Im Auftrag der Partei in den Tod
Serie in der Rhein-Zeitung über Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz vom 15. November 2001:
Nikolaus Thielen
Die KPD war die einzige große Partei, die sich vor 1933 auf die Illegalität vorbereitete. Doch all dies erwies sich angesichts des NS-Terrors als unzureichend, zumal sie zentralistisch organisiert blieb und keine neuen Widerstandsformen entwickelte. Man schätzt, dass die Hälfte der 300.000 KPD-Mitglieder (1932) mehr oder weniger lang in Haft war, etwa 20.000 wurden ermordet. Trotzdem blieben bis heute die kommunistischen Opfer umstritten. Einer von ihnen war der Reichstagsabgeordnete Nikolaus Thielen.
Thielen – vor genau 100 Jahren, am 22. November 1901, in St. Sebastian geboren – war Maschinist in Bendorf. Durch die Inflation wurde er 1923/24 arbeitslos. Zunächst trat er der SPD, dann der KPD bei und war für letztere in verschiedenen Funktionen tätig. 1929 wählte man ihn zum Stadtverordneten seines Wohnortes Vallendar und zum Mitglied des Kreistages Koblenz-Land. 1932 wurde er Unterbezirkssekretär der KPD in Koblenz, Reichstagsabgeordneter sowie Bezirksinstrukteur des Bezirks Koblenz-Trier-Eifel.
Nach dem Reichstagsbrand am 27./28. Februar 1933 erging der allgemeine Haftbefehl gegen alle kommunistischen Abgeordneten. Diesem entzog er sich durch die Flucht ins Saargebiet. Als er seine Frau Sophie und seine Kinder aus Vallendar nachkommen ließ, kam es zum Zusammenstoß mit der KPD-Bezirksleitung in Saarbrücken. Sie wollte keine Sesshaftmachung sondern allein eine Rückkehr und illegale Arbeit Thielens im Reich. Unter Androhung des Parteiausschlusses begab er sich im Parteiauftrag nach Berlin. Schon einen Tag nach seiner Ankunft wurde er dort mit drei anderen bei einem illegalen Treffen verhaftet. Aus der Untersuchungshaft schreibt er dann: „..habe ich die Hoffnung, dass ich gnädig davon komme, denn ich bin verhaftet worden, ehe ich meine vorgesehene Tätigkeit aufgenommen hatte. Und nach dieser Zeit werde ich für meine Familie leben.“
Am 2. Juli 1935 wird er vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu 15 Jahren Zuchthaus sowie zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Die drei Mitangeklagten erhalten zwischen zehn und sechs Jahre Zuchthaus. Die Strafe verbüßt Thielen im Zuchthaus Siegburg. Nach mehr als drei Jahren bemüht sich seine Ehefrau um den Erlass der Reststrafe. Das Justizministerium lehnt ab: „Als Oberberater der illegalen KPD nahm der Verurteilte einen hohen Funktionärsposten ein. Mehrere Träger der nämlichen Funktion sind zum Tode verurteilt worden. Der Umstand, dass die Tätigkeit des Verurteilten beendet wurde, bevor sie richtig begonnen hatte, ist im Strafmaß berücksichtigt worden. Einem Gnadenerweis steht der lange Strafrest (11 Jahre) und die unzulängliche Führung des Verurteilten in der Strafanstalt entgegen.“
Die letzte Station seines Lebens erreicht Thielen am 18. November 1943, als er aus dem Zuchthaus ins Konzentrationslager Mauthausen in Österreich verschleppt wird. Es hatte als einziges KZ im Reichsgebiet die Schwerestufe III und diente den Nazis vielfach zur Tötung ohne Gerichtsurteil. Sie, die vielfach den Vermerk „R. u.“ (Rückkehr unerwünscht) erhielten, wurden oft in die Strafkompanie zum Tragen von Steinblöcken eingesetzt. Hierbei wurden sie entweder erschlagen oder „auf der Flucht“ erschossen. Nikolaus Thielens Tod ist ungeklärt. Nach Angaben des KZs soll er am 6. Januar 1944 angeblich an akuter Herzschwäche gestorben sein.