reichsbürgergesetz – RBG). Um das zu sein, muss der Betreffende Staatsangehöriger „deutschen oder artverwandten Blutes“ sein und außerdem durch sein Verhalten beweisen, dass er „gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.“ Der Status des „Reichsbürgers“ beinhaltet also eine „rassische“ und eine politische Komponente. Dementsprechend können jüdische Deutsche nicht „Reichsbürger“ sein, sie waren nur Staatsbürger und damit Bürger 2. Klasse.
Das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (mit seiner Präambel: „Durchdrungen von der Erkenntnis, dass die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des deutschen Volkes ist“) verbietet die Eheschließung sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Verstöße gegen das Gesetz sind „Rassenschande“ und werden mit Gefängnis bzw. Zuchthaus bestraft.
Das „Reichsbürgergesetz“ ist dann Grundlage für die immer weiter fortschreitende Diskriminierung, Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung der Existenzgrundlage der Juden. Aus immer mehr Berufen werden sie hinausgedrängt. (vgl. Juristenfamilie Brasch – Personentafel Nr. 20 (Dr. Walter Brasch), Georg Krämer – Personentafel Nr. 64 -, Eheleute Isidor und Erna Treidel – Personentafel Nr. 42 (Dr. Isidor Treidel) –; Familie Arthur Salomon – Personentafel Nr. 63 (Dr. Arthur Salomon)).
Das „Blutschutzgesetz“ mit seinem Straftatbestand der „Rassenschande“ ist die Grundlage für die vielfältigsten Denunziationen und für zahlreiche Bestrafungen – auch von Koblenzer, sonst unbescholtenen jüdischen Bürgern. (vgl. Max Kaufmann - Personentafel Nr. 47 -, Albert Trum – Personentafel Nr. 95). Das Verbot der „Rassenschande“ gilt sogar im Ausland, so dass ein „arischer“ Junge für eine in Paris angeblich begangene „Rassenschande“ bestraft wird. (vgl. Edgar Lohner – Personentafel Nr. 28). Das „Blutschutzgesetz“ verbietet darüber hinaus die Eheschließung von „Ariern“ mit „Nicht-Ariern (vgl. Maria Terwiel – Personentafel Nr. 12).
1936 |
Februar Der Nerother Wandervogel wird offiziell verboten. Sein Führer Robert Oelbermann wird unter dem Vorwand, sich homosexuell betätigt zu haben, verhaftet und zu einer fast zweijährigen Zuchthausstrafe verurteilt. (vgl. Robert Oelbermann – Personentafel Nr. 31).
07. März Die deutsche Wehrmacht besetzt unter Bruch des Versailler Vertrages das entmilitarisierte Rheinland.
29. März "Reichstagswahl“; Zustimmung zu Hitlers Politik mit 99 % Ja-Stimmen.
Mai Es beginnen am Landgericht Koblenz die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Ordensbrüder und Priester wegen Homosexualität. Die sicherlich im Kloster Ebernach bei Cochem und in anderen Klöstern des Rheinlandes vorgekommenen Verfehlungen von Ordensbrüdern an ihnen anvertrauten oft minderjährigen geistig Kranken nehmen die Nationalsozialisten zum Anlass zur Diffamierung und Hetze gegen die katholische Kirche. Die Prozesse vor dem Landgericht Koblenz werden von Reichspropagandaminister Goebbels ausgeschlachtet. Er führt dabei auch „Regie“, indem er die Unterbrechung der Prozesse während der Olympiade in Berlin anordnet.
Auch in anderen Fällen benutzen die Nationalsozialisten die Justiz, vor allem die Staatsanwaltschaften und Strafgerichte, um politische Gegner oder andere Missliebige zu kriminalisieren, verächtlich und mundtot zu machen. Dazu gehört schon sehr früh eine systematische Kampagne gegen frühere Amtsträger wegen angeblicher Unkorrektheiten in der Amtsführung. Diese angeblichen Verfehlungen sollen in der Öffentlichkeit den Massenhinauswurf von Demokraten (die sog. politische Säuberung) den die Nazis sofort nach der Machtübernahme begonnen haben, rechtfertigen. Ein solches Opfer ist der frühere Vizepräsident der Rheinprovinz Dr. Wilhelm Guske (vgl. Wilhelm Guske – Personentafel Nr. 61).
06. Juni Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“. Mit ihm werden die Behörden angehalten, mit allen polizeilichen und gesetzlichen Mitteln gegen „Zigeuner“ vorzugehen und die Ausstellung von Wandergewerbescheinen zu unterlassen. Verwahrloste „Zigeuner“kinder sollen der Fürsorgeerziehung übergeben werden. darüber hinaus ist die „zwangsweise Sesshaftmachung an einem bestimmten Ort“ sowie ständige polizeiliche Überwachung und Erfassung vorgesehen.
Mitte Juli Der Spanische Bürgerkrieg beginnt. Es ist bis April 1939 der Kampf zwischen der demokratisch gewählten Regierung der Zweiten Spanischen Republik und den rechtsgerichteten Putschisten unter General Francisco Franco. Auf der Seite der Republikaner kämpfen Kommunisten, Sozialisten und Demokraten in den Internationalen Brigaden. Unter ihnen sind auch etwa 5.000 Deutsche, wie der Höhr-Grenzhausener Kommunist Hermann Geisen und der rheinische Kommunist Ernst Buschmann. (vgl. Hermann Geisen – Personentafel Nr. 35 – und Ernst Buschmann – Personentafel Nr. 53). Der Bürgerkrieg endet mit dem Sieg der Anhänger Francos und der Truppen seiner Verbündeten aus Italien und Deutschland („Legion Condor“). Die geschlagenen Interbrigadisten setzen sich 1939 über die Grenze nach Frankreich ab und werden dort in grenznahen Lagern interniert.
01. August Hitler eröffnet die Olympischen Spiele in Berlin.
28. August Die Verfolgung der Zeugen Jehovas nimmt weiter zu. Auch in Koblenz und Umgebung kommt es zu Verhaftungen vieler Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft. Es folgen u.a. Prozesse vor den Sondergerichten. Ein solches Schicksal erleiden auch die Eheleute Fritz und Liesbeth Michaelis (vgl. Familie Fritz Michaelis – Personentafel Nr. 17).
01. Dezember Mit dem „Gesetz über die Hitler-Jugend“ wird die HJ zur Staatsjugend erklärt. Nach dem Vorspann („Von der Jugend hängt die Zukunft des deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muss deshalb auf ihre künftigen Pflichten vorbereitet werden.“) heißt es, dass die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes in der Hitlerjugend zusammengefasst und außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen ist.“
1937 |
09. März Die Kriminalpolizei verhaftet schlagartig mehrere tausend Vorbestrafte („Gewohnheitsverbrecher“); diese werden in Konzentrationslager verschleppt.
14. März Papst Pius XI. verfasst – in deutscher Sprache – die Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Sie schildert die bedrängte Lage der römisch-katholischen Kirche im Nationalsozialismus und wendet sich gegen dessen Politik und Ideologie. Die Nationalsozialisten reagieren schnell, es kommt zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Goebbels gibt den Befehl zur Fortsetzung der Sittlichkeitsverfahren gegen Priester und Ordensleute und lässt diese Verfahren wieder propagandistisch ausschlachten. Die Nazis betreiben eine Politik der kleinen Nadelstiche. Allenthalben gibt es Behinderungen in der Jugendarbeit der Kirche, die Geistlichkeit darf in den Volks- und Berufsschulen keinen Religionsunterricht mehr erteilen, die Kruzifixe müssen in den Schulen entfernt werden.
26. April Neun Flugzeuge der deutschen Legion Condor zerstören Guernica, die „heilige Stadt“ der Basken. Bei dem Bombardement werden etwa 200 schutzlose Zivilisten getötet.
12. Juni Geheimerlass des Chefs der Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich, dass „jüdische Rassenschänder“ nach Verbüßung der Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe in Konzentrationslager einzuweisen sind.
05. November Hitler gibt gegenüber den höchsten Militärs seine festen Kriegspläne in einer Geheimrede bekannt. Danach erwartet er eine baldige militärische Auseinandersetzung zwischen (dem mit Deutschland verbündeten) Italien und Frankreich/England wegen der Mittelmeerkrise. Dies ausnutzend, soll die Tschechoslowakei „blitzartig“ besetzt werden. Auch hält Hitler einen Bürgerkrieg in Frankreich für möglich. Jedenfalls würden Frankreich und England sich seinem Vorgehen in Österreich und in der Tschechoslowakei nicht widersetzen. Für etwa 1943 stehe nach seinem „unabänderlichen Entschluss“ die Lösung für den deutschen Lebensraum im Osten an. Hierüber verfasst Oberst Friedrich Hoßbach das sog. Hoßbach-Protokoll.
November Die katholische Jugend in der Diözese Trier und ihre Anführer werden von der Gestapo überwacht. Der Jungmännerverband der Diözese wird aufgelöst, eine weitere Tätigkeit verboten und sein Vermögen beschlagnahmt. (vgl. Hans Renner – Personentafel Nr. 29 – und Alfons Brands – Personentafel Nr. 30).
14. Dezember Erlass des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei Heinrich Himmler betr. Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei. Aufgrund dieses „Asozialenerlasses“ kann jeder, der, „ohne Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher zu sein, durch sein asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährdet“ in „polizeiliche Vorbeugungshaft“, also KZ-Haft, genommen werden. (vgl. Maria K. – Personentafel Nr. 10).
1938 |
13. März "Anschluss Österreichs“: Nach einem Ultimatum marschieren deutsche Truppen unter Jubel in Österreich ein.
ab Juni Entlang der deutschen Westgrenze bauen Mitglieder des Reichsarbeitsdienstes (RAD) und der Organisation Todt (OT) den 630 Kilometer langen, militärisch überschätzten „Westwall“.
05. August „"Zigeunerschub von der Westgrenze“. Aufgrund eines Schnellbriefs des Oberpräsidenten der Rheinprovinz wird auf Ersuchen des „Sonderbeauftragten des Reichsministers des Innern für Westbauten“ ein „allgemeiner Fahndungstag für Zigeuner“ in der Rheinprovinz veranstaltet. Alle festgenommenen "Zigeuner" sollen aus dem linksrheinischen in das rechtsrheinische Gebiet abgeschoben werden. Aus Koblenz werden etwa 120 Sinti und Schausteller nach Mitteldeutschland weggeschafft. Zehn Tage später wird die Aktion von Berlin aus – weil „unkoordiniert“ - „abgeblasen“. Die Weggeschafften kehren nach Koblenz zurück. (vgl. Familie Karl Reinhardt – Personentafel Nr. 47 -, Daweli Reinhardt – Personentafel Nr. 21 und Michael Böhmer – Personentafel Nr. 24).
29./30. September Die Münchner Konferenz mit Hitler, dem italienischen Diktator Benito Mussolini, dem britischen Premierminister Neville Chamberlain und dem französischen Ministerpräsidenten Éduard Daladier beendet die „Sudetenkrise“. Die Teilnehmer beschließen die Räumung des Sudetengebietes in der Tschechoslowakei und die Besetzung des geräumten Gebiets durch die Deutsche Wehrmacht.
28. Oktober Rund 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit werden aus dem Deutschen Reich ausgewiesen und an die polnische Grenze transportiert, darunter auch die Familie des späteren Attentäters Herschel Grynszpan.
07. November Attentat Grynszpans auf den deutschen Botschaftsangehörigen Ernst vom Rath in Paris, der daraufhin stirbt.
9./10. November Sog. "Reichskristallnacht“ der Nazis, besserer Ausdruck: „Reichspogromnacht“, noch besser: Novemberpogrome. In diesen Tagen (und vorher und nachher) sterben etwa 400 Menschen jüdischer Herkunft. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe werden zerstört. Ungefähr 30.000 Juden werden in Konzentrationslager verschleppt und nach einigen Wochen mit der Verpflichtung zur Auswanderung wieder freigelassen. Auch in Koblenz wüten die Nazis. Zerstört werden 13 bzw. nach einer anderen Zählung 19 Geschäfte und 36 bzw. 41 Wohnungen, jüdische Mitbürger werden misshandelt. Trupps zerstören die Synagoge am Florinsmarkt. In Brand gesteckt wird sie allerdings nicht - die Nachbarhäuser sollen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber der Friedhof wird geschändet und die Leichenhalle verwüstet. Etwa 100 Männer werden in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald verschleppt. Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust mündet. (vgl. Juristenfamilie Brasch – Personentafel Nr. 20 (Dr. Walter Brasch), Georg Krämer – Personentafel Nr. 64 -, Eheleute Isidor und Erna Treidel – Personentafel Nr. 42 (Dr. Isidor Treidel) –; Familie Arthur Salomon – Personentafel Nr. 63 (Dr. Arthur Salomon)).
15. November Alle jüdischen Kinder werden von öffentlichen Schulen verwiesen. Das ist für diese Kinder der letzte Schultag in einer öffentlichen Schule in Deutschland. (vgl. Hannelore Hermann – Personentafel Nr. 22 -, Marianne Pincus, geb. Brasch – Personentafel Nr. 100 -, Werner Appel – Personentafel Nr. 105).
08. Dezember Erlass des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei Heinrich Himmler zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“. Danach soll nunmehr die „Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff (genommen werden)“. Alle „Zigeuner“ ab dem 6. Lebensjahr sollen erkennungsdienstlich behandelt und nach „rassenbiologischen“ Gesichtspunkten in „Zigeuner“, „Zigeunermischlinge“ und „nach Zigeuner Art umherziehende Personen“ selektiert werden.
1939 |
30. Januar In seiner traditionellen Rede zum „Tag der Machtergreifung“ droht Hitler vor dem „"Großdeutschen Reichstag“ dem europäischen Judentum mit der Ausrottung, falls der europäische Krieg, den er zur Neuordnung des Kontinents zu führen gedenkt, zu einem Weltkrieg erweitert würde. Hitler sagt: „Und eines möchte ich an diesem vielleicht nicht nur für uns Deutsche denkwürdigen Tag nun aussprechen. Ich bin in meinem Leben sehr oft Prophet gewesen und wurde meistens ausgelacht... Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“
Mitte März Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die "„Rest-Tschechei“ entsteht das „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“.
Frühjahr Die Kindertransporte (auch Refugee Children Movement) sind in vollem Gang. Ausgelöst durch die Novemberpogrome in Deutschland, engagieren sich Juden und Quäker in England und bringen ihre Regierung dazu, Kinder aus dem Machtbereich Hitler-Deutschlands nach Großbritannien zu bringen. In der Zeit von Ende November 1938 bis zum Kriegsbeginn am 1. September 1939 reisen über 10.000 Kinder jüdischer Herkunft aus dem Deutschen Reich, Österreich, Polen, der Tschechoslowakei und der Freien Stadt Danzig mit Zügen nach Großbritannien. Sie kommen dort in Pflegefamilien oder Heime. Viele von ihnen sehen ihre Eltern und Geschwister, die oftmals im Holocaust ermordet werden, nie wieder. Im Frühjahr reisen auch jüdische Kinder aus Koblenz mit Kindertransporten nach England. (vgl. Rolf, Beate und Hans Bernd – Personentafel Nr. 98 (Hans Bernd) -, Helga Treidel/Helen Cary – Personentafel Nr. 99 -, Marianne Pincus, geb. Brasch – Personentafel Nr. 100 -, Günter Stern/Joe Stirling – Personentafel Nr. 101 -, Margot und Rudi Kahn – Personentafel Nr. 102 – und Irene Futter, geb. Schönewald – Personentafel Nr. 103).
23. März Deutscher Einmarsch in das litauische Memelgebiet, Rückgliederung an das Deutsche Reich.
25. März Verpflichtung aller Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren zum Dienst in der HJ.
03. April Hitler gibt eine Weisung zur Vorbereitung eines Kriegs mit Polen für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommt.
Sommer Intellektuelle Oppositionsgruppen um den Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen und den Wirtschaftswissenschaftler Arvid Harnack formieren sich zur „Roten Kapelle", der weit über einhundert Personen, auch viele Frauen, angehören.
23. August Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion ("„Hitler-Stalin-Pakt“). In einem Geheimen Zusatzprotokoll sieht er die Zerschlagung Polens und die Aufteilung des Landes zwischen Deutschland und der Sowjetunion vor. Ostpolen, Finnland, Estland und Lettland werden zur sowjetischen, Westpolen und Litauen zur deutschen Interessensphäre erklärt. Das Gebiet um Wilna wird Litauen zugerechnet. Im Südosten Europas wird Bessarabien zum sowjetischen Interessengebiet deklariert.
26. August Die "Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz", kurz Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) wird mit der Generalmobilmachung in Kraft gesetzt. Sie wurde von Hitler bereits am 17. August 1938(!) - also zurzeit der Sudetenkrise - für den von ihm damals schon fest ins Auge gefassten Krieg unterzeichnet. Die Verordnung schafft neue Straftatbestände mit sehr hohen Strafen – meist die Todesstrafe. (vgl. Pater Franz Reinisch – Personentafel Nr. 16). Berüchtigt ist § 5 der Vorschrift, der grundsätzlich die Todesstrafe dem androht,
„1. Wer öffentlich dazu auffordert oder anreizt, die Erfüllung der Dienstpflicht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu verweigern, oder sonst öffentlich den Willen des deutschen oder verbündeten Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen sucht;
2. wer es unternimmt, einen Soldaten oder Wehrpflichtigen des Beurlaubtenstandes zum Ungehorsam oder zur Widersetzung oder zur Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten oder zur Fahnenflucht oder unerlaubten Entfernung zu verleiten oder sonst die Manneszucht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu untergraben;
3. wer es unternimmt, sich oder einen anderen durch Selbstverstümmelung, durch ein auf Täuschung berechnetes Mittel oder auf andere Weise der Erfüllung des Wehrdienstes ganz, teilweise oder zeitweise zu entziehen.“
01. September Hitler-Deutschland beginnt den Zweiten Weltkrieg ohne Kriegserklärung durch den Angriff auf Polen nach fingierten Grenzzwischenfällen, u.a. einem behaupteten Überfall auf den Sender Gleiwitz. Der internationalen Presse werden angeblich gefallene Polen vorgeführt. In Wirklichkeit handelt es sich um zuvor umgebrachte Gefangene des KZ Sachsenhausen. Das Oberkommando der Wehrmacht meldet den „Gegenangriff“ deutscher Truppen zu Lande, zur See und in der Luft. Hitler erklärt am Morgen im Berliner Reichstag: „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen."
Schlagartig werden im gesamten Deutschen Reich ca. 850 frühere Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten u.a. festgenommen. Diese sog. A-Kartei-Aktion beruht auf Listen „verdächtiger“, noch in Freiheit befindlicher Personen. Ihre Festnahme soll verhindern, dass sie zu Maßnahmen gegen den Krieg aufrufen oder selbst solche ergreifen. Die Inhaftierten werden einige Tage später in Konzentrationslager verschleppt. (vgl. Johann Dötsch – Personentafel Nr. 18 -, Wilhelm Rott – Personentafel Nr. 62 -,Wilhelm Rott – Personentafel Nr. 62 -, Alfred Knieper – Personentafel Nr. 59 – und Carl Vollmerhaus – Personentafel Nr. 55).
Mit dem Kriegsbeginn werden die nach Frankreich emigrierten Deutschen zu „gefährlichen“ und „unerwünschten“ Ausländern erklärt. Man sieht in ihnen, vor allem in den Kommunisten, aber auch den Gewerkschaftern und Sozialdemokraten, die „Fünfte Kolonne“ der Nazis. Sie werden festgenommen und zunächst in Paris und dann in südfranzösischen Lagern interniert. Viele Kommunisten kommen in das Lager Le Vernet im Vorland der Pyrenäen. Dort sind inzwischen auch nach Frankreich geflüchtete Interbrigadisten in Haft. Wem es nicht gelingt, das Lager zu verlassen, hat – nachdem im Süden Frankreichs die mit den Nazis kollaborierende Vichy-Regierung installiert ist – die Auslieferung an die Gestapo und die Verschleppung und Verfolgung in Deutschland zu befürchten. (vgl. Familie Hugo Salzmann – Personentafel Nr. 39 -, Friedrich Wolf – Personentafel Nr. 52 -, Ernst Buschmann – Personentafel Nr. 53 -, Alphonse Kahn – Personentafel Nr. 54 -, Hermann Geisen – Personentafel Nr. 35)
Zur gleichen Zeit werden in Deutschland weitere Strafvorschriften erlassen. Sie waren - wie die KSSVO - schon für den geplanten Krieg ausgearbeitet und lagen „in der Schublade“. Jetzt werden sie in Kraft gesetzt. Die erste dieser neuen Strafvorschriften ist die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ vom 1. September 1939. In § 1 wird „das absichtliche Abhören ausländischer Sender“ verboten und bei Zuwiderhandlung mit Zuchthausstrafe bedroht, deren Dauer nicht begrenzt ist. Im § 2 wird die Verbreitung der abgehörten Nachrichten, die „die Widerstandskraft des deutschen Volkes“ gefährden, mit Zuchthausstrafe und in besonders schweren Fällen mit der Todesstrafe bedroht. (vgl. Anneliese Hoevel – Personentafel Nr. 1 -, Andreas Hoevel – Personentafel Nr. 36 - und Jakob Newinger – Personentafel Nr. 19).
03. September Großbritannien und Frankreich erklären dem Deutschen Reich den Krieg. Damit haben Hitler und die führenden Nazis nicht gerechnet. Hitler hört die Nachricht „versteinert“. Göring sagt vor Kabinettsmitgliedern: „Wenn wir diesen Krieg verlieren, dann gnade uns der Himmel!“ Goebbels wirkt auf die Anwesenden wie ein „begossener Pudel“. Ein Aufruf im Rundfunk an das Volk endet mit den Worten: „Wir haben nichts zu verlieren, wir haben alles zu gewinnen!“
Seit Kriegsbeginn begehen die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD im überfallenen Polen gezielte Massenmorde. Bis zum 26. Oktober 1939, dem Ende der Militärverwaltung, ermorden die Einsatzgruppen, andere Polizeiverbände und Wehrmachtsangehörige bei 714 Exekutionen etwa 16.000[ bis 20.000 Polen.
In einem Geheimerlass des Chefs der Sicherheitspolizei Heydrich über „Grundsätze der inneren Staatssicherheit während des Krieges“ heißt es: „Jeder Versuch, die Geschlossenheit und den Kampfeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen, ist rücksichtslos zu unterdrücken.“ Danach kann die Gestapo Gegner und Saboteure ohne Gerichtsurteil exekutieren.
05. September In-Kraft-Treten der "Volksschädlingsverordnung“; sie schafft neue Straftatbestände und Strafverschärfungen; die Sanktion ist vielfach die Todesstrafe.
21. September Heydrich erlässt in einem geheimen Schnellbrief Richtlinien zur „Judenfrage im besetzten Gebiet“. Darin wird die Einrichtung von Ghettos in größeren Städten, die Auflösung kleiner jüdischer Gemeinden und die „Umsiedlung“ der „Landjuden“ in die städtischen Ghettos sowie die Bildung von Judenräten in den jüdischen Gemeinden angeordnet.
27. September Aus der Sicherheitspolizei (Gestapo und Reichskriminalpolizeiamt) und dem Sicherheitshauptamt des Reichsführers SS wird das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gebildet. Heydrich wird Chef des RSHA. Wenig später übernimmt Adolf Eichmann das „Judenreferat“ IV B 4 dort. Das RSHA ist die Zentrale aller NS-Terror- und Repressionsmaßnahmen.
17. Oktober Festsetzungserlass des Reichssicherheitshauptamtes: "Zigeuner und Zigeunermischlinge“ dürfen ihre Wohnsitze nicht mehr ohne Erlaubnis verlassen.
Oktober Hitler regelt die Neugliederung des von Deutschland besetzten Polens: die westpolnischen Gebiete werden als Reichsgaue in das Deutsche Reich eingegliedert, das übrige Polen wird „Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete" (später nur noch „Generalgouvernement“) unter Generalgouverneur Hans Frank.
08. November Als am Abend etwa 2000 Zuhörer, darunter nahezu die gesamte NS-Führungsspitze, mit Hitler im Münchner Bürgerbräukeller zum Gedenken an den 9. November 1923 versammelt sind, versucht Georg Elser, als Einzelkämpfer, ein Attentat auf Hitler. Seine Zeitbombe zündet zwar wie geplant, zu diesem Zeitpunkt hat Hitler aber schon unvorhergesehen die Versammlung verlassen. Der Sprengsatz verwüstet den Saal, tötete acht und verletzt 63 Besucher, davon 16 schwer.
1939/1940 Nach dem Verbot bzw. der Selbstauflösung der traditionellen Jugendverbände und der Bildung der HJ als Staatsjugend wollen sich Jugendliche dieser Bevormundung und diesem Drill nicht unterordnen. Sie lieben die Freiheit und die selbst organisierte Freizeit. Teilweise setzen sie ihr bündisches Leben fort oder begeistern sich für Jazzmusik und andere Musik aus Amerika. Es entsteht die „Swingjugend“. (vgl. Edgar Lohner – Personentafel Nr. 28 – und Hans Blumensatt – Personentafel Nr. 27).
1940 |
01. März Mit der (ersten) Verhaftung Pater Josef Fischers beginnt die Verfolgung von zahlreichen Mitgliedern der Schönstatt-Bewegung. Mehrere Patres von ihnen kommen in Koblenz in „Schutzhaft“ und werden von dort aus in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. (vgl. Albert Eise – Personentafel Nr. 49). Einer der wenigen dieser Patres - der Gründer der Schönstatt-Bewegung Pater Josef Kentenich - überlebt diese „Hölle ohne Gott“. (vgl. Pater Josef Kentenich – Personentafel Nr.15). Auch drei Marienschwestern von „Schönstatt“ kommen ins KZ, ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Eine von ihnen, Charlotte Holubars, kam dort um. (vgl. Charlotte Holubars – Personentafel Nr. 2) und Maria Hilfrich – Personentafel Nr. 3).
Auch andere katholische Ordensgeistliche und Priester werden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. (vgl. Pater Albert Maring – Personentafel Nr. 70).
09. April Die Deutsche Wehrmacht überfällt Dänemark und Norwegen. Zwei Wochen später wird der Oberpräsident der Rheinprovinz (der in Koblenz seinen Sitz hat) Josef Terboven „Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete“.
27. April Anordnung des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei Heinrich Himmler zur „Umsiedlung von Zigeunern“. In ihr heißt es, dass aufgrund von Schwierigkeiten mit der angelaufenen Vertreibung von 120.000 Polen in das „Generalgouvernement Polen“ vorerst nur 2.500 „in den westlichen und nordwestlichen Grenzgebieten aufhältliche Zigeuner“ in das „Generalgouvernement“ deportiert werden.
10. Mai Es kommt zu dem seit längerem geplanten Überfall Hitler-Deutschlands auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg sowie später Frankreich. Das OKW meldet: „Angesichts der unmittelbar bevorstehenden feindlichen Kriegsausweitung auf belgisches und holländisches Gebiet und der damit verbundenen Bedrohung des Ruhrgebiets ist das deutsche Westheer am 10. Mai 1940 bei Morgengrauen zum Angriff über die deutsche Westgrenze auf breitester Front angetreten.“ In einem „Aufruf an die Soldaten der Westfront“ erklärt Hitler: „Die Stunde des entscheidendsten Kampfes für die Zukunft der deutschen Nation ist gekommen. (…) Der heute beginnende Kampf entscheidet das Schicksal der deutschen Nation für die nächsten tausend Jahre.“
16. Mai In der Zeit vom 16. bis 21. Mai 1940 werden die west- und nordwestdeutschen Sinti und Roma in die Sammellager verschleppt und von dort aus in Güterwaggons in das „Generalgouvernement“ deportiert. Einer amtlichen Mitteilung zufolge werden statt der vorgesehenen 2.500 insgesamt 2.800 Zigeuner nach Polen deportiert. Aus Koblenz sind es ca. 80 Personen. (vgl. Michael Böhmer, geb. Reinhardt – Personentafel Nr. 24).
22. Juni Der deutsch-französische Waffenstillstandsvertrag wird geschlossen. Er sieht die Besetzung der gesamten französischen Kanal- und Atlantikküste bis zur spanischen Grenze vor. Die Demarkationslinie zwischen den beiden Teilen von Frankreich verläuft auf einer Linie Genf-Dole-Tours-Mont de Marsan-spanische Grenze. Die kollaborierende französische Regierung unter Marschall Henri Philippe Pétain errichtet ihren Sitz im unbesetzten Teil in Vichy (deshalb auch: „Vichy-Regierung“).
31. Juli In einer Besprechung mit den höchsten Militärs gibt Hitler seinen Plan bekannt, am 15. September 1940 auf den Britischen Inseln zu landen. (Dieses „Unternehmen Seelöwe“ wird am 17. September 1940 „bis auf Weiteres“ verschoben.). Des Weiteren erklärt Hitler seinen Entschluss, die Sowjetunion anzugreifen („Unternehmen Barbarossa“) und in einem auf fünf Monate berechneten Feldzug niederzuwerfen. Das Ziel ist die Eroberung des ökonomisch bedeutendsten europäischen Teils der Sowjetunion.
02. August Die Verwaltung im besetzten Elsaß, in Lothringen und in Luxemburg geht an Hitler unmittelbar unterstellte Zivilbehörden über. Chef der Zivilverwaltung (CdZ) in Luxemburg wird der Gauleiter des Gaus Koblenz-Trier (ab 1942: Gau Moselland) Gustav Simon.
Sommer Spätestens jetzt sind Menschen aus Polen in Koblenz und Umgebung und leisten – teilweise anfangs auch freiwillig, dann aber auch – Zwangsarbeit. Die polnischen Zwangsarbeiter müssen auf der linken Brustseite das Abzeichen „P“ tragen und werden mit zahlreichen Verboten schikaniert. Manche müssen in einem Reichsbahnbauzug arbeiten (vgl. Ignacy Gmerek - Personentafel Nr. 81), oder in einem Außenlager des Gefängnisses Koblenz beim Bau der Reichsautobahn (vgl. Czeslaw Wawrocki – Personentafel Nr. 83 – und Norbert Widok – Personentafel Nr. 90) oder in der Landwirtschaft. (vgl. Franciszek Matczak – Personentafel Nr. 84 -, Valentin G. – Personentafel Nr. 87 – Marian Abramski – Personentafel Nr. 89 – und Edward C. – Personentafel Nr. 93).
Herbst Im besetzten Polen werden in den großen Städten viele jüdische Ghettos errichtet (u.a. in Warschau, Lodz („Litzmannstadt“), Lublin und Krakau).
1941 |
Januar Im Rahmen der reichsweiten „T4-Aktion" nimmt die Heil- und Pflegeanstalt Hadamar bei Limburg/Lahn als Tötungsanstalt ihren Betrieb auf. Bis zum Stopp der Aktion am 24. August 1941 werden mehr als 10.000 Kranke, Behinderte und sozial unangepasste Menschen mit Giftgas ermordet. (vgl. Alois Gass – Personentafel Nr. 25 –, Edmund Zimmer – Personentafel Nr. 67 – und Gerhard (Gerd) Wiegand – Personentafel Nr. 114).
Februar Um die Niederlage Italiens in Nordafrika abzuwenden, schickt Hitler im „Unternehmen Sonnenblume“ die ersten Truppenverbände des späteren Deutschen Afrikakorps zur Verstärkung der italienischen Truppen nach Afrika. General Erwin Rommel, den man den „Wüstenfuchs“ nennt, wird Befehlshaber der deutschen Truppen in Nordafrika.
18. März 38 Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Scheuern (heute: Nassau-Scheuern) werden - angeblich für Filmaufnahmen - in eine andere Anstalt verschleppt. Die meisten von ihnen werden im April/Mai 1941 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein (in Sachsen) mit Giftgas ermordet – und dabei gefilmt, der Film ist verschollen. In der Folgezeit verlassen fünf weitere Transporte mit insgesamt 284 Pfleglingen (so genannte Ursprungskranke) Scheuern. Ziel der meisten Transporte ist die Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg/Lahn. (vgl. Alois Gass – Personentafel Nr. 25).
Zur selben Zeit werden auch Patienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Andernach in die Tötungsanstalt Hadamar transportiert und dort noch am selben Tag mit Giftgas ermordet. (vgl. Edmund Zimmer – Personentafel Nr. 67- und Gerhard (Gerd) Wiegand – Personentafel Nr. 114).
30. März Hitler erläutert vor hohen Offizieren die Prinzipien der Kriegsführung im Osten: der Russlandfeldzug sei als „Kampf zweier Weltanschauungen gegeneinander“ und als „Vernichtungskampf“ zu führen. Er fordert die „Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz“.
Mai / Juni Anordnungen der Wehrmachtsführung setzen dies um: Nach dem „Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa“ sollen Straftaten von Wehrmachtangehörigen gegen Zivilisten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Die „Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Russland“ fordern ein „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden“. Die „Richtlinien für die Behandlung der politischen Kommissare“ befehlen der Wehrmacht, die „politischen Kommissare grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen.“ Die „Bestimmungen über das Kriegsgefangenenwesen“ verlangen ein „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen bei den geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit, insbesondere gegenüber bolschewistischen Hetzern“.
Frühjahr Die „Aktion 14f13“ beginnt. Mit dieser nach dem Aktenzeichen für diese Vorgänge benannten Aktion werden Häftlinge aus Konzentrationslagern selektiert und in Tötungsanstalten mit Giftgas ermordet. Betroffen sind ca. 20.000 Menschen, angeblich oder tatsächlich Geisteskranke, Behinderte, nicht Arbeitsfähige und sehr viele Juden. (vgl. Selma Grünewald – Personentafel Nr. 11).
22. Juni Die Deutsche Wehrmacht überfällt jetzt auch noch die Sowjetunion ("Fall Barbarossa“). Sie führt den von Hitler angekündigten „Vernichtungskrieg“. Dazu gehören auch die Verbrechen der Einsatzgruppen der SS. Diese ideologisch geschulten und bereits im Feldzug gegen Polen eingesetzten „Sondereinheiten“ folgen der Wehrmacht und drangsalieren die Bevölkerung hinter der Front und ermorden massenhaft. Im Herrschaftsbereich der Sowjetunion und auf dem Balkan ermorden sie in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht Juden, Roma (damals „Zigeuner“ genannt), Kommunisten, tatsächliche und vermeintliche Partisanen, „Asoziale“ sowie psychisch Kranke, geistig und körperlich Behinderte. Auch sind sie immer wieder an Geiselerschießungen beteiligt. Von Juni 1941 bis 1943 ermorden die Einsatzgruppen in der Sowjetunion mindestens 600.000, nach anderen Schätzungen bis zu anderthalb Million Menschen.
25. Juli Das Reichskommissariat Ostland wird aus Teilen des rückwärtigen Heeresgebiets Nord gebildet, aus Teilen des Baltikums und Weißrusslands. An seiner Spitze steht ein Reichskommissar. Dieser untersteht dem vom NS-Chefideologen Alfred Rosenberg geleiteten Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. Einen Monat später wird das entsprechend organisierte Reichskommissariat Ukraine aus Teilen des rückwärtigen Heeresgebiets Süd bzw. Mitte gebildet. In beiden Reichskommissariaten terrorisieren und ermorden die Einsatzgruppen und auch Teile der Wehrmacht die Zivilbevölkerung, vor allem die jüdische. Im Reichskommissariat Ostland werden u.a. durch die Einsatzgruppen A und B etwa eine Million Juden ermordet, im Reichskommissariat Ukraine durch die Einsatzgruppen C und D Hunderttausende.
Sommer Nachdem die im Deutschen Reich lebenden Juden immer mehr zwangsweise zur Arbeit verpflichtet werden, werden sie seit Beginn des Zweiten Weltkrieges auch vermehrt in Zwangsarbeitslagern interniert. Im Sommer werden Juden aus der Umgebung in die aufgelassene Bergarbeitersiedlung „Tagschacht“ in Friedrichssegen bei Lahnstein gebracht. Unter ganz schlechten Lebensbedingungen müssen sie im „Tonwerk“ (auch Klinkerwerke genannt) Ziegel herstellen. (vgl. Hilde Emmel – Personentafel Nr. 7).
24. August Nach einem Protest deutscher Bischöfe wird die "T 4- Aktion“ eingestellt; später gehen die Morde in vielen Anstalten durch Medikamente oder "verhungern lassen“ weiter.
(vgl. Karl Heinz Spiegel - Personentafel Nr. 69 und - für die Sonderproblematik der "Kindereuthanasie" - Willy und Horst Strauß - Personentafel Nr.23).
15. September Juden müssen den gelben Stern tragen.
01. Oktober Juden dürfen nicht mehr aus dem Deutschen Reich auswandern.
6. Oktober Die ersten Deportationen von Juden beginnen. Ca. 20.000 Juden u.a. aus Luxemburg und aus dem „Altreich“, u.a. aus Trier und Umgebung, Frankfurt/Main und Berlin, werden bis Anfang November „nach dem Osten“ – nach Lodz/Litzmannstadt - im „Generalgouvernement“ verschleppt. (vgl. Geschwister Appel – Personentafel Nr. 68 – (Julia Appel)).
02. Oktober – 05. Dezember Es kommt zur Schlacht um Moskau. Nach Raumgewinnen der Deutschen Wehrmacht bleibt die Operation stecken. Die sowjetische Gegenoffensive am 05. Dezember offenbart das Scheitern des Blitzfeldzuges und führt zur Krise im deutschen Ostheer, das auf einen Winterkrieg nicht vorbereitet ist. Die Sowjetunion verliert bis Jahresende 1941 3,35 Millionen Soldaten als Kriegsgefangene. Bis Kriegsende sterben 3,3 Millionen sowjetische Soldaten in deutscher Gefangenschaft.
25. November Die 11. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“ bestimmt, dass ein Jude „mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland“ die deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Damit wird allen bisher ins Ausland gelangten - meist emigrierten - Juden die Staatsbürgerschaft entzogen. Nach der Verordnung gilt das auch für spätere Wohnsitzverlegungen. Weiter ist geregelt, dass das Vermögen der Juden, die die deutsche Staatsangehörigkeit auf Grund dieser Verordnung verlieren, mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit dem Reich verfällt. Mit diesem „Trick“ eignet sich das Deutsche Reich „mit einem Federstrich“ des Verordnungsgebers das verbliebene Vermögen der ins Ausland geflüchteten Juden an. Zugleich bringt das Deutsche Reich das Vermögen der Juden an sich, die in Bälde „nach dem Osten“ deportiert werden. Zynisch heißt es in der Verordnung weiter, dass das verfallene Vermögen zur Förderung aller mit der Lösung der Judenfrage im Zusammenhang stehenden Zwecke dienen soll.
November/Dezember Bei der zweiten Deportationswelle werden etwa 25.000 bis 30.000 Menschen jüdischer Herkunft, u.a. auch 1.000 Juden aus Köln und aus Frankfurt/Main, nach Riga, Kowno und Minsk deportiert. Eine von ihnen ist Johanna Rosenberg, geb. Baruch, die jüngste Schwester der Bad Kreuznacher Ausnahmesportler Julius und Hermann Baruch. (vgl. Julius und Hermann Baruch – Personentafel Nr. 46). Die Widerstandsgruppe um die Eheleute André und Anneliese Hoevel in Metternich (heute: Koblenz-Metternich) wird von der Gestapo entdeckt. Die Eheleute Hoevel, die Eheleute Adolf und Grete Noetzel, Jakob Newinger und Rudolf Steinwand werden verhaftet und angeklagt. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat und „Rundfunkverbrechen“ werden die Eheleute Hoevel zum Tode verurteilt und hingerichtet und Jakob Newinger erhält eine 10-jährige Zuchthausstrafe. Der Bopparder Rudolf Steinwand, der bereits Soldat ist, wird aus dem Militärgefängnis an die Front beordert. (vgl. Anneliese Hoevel – Personentafel Nr. 1 -, André Hoevel – Personentafel Nr. 36 -, Jakob Newinger – Personentafel Nr. 19 – und Rudolf Steinwand – Personentafel Nr. 60).
07. Dezember Hitler unterschreibt den „Nacht-und-Nebel-Erlass“. In ihm wird festgestellt, dass sich die deutschfeindlichen Aktivitäten in den besetzten Gebieten verstärkt haben. Bei Straftaten „gegen das Reich oder die Besatzungsmacht“ sei grundsätzlich die Todesstrafe angebracht, die in den besetzten Gebieten verhängt und vollstreckt werden solle. Andernfalls seien die Täter nach Deutschland zu verbringen. Auskünfte über den Stand der Verfahren seien in diesem Fall zu verweigern.
Mit einem überraschenden Angriff auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Habor eröffnet Hitlers Verbündeter in Asien, Japan, den Krieg gegen die USA. Der am 1. September 1939 von Hitler entfesselte Krieg weitet sich damit zum „Zweiten Weltkrieg“ aus.
11. Dezember Hitler erklärt den USA nach dem japanischen Überfall auf die US-Flotte in Pearl Habor den Krieg, ohne Japan hierzu vertraglich verpflichtet zu sein.
19. Dezember Wegen der Misserfolge im „Russlandfeldzug“ entlässt Hitler den für einen geordneten Rückzug plädierenden Oberbefehlshaber des Heeres Walther von Brauchitsch. Hitler übernimmt selbst den Oberbefehl über das Heer und damit die Führung der Gesamt-Wehrmacht. Intern sagt er dazu: „Das bisschen Operationsführung kann jeder machen. Die Aufgabe des Oberbefehlshabers des Heeres ist es, das Heer nationalsozialistisch zu erziehen. Ich kenne keinen General des Heeres, der diese Aufgabe in meinem Sinn erfüllen könnte. Darum habe ich mich entschlossen, den Oberbefehl über das Heer selbst zu übernehmen.“
Dezember Beginn der Tötung von Juden im Vernichtungslager Chelmno („Kulmhof“) durch den Einsatz von Gaswagen.
1942 |
20. Januar Auf Einladung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich findet die sog. Wannsee-Konferenz in einer Villa am Großen Wannsee in Berlin statt. Die 15 hohen Behördenvertreter und SS-Führer besprechen die Zusammenarbeit ihrer jeweiligen Behörden u.a. bei der bevorstehenden Deportation aller europäischen Juden in die eroberten Gebiete in Ost-Europa. Dabei geht es um die technische Realisierung des Völkermords, des Holocaust, der Shoa. Die "Endlösung der Judenfrage" als solche hat Hitler höchstwahrscheinlich einige Wochen vorher beschlossen.
In dem vom „Judenreferenten“ des Reichssicherheitshauptamtes Adolf Eichmann erstatteten Protokoll heißt es u.a.: „Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Juden kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht. (…) Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchkämmt. (…) Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in so genannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“ Der Vertreter des Generalgouvernements ist mit den Mordplänen völlig einverstanden und erklärt – ausweislich des Protokolls -, „dass das Generalgouvernement es begrüßen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde, weil einmal hier das Transportproblem keine übergeordnete Rolle spielt und arbeitseinsatzmäßige Gründe den Lauf dieser Aktion nicht behindern würden.“
31. Januar Die dritte Deportationswelle von Juden aus dem „Altreich“ in den Distrikt Lublin im „Generalgouvernement“ wird geplant. Dazu schickt der „Judenreferent“ des Reichssicherheitshauptamtes Adolf Eichmann einen „Schnellbrief“ an alle Staatspolizei(leit)stellen. Mit den einleitenden Worten: „Die in der letzten Zeit in einzelnen Gebieten durchgeführte Evakuierung von Juden nach dem Osten stellen den Beginn der Endlösung der Judenfrage im Altreich, der Ostmark und im Protektorat Böhmen und Mähren dar.“ geht es in ihm um die „genaue Planung und Vorbereitung“ der weiteren Verbrechen. Dazu werden die Gestapostellen aufgefordert, die im Reichsgebiet noch lebenden Juden festzustellen und deren Zahl dem RSHA zu melden. Zugleich erlässt das RSHA „Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden in das Generalgouvernement“. Eingehend und sehr bürokratisch wird darin die Deportation zehntausender Menschen jüdischer Herkunft geregelt. Die Gestapostellen – auch die Gestapo in Koblenz – werden verpflichtet, die Juden zu erfassen, zu konzentrieren und dann für deren Abtransport zu sorgen – einschließlich der „Regelung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten“, d.h. der Wegnahme der letzten ihnen noch verbliebenen Vermögenswerte.
Februar Die große kommunistisch-nationalrevolutionäre Widerstandsorganisation um Rudi Uhrig und Beppo Römer in Berlin, die auch enge Kontakte zu Mitgliedern der „Roten Kapelle“ hat, wird zerschlagen, als Uhrig, Römer und 200 weitere Mitglieder der Gruppe verhaftet werden. 2 ½ Jahre später werden u.a. Uhrig und Römer vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet.
17. März Das erste der drei Vernichtungslager im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ (Belzec, Sobibor, Treblinka), das Vernichtungslager Belzec, ist „betriebsbereit“. Es treffen die ersten Transporte mit einheimischen Juden aus den Ghettos von Lemberg und Lublin in Belzec ein.
22. März Mit der 1. Deportation von Menschen jüdischer Herkunft werden 337 namentlich bekannte Juden und ein namenloses Baby von Koblenz aus „nach dem Osten“ verschleppt. Am Tag zuvor mussten sich diese Menschen in der Stein-Schule (heute: Freiherr-vom-Stein-Grundschule in der Steinstraße in Koblenz-Rauental) einfinden. Dort sammelt die Koblenzer Gestapo die Juden aus Koblenz und dem ehemaligen Landkreis Koblenz für den Abtransport. Die Juden haben ein 16-seitiges Vermögensverzeichnis auszufüllen – wobei das ihnen verbliebene Vermögen rückwirkend zum 1. März 1942 zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt wird. Sämtliche „das Vermögen verkörpernde Urkunden (z.B. Wertpapiere)“ u.a. sind der Erklärung beizufügen. Diese Erklärungen, wie auch Versicherungskarten, Lohnsteuerkarten, Bezugsscheine, Personaldokumente und auch die Wohnungsschlüssel müssen sie abgeben. Auf dem Güterbahnhof in Koblenz-Lützel werden die 338 Juden aus Koblenz und Umgebung auf der Rampe in Personenwagen der 4. Klasse des Sonderzuges Da 17 der Deutschen Reichsbahn „verladen“. Diese Sonderzüge der Reichsbahn bilden eine eigene Kategorie „Da“ – das steht für „David“. Sie haben eigene Fahrpläne und sind meist „Russenzüge“, mit denen Russen, Ukrainer u.a. zur Zwangsarbeit in den Westen verschleppt werden. Mit den Juden fahren sie wieder zurück „nach dem Osten“. Der Sonderzug DA 17 fährt von Koblenz nach Köln, Düsseldorf und dann durch das Ruhrgebiet. Zielort ist das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin. (vgl. Familie Arthur Salomon – Personentafel Nr. 63 -, Hannelore Hermann – Personentafel Nr. 22)
24. März Während der Deportationszug Da 17 auch mit dem Juden aus Koblenz und Umgebung mehrere Tage auf der Fahrt in den Osten unterwegs ist, werden nach einer großen Razzia die ersten einheimischen Juden aus dem Ghetto Izbica in das Vernichtungslager Belzec transportiert. Sie machen den Juden Platz, die in den nächsten Tagen nach Izbica verschleppt werden.
26 / 27. März Der erste Deportationszug mit 338 Juden aus Koblenz und Umgebung trifft in Izbica ein. Man zwängt die Menschen in die teilweise frei gemachten Wohnungen und Häuser. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels schreibt in sein Tagebuch: „Aus dem Generalgouvernement werden jetzt, bei Lublin beginnend, die Juden nach Osten abgeschoben. Es wird hier ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig.“
Frühjahr Den von Hitler-Deutschland begonnenen Luftkrieg weiten die britische (Royal Air Force – RAF) und dann auch die amerikanische Luftwaffe (United States Army Air Forces – USAAF) im Deutschen Reich aus. Entsprechend ihrer „Anweisung zu den Flächenbombardements“ („Area Bombing Directive“) beginnt die RAF mit ihren Flächenbombardements. Sie wird unterstützt von der USAAF, die vor allem Punktziele bombardiert (kriegswichtige Industrien, Brücken, Eisenbahnstrecken und andere Anlagen der Infrastruktur).
26. April Hitler erhält vom Reichstag allumfassende Vollmachten. Mit Hinweis auf den Krieg und seine Position als Führer, Oberbefehlshaber, Regierungschef und oberster Gerichtsherr hätte er - so der einmütige Beschluss des Reichstages - das Recht, „… jederzeit in der Lage (zu) sein, nötigenfalls jeden Deutschen – sei er einfacher Soldat oder Offizier, niedriger oder hoher Beamter oder Richter, leitender oder dienender Funktionär der Partei, Arbeiter oder Angestellter – mit allen ihm geeignet erscheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und bei Verletzung dieser Pflichten nach gewissenhafter Prüfung ohne Rücksicht auf so genannte wohl erworbene Rechte mit der ihm gebührenden Sühne zu belegen, ihn im besonderen ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amte, aus seinem Rang und seiner Stellung zu entfernen.“
30. April Ein zweiter Transport von Menschen jüdischer Herkunft, der Sonderzug Da 9, geht vom Güterbahnhof in Koblenz-Lützel ab. In ihm befinden sich fast ausschließlich Patienten der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn. Für diese Menschen ist das eine noch viel größere Strapaze, sind sie doch körperbehindert, psychisch krank und vielfach gebrechlich. Wegen ihres Zustandes deportiert sie die Reichsbahn schon „bevorzugt“ – mit “G-Wagen” (gedeckten Güterwaggons). Am 3. Mai 1942 treffen die Überlebenden des Transports an der Bahnstation in Krasnystaw in der Nähe von Izbica ein. Anschließend müssen sie noch in das Durchgangsghetto Krasniczyn. Einen Monat später, im Juni, liquidieren die deutschen Besatzer das Ghetto Krasniczyn. (vgl. Jakob van Hoddis – Personentafel Nr. 40 -, Manfred Moses Goldschmidt – Personentafel Nr. 119).
15. Juni Mit der 3. Deportation von Juden aus dem Koblenzer Raum werden 342 Juden „nach dem Osten“ verschleppt. Es sind vor allem wiederum Patienten und Pflegepersonal der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn. Der dort verbliebene leitende Arzt berichtet später: „Die Verladung der Patienten habe ich selbst erlebt. Zu 60 in einem Viehwagen wurden Schwerkranke und gesunde Angestellte verladen. Der Zug stand noch nachmittags unter polizeilicher Bewachung plombiert in glühender Hitze auf dem Bahnhof Sayn. Ich war etwas später als beratender Nervenarzt bei einem jüdischen Krankentransport in Düsseldorf. Dort hörte ich von der Jüdischen Gemeinde, dass der Transport durch Düsseldorf durchgekommen und mit Wasser versorgt worden sei. Der Kot sei aus den Wagen herausgelaufen. Zahlreiche Patienten sollen dort bereits tot gewesen sein.“ Der Transport geht nicht mehr in ein Durchgangsghetto im Raum Lublin, sondern in das Vernichtungslager Sobibor unmittelbar. Die dort ankommenden Menschen werden noch am selben Tag mit Motorabgasen ermordet. (vgl. Johanna (Hanna) Hellman – Personentafel Nr. 120).
Juni Die Massenvergasungen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau („Auschwitz II“) beginnen.
Mitte Juli Auch das dritte Vernichtungslager der "Aktion Reinhardt", Treblinka, ist fertig gestellt.
27. Juli 4. Deportation von 79 Menschen jüdischer Herkunft aus Koblenz und Umgebung. Betroffen davon sind vor allem ältere Menschen. Sie werden in das Konzentrationslager („Altersghetto“) Theresienstadt verschleppt. (vgl. Georg Krämer – Personentafel Nr. 64 - und auch Familie Isaak Hein – Personentafel Nr. 50). Zahlreiche dorthin Deportierte werden dann weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort mit Giftgas ermordet. (vgl. Juristenfamilie Brasch – Personentafel Nr. 20 (Emma Brasch).
Sommer Nachdem seit Ende 1941 unter falschen Versprechungen Menschen in der Sowjetunion in das „Altreich“ gelockt bzw. dann zwangsweise hierher verschleppt werden, kommen sowjetische Zwangsarbeiter auch nach Koblenz und Umgebung. Sie stehen als „Untermenschen“ in der Hierarchie der Zwangsarbeiter an unterster Stelle. Von den anderen Zwangsarbeitern getrennt, werden sie in speziellen Ostarbeiterlagern, die mit Stacheldraht umzäunt sind, untergebracht. Sie werden durch viele Verbote schikaniert und müssen auf der linken Brustseite das Abzeichen „Ost“ tragen. Etwas besser geht es den in Privathaushalten beschäftigten jungen Zwangsarbeiterinnen. (vgl. Lydia Gritzenko – Personentafel Nr. 49 – und auch Warwara T. – Lesemappe Nr.32).
20. August Der Präsident des Volksgerichtshofs Otto Thierack wird zum neuen Reichsjustizminister ernannt. Neuer Präsident wird Roland Freisler. Unter Freisler steigt die Anzahl der Todesurteile stark an: Ungefähr 90 Prozent aller Verfahren enden mit einer oft bereits vor Prozessbeginn feststehenden Todesstrafe oder mit lebenslanger Haftstrafe. Zwischen 1942 und 1945 werden mehr als 5000 Todesurteile gefällt, davon über 2600 durch den von Freisler geführten Ersten Senat des Gerichts. Damit ist Freisler in den drei Jahren seines Wirkens am Volksgerichtshof für ebenso viele Todesurteile verantwortlich wie alle anderen Senate des Gerichts zusammen in der gesamten Zeit des Bestehens des Gerichts von 1934 bis 1945. Mit Recht erhält Friesler nach der Befreiung den Beinamen „Mörder in roter Robe“. Berüchtigt sind seine „Verhandlungsführung“ und seine „Blutjustiz“ besonders wegen der Verfahren gegen die Verschwörer vom 20. Juni 1944.
August Die vor einem Jahr beendete Mordaktion an behinderten, psychisch kranken und sozial unangepassten Menschen („Aktion T4“) wird in anderer Form fortgesetzt. In den Tötungsanstalten, wie Hadamar, werden sie aber nicht mehr mit Giftgas, sondern durch überdosierte Medikamente und vorsätzliches Verhungernlassen von Ärzten und Pflegern getötet (sog. dezentrale oder auch (fälschlicherweise so genannte) „wilde Euthanasie“). (vgl. Karl-Heinz Spiegel – Personentafel Nr. 69 -, Felix K. – Personentafel Nr. 116 – und Elisabeth M. – Personentafel Nr. 115).
Ende August/September In Berlin hat sich eine große Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack gebildet. Viele Mitglieder dieser aus verschiedenen Freundeskreisen gehörenden Gruppe, die die Gestapo später Rote Kapelle nennt, sind Frauen. Eine von ihnen ist die in Boppard am Rhein geborene Maria Terwiel, zusammen mit ihrem Lebensgefährten Helmut Himpel. Die Gruppe unternimmt zahlreiche auch öffentlichkeitswirksame Aktionen. Die wichtigste und größte Aktion ist die Verbreitung der Predigten des Bischofs von Galen gegen die „Euthanasie“-Aktion der Nazis. Nach der Entschlüsselung von Funksprüchen nimmt die Gestapo ab Ende August mehr als 100 Personen fest. Vielen von ihnen macht man den Prozess vor dem höchsten deutschen Militärgericht, dem Reichskriegsgericht in Berlin. Sie werden wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt und im Hinrichtungsschuppen des Gefängnisses Berlin-Plötzensee hingerichtet. (vgl. Maria Terwiel – Personentafel Nr. 12).
03. September Fast 200 luxemburger Schüler werden ohne Wissen ihrer Eltern zur „Umerziehung“ auf die Burg Stahleck bei Bacharach am Mittelrhein verschleppt. Dort will man sie mit militärischem Drill und Schikanen „umerziehen“, ihren Widerstandswillen brechen. Erst kurz vor Weihnachten kehren sie zu ihren Familien zurück.
02. Oktober Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) hebt die Wehrunwürdigkeit für die Dauer des Krieges auf. Männer, die z.B. zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte und damit „wehrunwürdig“ sind, können nun zum Wehrdienst herangezogen werden. Dafür werden im Heer Sonderverbände, „Bewährungseinheiten“, aufgestellt, z.B. das Strafbataillon 999. Die darin zum Dienst zwangsweise Rekrutierten sind meist Kriminelle oder politische Gegner der Nazi. Unter den politischen 999ern sind Angehörige aus fast allen Gruppierungen vertreten, die vom Nationalsozialismus als feindlich betrachtet werden: vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten, Geistliche und auch Zeugen Jehovas. Der erste Aufstellungsort des Verbands ist der Truppenübungsplatz Heuberg in der Nähe des Ortes Stetten am Kalten Markt. (vgl. Wilhelm Rott – Personentafel Nr. 62 – und Edgar Lohner – Personentafel Nr. 28).
11. November Deutsche Truppen besetzen den bisher noch nicht besetzten, südlichen Teil Frankreichs. In einer Sondermeldung des OKW heißt es dazu: „Deutsche Truppen haben am 11. November früh zum Schutze des französischen Territoriums gegenüber den bevorstehenden amerikanisch-britischen Landungsunternehmen in Südfrankreich die Demarkationslinie zum unbesetzten Frankreich überschritten.“
16. Dezember Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler erlässt den sog. Auschwitz-Erlass. Mit diesem ordnet er die Deportation von „Zigeunern“ aus ganz Europa in das Konzentrationslager Auschwitz an. „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht-deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft“ sind nach bestimmten Richtlinien zu erfassen und innerhalb weniger Wochen in das Konzentrationslager Auschwitz einzuweisen.
1942 / 43 / 44 Die ins westliche Ausland geflohenen Menschen jüdischer Herkunft sind seit dem Überfall Hitler-Deutschland auch in diesen Ländern nicht sicher. Sie leben dort meist illegal und müssen untertauchen. Einheimische Nazis und „Sicherheitskräfte“ machen Jagd auf sie, verschleppen sie in Lager dieser Länder. Von dort aus werden sehr viele von ihnen in die Vernichtungslager im Osten deportiert. Einer der ersten ist der Bad Kreuznacher Ausnahmesportler Hermann Baruch. Nach seiner Flucht nach Belgien führt sein Leidensweg über das südfranzösische Internierungslager Gurs in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. (vgl. Julius und Hermann Baruch – Personentafel Nr. 46). Die über das Elsaß nach Holland geflohenen Eheleute Walter und Irma Brasch und ihre beiden Kinder werden im holländischen Durchgangs-Konzentrationslager Westerbork gesammelt und dann in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. (vgl. Juristenfamilie Brasch – Personentafel Nr. 20). Ein ähnliches Schicksal erleidet die nach Holland geflohene Koblenzerin Eva Salier. Über das Konzentrationslager Herzogenbusch (Kamp Vught) wird sie nach Auschwitz-Birkenau verschleppt, anders als ihre Mutter und ihre Großmutter überlebt sie die Verfolgung. (vgl. Eva Salier, geb. Hellendag – Personentafel Nr. 45).
1943 |
31. Januar Kapitulation der 6. Armee der deutschen Wehrmacht in Stalingrad.
18. Februar In seiner „Sportpalastrede“ drängt Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nach dem Scheitern der Blitzkriegtaktik – der schnellen Unterwerfung der Sowjetunion - auf die Intensivierung der Kriegswirtschaft. Im Berliner Sportpalast ruft er zum „totalen Krieg“ auf:. Die Rede endet mit dem Appell: „Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen. Wenn wir je treu und unverbrüchlich an den Sieg geglaubt haben, dann in dieser Stunde der nationalen Besinnung und der inneren Aufrichtung. Wir sehen ihn greifbar nahe vor uns liegen; wir müssen nur zufassen. Wir müssen nur die Entschlusskraft aufbringen, alles seinem Dienst unterzuordnen. Das ist das Gebot der Stunde. Und darum lautet von jetzt ab die Parole: Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“
Die Geschwister Hans und Sophie Scholl werden nach Flugblattaktionen seit Frühjahr 1942 in München von der Gestapo verhaftet. Die „Weiße Rose“, eine studentische Widerstandsgruppe aus katholisch-bündischer Tradition, wird zerschlagen. Fast alle ihre Mitglieder (Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell, Kurt Huber u.a.) werden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
28. Februar Nach den vier großen Deportationen von Koblenz aus (in der Zeit vom 22. März bis 27. Juli 1942) werden nun auch die letzten Juden aus Koblenz „nach dem Osten“ – in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau - verschleppt. Von dieser 5. Deportation von Koblenz aus sind die Menschen betroffen, die - von den Nazis gezwungen - den Deportierten in den letzten Stunden in Koblenz beigestanden haben: der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Hugo Bernd, der sie medizinisch betreut hat, und seine Frau Senta und das Ehepaar Sally und Flora Hermann, das bis zuletzt das Sekretariat der Jüdischen Kultusgemeinde verwaltet hat. (vgl. Familie Hugo Bernd – Personentafel Nr. 41).
01. März Die Deportationen von Menschen jüdischer Herkunft gehen auch in anderen Städten und Gegenden des „Altreichs“ weiter. So wird der Lehrling Heinz Kahn mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester Gertrud von Trier aus in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Die Familie wird selektiert. Heinz Kahn überlebt als einziger und wird viele Jahre später der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz. Auch der Koblenzer Addie Bernd, der nach Köln ausgewichen ist, wird von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Er überlebt den Holocaust ebenfalls und ist nach der Befreiung der erste Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz. (vgl. Heinz Kahn – Personentafel Nr. 43 – und Addie Bernd – Personentafel Nr. 44).
10. März Aufgrund des „Auschwitz-Erlasses vom 16. Dezember 1942 werden mit der 1. (und großen) Deportation 149 Sinti aus Koblenz und Umgebung in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Die Menschen, Männer, Frauen und Kinder, werden familienweise am Tag zuvor in der Hilda-Schule (in der Kurfürstenstraße) gesammelt. Am Tag der Deportation führt man sie zum Hauptbahnhof und verlädt die Menschen in Personenwagen, wohl 4. Klasse. Kriminalpolizeibeamte begleiten sie nach Auschwitz-Birkenau. Dort bringt man sie in einen besonderen Bereich des Lagers, in das sog. Zigeunerfamilienlager (Lager B II e). (vgl. Familie Karl Reinhardt – Personentafel Nr. 47 und Daweli Reinhardt – Personentafel Nr. 21).
15. April In der Heil- und Pflegeanstalt Hadamar wird auf Anweisung des Reichsministeriums des Innern ein vorgebliches „Erziehungsheim für minderjährige jüdische Mischlingskinder“ (Kinder mit einem jüdischen Elternteil) aus staatlichen Fürsorgeeinrichtungen der Verwaltungsbezirke Hessen, Nassau und der Rheinprovinz eingerichtet. Nach und nach werden 39 jüdische Mischlingskinder nach Hadamar eingewiesen und die meisten mit Giftinjektionen ermordet. (vgl. die Brüder Willy und Horst Strauß – Personentafel Nr. 23).
19. April Das Mitte 1940 von der deutschen Besatzungsmacht im Stadtzentrum Warschaus errichtete Ghetto ist das mit Abstand größte Sammellager dieser Art. Auf engstem Raum und unter katastrophalen hygienischen Bedingung werden vor allem Juden aus ganz Warschau, aus anderen unter deutscher Kontrolle stehenden polnischen Regionen sowie aus dem deutschen Reichsgebiet und den besetzten Ländern eingeschlossen. Am 19. April beginnt der Warschauer Ghetto-Aufstand, die größte jüdische Widerstandsaktion gegen den Holocaust. Bis zum 16. Mai leisten die Menschen erbitterten Widerstand, der dann von der SS unter Leitung des Generals Jürgen Stroop blutig niedergeschlagen wird. Das gesamte Ghetto wird niedergebrannt. Die Überlebenden werden im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort mit Gas ermordet. (vgl. dazu die Ausstellung … von Teofila Reich-Ranicki, die Ende Oktober/Anfang November 2008 in Koblenz gezeigt wurde, sowie die Stätten der Verfolgung Vernichtungslager Treblinka und „Aktion Reinhardt“.)
16. Juni Als vorletzte Juden aus Koblenz – die letzten sind die in „privilegierter Mischehe“ lebenden – werden der Rechtsanwalt Dr. Isidor Treidel, der nach der Entziehung seiner Zulassung nur noch als jüdischer Rechtskonsulent tätig sein durfte, und seine Ehefrau Erna „nach dem Osten“ deportiert. Sie sind bisher verschont geblieben, weil die Nazis Dr. Treidel zur Abwicklung der Vermögensverhältnisse der anderen deportierten und ermordeten Juden brauchten. Als jetzt alles abgewickelt ist, wird er mit seiner Frau bei der 6. Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. (vgl. Eheleute Isidor und Erna Treidel – Personentafel Nr. 42).
01. Juli Die 13. Verordnung zum Reichsbürgergesetz setzt den „juristischen Schlusspunkt“ unter die Entrechtung der Menschen jüdischer Herkunft. Sie entzieht ihnen den Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte. Strafbare Handlungen von ihnen werden fortan durch die Polizei geahndet. Damit sind sie der Willkür durch die Gestapo ausgeliefert. Außerdem regelt sie, dass ihr Vermögen nach ihrem Tod dem Deutschen Reich verfällt. Bedeutung hat diese Regelung nur noch für den kleinen Personenkreis der in Deutschland verbliebenen, in „privilegierter Mischehe“ lebenden Juden. Sie allein sind bisher von den Deportationen noch ausgenommen.
Juli Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ wird in der Sowjetunion von Emigranten gegründet. Präsident wird Erich Weinert, wichtige Mitglieder sind Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und auch Friedrich Wolf. Wolf wird Frontbeauftragter des Nationalkomitees. (vgl. Friedrich Wolf – Personentafel Nr. 52).
August Die Gestapo Koblenz entdeckt die Michaelstruppe. Die im November 1942 entstandene konfessionell gebundene Jugendgruppe ist ungewöhnlich militant. Es ist eine verschworene Gemeinschaft von 50 – 60 Mitgliedern. Gleichwohl wird sie aufgespürt und die führenden Mitglieder werden verhaftet. Bald bringt die Gestapo die Anführer auf die Burg Stahleck bei Bacharach, wo u.a. ein „Jugenddienstlager“ eingerichtet ist. Nach einigen Wochen dort verschleppt man sie in das Jugend-Konzentrationslager Moringen bei Göttingen. (vgl. Willi Lohner und Hans-Clemens Weiler – Personentafel Nr. 26).
Herbst Nach dem Vorbild des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ gründet sich in Frankreich das Komitee „Freies Deutschland“ für den Westen (Comité „Allemagne libre“ pour l’Ouest, Calpo). Mitglieder des Calpo arbeiten in der französischen Résistance und kämpfen gegen die deutsche Besatzung in Frankreich. (vgl. Alphonse Kahn – Personentafel Nr. 54 – und Ernst Buschmann – Personentafel Nr. 53).
Oktober Mit zunehmender Kriegsdauer reagiert der NS-Staat mit seinen Organen Justiz und Gestapo immer härter und brutaler gegen an sich harmlose Meinungsäußerungen und Kritik. Sie sind „defätistische Äußerungen“, „Zersetzung der Wehrkraft“ u.a., die zu Strafverfahren und zur „Schutzhaft“ in einem Konzentrationslager führen können. (vgl. Anna Speckhahn – Personentafel Nr. 8 -, Elisabeth Müller – Personentafel Nr. 6 – und Gertrud Roos – Personentafel Nr. 9).
03. November Unter der Tarnbezeichnung "Aktion Erntefest“ beendet die SS zusammen mit dem Reserve-Polizei-Bataillon 101 mit Massenerschießungen die „Aktion Reinhardt“. Allein an diesem Tag werden ca. 40.000 Juden im „Generalgouvernement“ ermordet.
28. November – 01. Dezember In Teheran beraten die Großen Drei (der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill und der sowjetische Staatschef Josef Stalin). Auf dieser ersten Konferenz der drei Hauptalliierten verständigen sie sich trotz unterschiedlicher Pläne grundsätzlich auf eine Aufteilung Deutschlands nach dem Krieg.
1944 |
März Zwischen den auf der rechten Moselseite gelegenen Orten Treis und Bruttig wird ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsaß eingerichtet. Es entsteht in einem nie genutzten Eisenbahntunnel, der nach dem Ersten Weltkrieg in den Berg getrieben wurde. In diesem „Außenlager Kochem“ mit dem Decknamen „Zeisig“ soll eine Produktionsstätte entstehen, in dem die Firma Bosch Zündkerzen für Flugzeuge herstellen lassen will. Etwa 2.000 Häftlinge aus Natzweiler werden bei den vorbereitenden Maßnahmen eingesetzt. Viele von ihnen sterben entkräftet und ausgezehrt. Zu einer Produktion von Zündkerzen kommt es nicht. Das Lager wird im September beim Vorrücken der Alliierten aufgegeben.
25. April Es kommt zu einer zweiten (und kleineren) Deportation von Sinti aus Koblenz und Umgebung. Betroffen sind 13 Kinder und Jugendliche – darunter auch sechs Kinder der Familie Hugo W. Sie werden im Polizeipräsidium in Koblenz „gesammelt“ und am selben Tag von Koblenz aus in das „Zigeunerlager“ des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau verschleppt. (vgl. Familie Hugo W. – Personentafel Nr. 48).
Mai Schon vor dem Krieg hat sich eine Gruppe von Regimegegnern im Haus des früheren Diplomaten Wilhelm Solf und seiner Frau Hanna in Berlin gebildet. Es ist eine Teegesellschaft teils liberaler, teils konservativer Diplomaten, Politiker, Wissenschaftlicher, Schriftsteller und Künstler. Zu ihm gehören u.a. Theodor Heuss, Carl Zuckmayer, Otto Kiep, André Francois-Poncet, Herbert Mumm von Schwarzenstein, Lagi von Ballestrem, Elisabeth von Thadden und Friedrich Erxleben. Im September 1943 wird ein Spitzel in den Kreis eingeschleust. Nach und nach werden viele Mitglieder des Kreises verhaftet und vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Im Mai nimmt die Gestapo den Koblenzer Armeeoberpfarrer Friedrich Erxleben fest. (vgl. Friedrich Erxleben – Personentafel Nr. 37).
06. Juni Die alliierten Truppen beginnen mit der Landung in der Normandie und eröffnen damit eine lange geplante Westfront der Anti-Hitler-Koalition. Die französischen Widerstandsbewegungen (Résistance) verstärken ihre Aktionen gegen die deutschen Besatzer. Aus Frauen und Jugendlichen bestehende Sabotagekommandos sprengen Brücken, Eisenbahntunnel, Telegrafenmasten. Einer dieser sehr militanten Jugendlichen ist Roger Detournay (vgl. Roger Detournay – Personentafel Nr. 71). In den französischen Bergen operiert die Résistance vom Maquis aus. Unter den Widerstandskämpfern sind auch Deutsche – vor allem Kommunisten wie Ernst Buschmann. (vgl. Ernst Buschmann - Personentafel Nr. 53).
4. Juli Seit 1940 hat sich eine bürgerliche Widerstandsgruppe um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg gebildet. Sie trifft sich auf Moltkes Gut Kreisau in Schlesien und wird deshalb „Kreisauer Kreis“ genannt. Es gibt drei große Zusammenkünfte, auf denen Pläne über die politisch-gesellschaftliche Neuordnung „nach Hitler“ diskutiert und entworfen werden. Als erster aus dem Kreis wird von Moltke Anfang 1944 verhaftet. Anfang Juli werden der in Bad Ems geborene Adolf Reichwein und Julius Leber festgenommen, als sie Kontakt mit den ehemaligen KPD-Funktionären und Widerstandskämpfern Anton Saefkow und Franz Jakob aufnehmen. (vgl. Adolf Reichwein – Personentafel Nr. 33).
20. Juli Nach zahlreichen fehlgeschlagenen Attentatsversuchen und nach mehreren Anläufen versucht Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Hitler bei einer Besprechung im Führerhauptquartier in der Wolfschanze bei Rastenburg in Ostpreußen zu töten. Die Sprengladung verletzt Hitler aber nur leicht. Das Attentat sollte der Beginn der Operation Walküre, der Umsturz des NS-Regimes sein. Auch dieser Plan zum Staatsstreich führt nicht zum Erfolg. An der Verschwörung, dem bedeutendsten Umsturzversuch des militärischen Widerstandes in der Zeit des Nationalsozialismus, sind vor allem Mitglieder des Adels, der Wehrmacht und der Verwaltung beteiligt, vielfach mit Kontakten zum Kreisauer Kreis. Unter den mehr als 200 später wegen des Attentats- und Umsturzversuchs Hingerichteten sind Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, 19 Generäle, 26 Oberste, zwei Botschafter, sieben Diplomaten, ein Minister, drei Staatssekretäre sowie der Chef des Reichskriminalpolizeiamts; des Weiteren mehrere Oberpräsidenten, Polizeipräsidenten und Regierungspräsidenten. Zum engen Kreis der Verschwörer gehören die Freiherren Georg und Philipp von Boeselager (vgl. Philipp Freiherr von Boeselager – Personentafel Nr. 108), der General der Artillerie Fritz Lindemann (vgl. Lina Lindemann – Personentafel Nr. 13) und Adolf Friedrich Graf von Schack (vgl. Adolf Friedrich Graf von Schack – Personentafel Nr. 106) sowie Karl Sack (Karl Sack - Personentafel Nr. 110) und Hermann Freiherr von Lüninck (Hermann Freiherr von Lüninck – Personentafel Nr. 109).
25. Juli Hitler ernennt den Propagandaminister Goebbels zum „Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz“ und unterzeichnet einen Erlass, nach dem „das gesamte öffentliche Leben den Erfordernissen des totalen Kriegseinsatzes in jeder Beziehung anzupassen (ist)“.
Ende Juli Die fieberhafte Suche nach den Mitverschwörern verbinden die Nazis (und vor allem die „Sonderkommission 20. Juli 1944“ des Reichssicherheitshauptamtes) mit dem Aufspüren und Drangsalieren von Angehörigen der am 20. Juli Beteiligten. Sie werden festgenommen und verhört, um von ihnen den Aufenthaltsort der Verschwörer zu erfahren oder zu erreichen, dass sich diese von sich aus der Gestapo stellen. Die Nazis nennen das „Sippenhaft“. „Sippenhäftlinge“ nach dem General der Artillerie Fritz Lindemann sind seine Ehefrau Lina und ihre Tochter Marie-Luise. Beide sind bei Lina Lindemanns Schwester und Schwager, dem Prinzen Albrecht von Hohenzollern-Sigmaringen) auf Burg Namedy bei Andernach. Beide werden von der Gestapo Koblenz festgenommen. Auf der anderen Seite des Rheins, in Irlich (heute: Neuwied-Irlich), erleiden Therese Kaiser und ihre Tochter Elisabeth dasselbe Schicksal. Als Ehefrau bzw. Tochter des Gewerkschaftsfunktionärs Jakob Kaiser sind sie in das Visier der Gestapo geraten. In Irlich sind sie zu Besuch bei Therese Kaisers Bruder Sepp Mohr und dessen Ehefrau Käthe. Auch die Eheleute Mohr kommen alsbald in Sippenhaft nach Jakob Kaiser. Die erwachsenen „Sippenhäftlinge“ beginnen von Koblenz aus eine Odyssee durch Gefängnisse und Konzentrationslager. (vgl. Lina Lindemann, geb. von Friedeburg – Personentafel Nr. 13 – und Sepp und Käthe Mohr – Personentafel Nr. 107 - sowie Therese Kaiser – Personentafel Nr. 46).
01. August Die Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa – AK) erhebt sich mit ca. 25.000 nur unzureichend bewaffneten Männern und Frauen gegen die deutschen Besatzungstruppen im besetzten Warschau. Die AK beginnt den Warschauer Aufstand, weil sie hofft, dass die in der Nähe liegenden Einheiten der Roten Armee ihr zu Hilfe kommen. Hitler befiehlt, „Warschau dem Erdboden gleichzumachen und die Bevölkerung zu ‚liquidieren’“. Weil die Rote Armee die Aufständischen nicht unterstützt, kapitulieren sie nach 63 Tagen in aussichtsloser Situation. Die deutschen Truppen begehen Massenmorde an der Zivilbevölkerung Warschau wird fast vollständig zerstört. Zahlreiche Überlebende werden in Konzentrationslager verschleppt.
02./03. August Nachdem am 16. Mai 1944 ein erster Versuch, das „Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau zu räumen, am Widerstand der Häftlinge gescheitert ist, kommt es in der Nacht zur endgültigen „Liquidierung“. Die nach Selektionen verbliebenen 2.897 Männer, Frauen und Kinder werden in den Gaskammern ermordet.
22./23. August Auf Befehle des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei Heinrich Himmler kommt es zur „Aktion Gewitter“ (auch „Aktion Gitter“ genannt). Sie richtet sich zunächst gegen ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der KPD und der SPD sowie der Gewerkschaften, dann aber auch gegen Mitglieder des Zentrum und anderer ehemaliger Parteien. In Koblenz werden die frühere SPD-Politikerin Maria Detzel und die Zentrumspolitikerin Helene Rothländer und in Montabaur der ehemalige Zentrumspolitiker Heinrich Roth einige Wochen inhaftiert. (vgl. Maria Detzel, geb. Rath – Personentafel Nr. 57 -, Helene Rothländer – Personentafel Nr. 56 – und Heinrich Roth – Personentafel Nr. 58).
August Im Deutschen Reich befinden sich mehr als 7,6 Millionen Zwangsarbeiter, davon sind 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen „Zivilarbeiter“, allein 2,8 Millionen Sowjetbürger. Sie werden zu immer härterer Zwangsarbeit gepresst. Auf der anderen Seite wird deren Überwachung durch die militärische Lage (vor allem durch den Luftkrieg) immer schwieriger. Viele entziehen sich der Zwangsarbeit durch Flucht. Für die Nazis ist das „Arbeitsvertragsbruch“ und führt oft zu einer Maßnahme der „Arbeitserziehung“, sie wird vielfach im SS-Sonderlager/KZ Hinzert vollstreckt. (vgl. Henryk K – Personentafel Nr. 82 -, Valentin G. – Personentafel Nr. 87 -, Stanislaus Kowalski – Personentafel Nr. 88 – und Edward C. – Personentafel Nr. 93).
Ende August Schon seit einiger Zeit hat die Stettiner Firma Gollnow & Sohn, die in Koblenz lediglich ein Postfach unterhält, in zwei - von fünf - leer stehenden Eisenbahntunneln zwischen Dernau und Marienthal an der Ahr ein Lager („Lager Rebstock“) eingerichtet. In dem Kuxberg- und Trotzenbergtunnel müssen Dienstverpflichtete und ausländische Zwangsarbeiter Bodenabschussanlagen für die „Wunderwaffe“ V2 produzieren. Ende August wird die Produktion deutlich ausgeweitet. Dazu werden über 200 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald dem Lager Rebstock überstellt. Ausgewählt werden vor allem Polen und Franzosen mit spezieller Ausbildung und besonderen technischen Fähigkeiten. Das sind u.a. die polnischen Elektroingenieure Franciszek Skoczen und Stanislaw Studzinski und der französische Dreher Roger Detournay. Die beiden Polen sind beim Warschauer Aufstand festgenommen, dann ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und von dort aus weiter ins Lager Rebstock überführt worden. (vgl. Franciszek Skoczen – Personentafel Nr. 91 – und Stanislaw Studzinski – Personentafel Nr. 86). Roger Detournay ist ein junger Widerständler, der gegen die deutschen Besatzer im nördlichen Frankreich gekämpft hat. Sein Leidensweg führt über Paris und Buchenwald an die Ahr. (vgl. Roger Detournay – Personentafel Nr. 71).
ab 8. September Die Nazis setzen „Vergeltungswaffen“ („V-Waffen“) ein. Sie schießen die V2-Raketen gegen London und Antwerpen ab. Sie sollen als „Wunderwaffen“ eine entscheidende Wende im Zweiten Weltkrieg bringen, doch ist ihre militärisch-strategische Wirkung sehr gering. Von ihnen gibt es viel zu wenige und außerdem sind sie nicht zielgenau.
15. Oktober Als nach der geglückten Landung der Alliierten in der Normandie Anfang Juni entgegen ihrer Erwartungen das NS-Regime nicht zusammenbricht, intensivieren die RAF und die USAAF ihre strategischen Luftangriffe auf Industrie- und Bevölkerungszentren. Beim Rückflug nach einem solchen Angriff wird ein Flugzeug der USAAF über Langenlonsheim an der Nahe abgeschossen. Die meisten Besatzungsmitglieder können sich mit dem Fallschirm retten. Ein in Laubenheim/Nahe gefangen genommener Flieger wird von dem SS-Obersturmführer Kurt Tesch aus Langenlonsheim hinterrücks ermordet.
18. Oktober Der Öffentlichkeit wird der Erlass Hitlers vom 25. September 1944 über die Bildung des „Deutschen Volkssturms“ bekannt gegeben. Eingangs heißt es: „Nach fünfjährigem schwersten Kampf steht infolge des Versagens aller unserer europäischen Verbündeten der Feind an einigen Fronten in der Nähe oder an den deutschen Grenzen.“ Deshalb werden alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum „Deutschen Volkssturm“ einberufen. Ihre Ausbildung und ihre Ausrüstung sind unzureichend.
21. Oktober Aachen wird als erste deutsche Großstadt von den Amerikanern befreit.
06. November Bei einem schweren Angriff der RAF wird das Zentrum von Koblenz voll getroffen und brennt teilweise nieder. Schwer getroffen wird auch das Gerichtsgefängnis in der Karmeliterstraße („Karmelitergefängnis“) und auch die Gestapo-Zentrale im Vogelsang. Gefangene können aus dem Gefängnis fliehen. Viele tun das, andere lassen es, weil sie Repressalien für ihre Angehörigen fürchten. Die Gestapo Koblenz muss in ein anderes Quartier ausweichen.
16. Dezember Hitler beginnt die letzte große Offensive des Zweiten Weltkrieges, die Ardennenoffensive. Bereits an den Weihnachtstagen ist sie gescheitert.
24. Dezember Das Konzentrationslager Sachsenhausen stellt die 12. SS-Eisenbahnbaubrigade auf. 500 KZ-Häftlinge werden mit einer Bewachungsmannschaft der SS und mit Reichsbahnern in einem Eisenbahnbauzug nach Westen geschickt. Sie sollen – wie andere SS-Eisenbahnbaubrigaden auch – die von den Luftangriffen der Alliierten zerstörten Gleise und Brücken reparieren und wichtige Bahnstrecken wieder befahrbar machen. Noch vor Silvester erreicht der Zug seinen ersten Standort in Kamp am Rhein (heute: Kamp-Bornhofen). Von dort aus wird er in Lahnstein (heute: Ober- und Niederlahnstein) eingesetzt. Ca. drei Wochen später verlegt er seinen Standort nach Bad Kreuznach und wird bei der Instandsetzung der Brücke über die Nahe nach Bad Münster am Stein (heute ein Stadtteil von Bad Kreuznach) eingesetzt
1945 |
27. Januar An diesem Tag wird „Auschwitz“ befreit. Es gibt drei „Auschwitz“: Das so genannte Stammlager Auschwitz (das Konzentrationslager „Auschwitz I“), das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau („Auschwitz II“) und das Konzentrationslager Monowitz, die Buna-Werke in Auschwitz („Auschwitz III“). Alle drei Lager gehören zu einem Gesamtkomplex der SS. Sie liegen in dem – offiziell so genannten - „SS-Interessengebiet Auschwitz“ – etwa 50 Kilometer westlich der polnischen Stadt Krakau. Der Auschwitzkomplex war das größte der etwa 2.000 Konzentrations- und Arbeitslager und auch das größte Vernichtungslager.
Die Befreiung des KZ Auschwitz verläuft vergleichsweise unspektakulär. Am Nachmittag des 27. Januar 1945 betreten Soldaten der Roten Armee Auschwitz. Die Lager sind von den Wachmannschaften verlassen. In Birkenau findet die Rote Armee die Leichen von 600 Gefangenen, die nur Stunden vor der Befreiung des Lagers getötet worden sind. 7.650 kranke und erschöpfte Gefangene werden fürs erste gerettet: 1.200 im Stammlager Auschwitz, 5.800 in Auschwitz-Birkenau und 650 in Auschwitz III, in Monowitz. In den Lagerhäusern finden die Befreier 350.000 Männeranzüge, 837.000 Frauenkleider und große Mengen an Kinder- und Babykleidung. Zusätzlich entdecken sie Zehntausende Paar Schuhe und 7,7 Tonnen menschliches Haar in Papiertüten, fertig für den Transport verpackt.
Auschwitz ist der größte Friedhof in der Geschichte der Menschheit. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 1,1 Millionen Menschen, vor allem Juden aus ganz Europa, in Auschwitz umgebracht wurden. Eine der wenigen Überlebenden und in Auschwitz befreiten Häftlinge ist die Winninger Pfarrerstochter Elisabeth Müller. Sie ist aber so krank und geschwächt, dass sie nur noch zwei Monate dort überlebt. (Vgl. Elisabeth Müller – Personentafel Nr. 6).
4. – 11. Februar In Jalta/Krim findet die Konferenz mit Stalin, Churchill und Roosevelt statt. Auf ihr werden die militärischen Operationen der Alliierten koordiniert. In der Deutschland-Frage vereinbaren die Großen Drei die Hinzuziehung Frankreichs als vierter Besatzungsmacht mit eigener Zone (zu Lasten der britischen und der amerikanischen).
15. Februar Reichsjustizminister Thierack erlässt die „Verordnung über die Errichtung von Standgerichten“. Danach sollen in allen „Feind bedrohten Reichsverteidigungsbezirken“ Standgerichte geschaffen werden. Sie sind zuständig für alle Straftaten, „durch die die deutsche Kampfkraft und Kampfentschlossenheit gefährdet (wird)“. Damit sind nicht mehr nur Soldaten, sondern auch alle Zivilisten dem Urteil des Standgerichtes unterworfen.
07. März Ein wichtiger Übergang über den Rhein ist die „Ludendorff-Brücke“, die Eisenbahnbrücke über den Rhein zwischen Remagen und Erpel. Die „Brücke von Remagen“ soll von den Deutschen vor den heranrückenden US-Truppen gesprengt werden. Dazu kommt es aber nicht. Vielmehr können die Amerikaner mit vielen Regimentern die völlig intakte Brücke überqueren. Das von Hitler eingesetzte Fliegende Standgericht West verurteilt fünf Offiziere, die für das Unterbleiben der Sprengung als verantwortlich angesehen werden, wegen „Feigheit“ und „Dienstpflichtverletzung“ zum Tode; vier von ihnen werden am Tage der Urteilsverkündung im Westerwald erschossen.
Mitte März Kriegsende und Befreiung vom Nationalsozialismus in Koblenz und Umgebung.
16./19. März Ein amerikanischer Soldat holt mit einem gezielten Schuss einer Granate das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. vom Sockel am Deutschen Eck. US-Infanteristen bringen dem linksrheinischen Koblenz das Kriegsende und die Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur.
19. März Adolf Hitler erlässt den „Nerobefehl“, den Befehl betreffend Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet. Ihm zufolge sollen vor den heranrückenden Alliierten alle für sie nutzbaren Industrie- und Versorgungsanlagen zerstört werden. Der Befehl wird nur in geringem Umfang tatsächlich ausgeführt.
11. April Das Konzentrationslager Buchenwald wird befreit. Es ist die wohl spektakulärste und bekannteste Aktion dieser Art. Sie wird maßgeblich mitgeprägt von vielfältigen und organisierten Widerstandshandlungen des internationalen Illegalen Lagerkomitees. Das kann aber letztlich nicht verhindern, dass in den Tagen zuvor die SS-Lagerleitung mit der Evakuierung des Lagers beginnt und 28.000 Häftlinge auf den Todesmarsch in westliche und südliche Konzentrationslager treibt. Die Befreiung der ca. 21.000 im Lager noch verbliebenen Gefangenen durch Soldaten der US-Army geht einher mit Selbstbefreiungshandlungen vieler Häftlinge. Eine Woche nach der Befreiung versammeln sich die überlebenden Häftlinge auf dem Appellplatz und schwören den „Schwur von Buchenwald“. (vgl. Alfred Knieper – Personentafel Nr. 59 – und Hans Bauer – Personentafel Nr. 38).
21. April Die Räumung des KZ Sachsenhausen beginnt. 33.000 der noch verbliebenen 36.000 Häftlinge werden in Gruppen von 500 Häftlingen auf den Todesmarsch in Richtung Ostsee getrieben. Die überlebenden Häftlinge erreichen auf unterschiedlichen Wegen den Raum zwischen Parchim und Schwerin. Dort sind sie dann frei. (vgl. Johann Dötsch – Personentafel Nr. 18 – und Daweli Reinhardt – Personentafel Nr. 21).
22./23. April Im Zellengefängnis Lehrter Straße in Berlin-Moabit, das auch der Gestapo als Untersuchungshaftanstalt dient, werden in der Nacht 16 Häftlinge, die auf ihren Prozess vor dem Volksgerichtshof warten, durch SS-Männer „hingerichtet“. Der dort inhaftierte Koblenzer Armeeoberpfarrer und Widerständler Friedrich Erxleben ergeht nur knapp dieser Mordaktion. (vgl. Friedrich Erxleben – Personentafel Nr. 37).
30. April Der „Führer“ Adolf Hitler begeht im Bunker unter der Reichskanzlei in Berlin Selbstmord, seine Geliebte Eva Braun, die er am Tag zuvor geheiratet hat, folgt ihm in den Tod.
Ende April Die „Sippenhäftlinge“ und andere meist prominente Geiseln der SS („Sonder“- und „Ehrenhäftlinge“) gelangen nach einer Odyssee durch mehrere Konzentrationslager nach Niederdorf am Pragser Wildsee in Südtirol. Dort werden sie befreit. (vgl. Lina Lindemann – Personentafel Nr. 13 - und Peter und Käthe Mohr - Personentafel Nr. 107).
02. Mai Die Schlacht um Berlin, die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkrieges in Europa, endet mit der Befreiung der Hauptstadt des Deutschen Reiches durch die Rote Armee der Sowjetunion.
06. Mai Das in der Nähe von Salzburg gelegene Konzentrationslager Ebensee ist die letzte Station des 12. SS-Eisenbahnbauzugs (und auch des 11. SS-Eisenbahnbauzugs). Amerikanische Soldaten befreien die Häftlinge des KZ und auch die Häftlinge der beiden SS-Eisenbahnbauzüge.
07./09. Mai Der Chef des Wehrmachtführungsstabes Generaloberst Jodl unterzeichnet die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims. Die Kapitulationserklärung wird aus protokollarischen Gründen in Berlin-Karlshorst im Hauptquartier der sowjetischen Armee wiederholt. Der Zweite Weltkrieg ist in Europa beendet.
Durch die Kriegshandlungen sind schätzungsweise 50 bis 55 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Die weiteren von den Nationalsozialisten durch Verbrechen während des Krieges getöteten Menschen werden auf 13 Millionen geschätzt. Dazu gehören – nach inzwischen gesicherten Schätzungen – allein 5,7 bis 6,3 Millionen Opfer jüdischer Herkunft.
Weiterführende Hinweise: |
Zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema können empfohlen werden (diese wurden auch für die vorstehende Zusammenstellung maßgeblich benutzt):
- Martin Broszat/Norbert Frei (Hg.): Das Dritte Reich im Überblick. Chronik – Ereignisse – Zusammenhänge, 3. Auflage, München/Zürich 1996 und
- Manfred Overesch (Hg.): Das III. Reich. Eine Tageschronik der Politik, Wirtschaft, Kultur, Band 1: 1933 – 1939, Band 2: 1939 – 1945, Augsburg 1991.