Veranstaltungen zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2017
Auch in diesem Jahr – schon viele Jahre zuvor – hält der Landtag von Rheinland-Pfalz am 27. Januar 2017 wieder eine Sondersitzung zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus ab. Aus dem gleichen Anlass präsentiert der Landtag eine Wanderausstellung zur Geschichte der Bücherverbrennung im Jahr 1933 mit dem Titel: „Verbrannte Bücher – von den Nazis verfemte Schriftsteller“.
Auf beide Veranstaltungen, die in Mainz stattfinden, weist der Landtag in seinem neuen Programmheft zum 27. Januar 2017 hin. Einer guten Tradition folgend, sind in dieser Broschüre zudem die wichtigsten Veranstaltungen zu diesem Gedenktag im ganzen Land Rheinland-Pfalz aufgeführt. Auch die Veranstaltungen unseres Fördervereins Mahnmal Koblenz sind dort aufgeführt. Zur Information über die Veranstaltungen des Landtages und im ganzen Land sowie als ersten Hinweis auf die Veranstaltungen in Koblenz präsentieren wir hier das Programmheft des Landtages in digitaler Form. Die Veranstaltungen in Koblenz sind auf den Seiten 25 und 26 des Programmheftes (= Seiten 13 und 14 in dieser digitalen Form) aufgeführt. Weitere Informationen dazu erhalten Sie in den nächsten Tagen in der örtlichen Presse und auf dieser Homepage.
Die Veranstaltungsbroschüre können Sie HIER herunterladen
Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz
Zu den Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2017 gab unser Förderverein eine Presseerklärung heraus, die wir nachfolgend dokumentieren:
Die Veranstaltungen zum diesjährigen internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2017 in Koblenz erinnern an jüdische NS-Opfer aus Koblenz und Umgebung, die wegen ihrer Herkunft „nach dem Osten“ deportiert und dort in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Anlass ist die 75. Wiederkehr des Beginns der Deportationen am 22. März 1942 vom Güterbahnhof Koblenz-Lützel aus in das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin. Das Motto der Ausstellung ist der „Todesfuge“, einem Gedicht des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan, entnommen.
Damals, am 22. März 1942, lagen bereits mehr als neun Jahre der systematischen Ausgrenzung und Vertreibung hinter diesen in Deutschland lebenden Menschen. Aus Nachbarn waren Juden geworden und aus Juden dann keine Menschen, sondern - wie der oberste Parteirichter der NSDAP bereits 1938 sagte – eine „Fäulniserscheinung“. Wer irgendwie konnte, hatte Deutschland verlassen, legal oder illegal, mit oder ohne Besitz. Zurück geblieben waren die Alten, Verarmten und Kranken und alle die, die an Deutschland hingen und den Deutschen einen solchen Zivilisationsbruch nicht zutrauten. Die allermeisten mussten diese Liebe und dieses Vertrauen mit ihrem Leben bezahlen.
Ab Herbst 1941 war eine Auswanderung auch offiziell nicht mehr möglich. Im Oktober 1941 begannen im Westen die ersten Deportationen. Sie galten u.a. Juden aus Luxemburg und aus Trier und aus Frankfurt/Main. Zur gleichen Zeit gab der Reichsführer-SS Heinrich Himmler den führenden SS-Führern im von Deutschland besetzten Polen („Generalgouvernement“) die Anweisung, die „Germanisierung“ dort vorzubereiten, dafür die Juden aus diesem Gebiet zu entfernen und wahrscheinlich auch zur Errichtung von Vernichtungszentren. Anfang November 1941 begann man mit der Errichtung des ersten Vernichtungslagers Belzec in Ostpolen,.
Auf Einladung des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich fand am 20. Januar 1942 die sog. Wannsee-Konferenz in Berlin statt. 15 hohe Behördenvertreter u.a. besprachen die Zusammenarbeit ihrer Behörden bei der Ermordung aller europäischen Juden in den eroberten Gebieten in Mittelost- und Ost-Europa. Der Vertreter des „Generalgouvernements“ war mit den Plänen zum Völkermord an 11 Millionen Menschen einverstanden und begrüßte es, „wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde“.
Mitte März 1942 begann eine weitere Deportationswelle aus dem Westen. Betroffen hiervon waren auch die jüdischen Bürger von Koblenz und Umgebung. Sie waren bereits wirtschaftlich, sozial und kulturell ausgegrenzt, in sog. Judenhäusern konzentriert und mit dem „Judenstern“ stigmatisiert. Sie wurden in Listen aufgeführt und kurz vorher über ihre – wie es hieß - „Evakuierung nach dem Osten“ benachrichtigt.
337 heute namentlich bekannte Juden (und ein 3 – 4 Monate altes Baby) aus der Stadt und dem damaligen Kreis Koblenz mussten sich in der Turnhalle in der Steinstraße einfinden. Um 14.00 Uhr – zur besten Spaziergehzeit – trieb die Gestapo die jüdischen Nachbarn vor den Augen aller, die es sehen wollten, durch die Steinstraße, dann die Mosel entlang, am jüdischen Friedhof vorbei, über die Balduinbrücke zum Güterbahnhof Lützel zum damaligen Eingang Mayener Straße.
Die Menschen, Männer, Frauen und Kinder pferchte man in Personenwagen 4. Klasse. Drei oder vier Tage später erreichten diejenigen von ihnen, die die Strapazen des Transportes überlebten, den Zielort: das polnische Dorf Izbica bei Lublin im besetzten „Generalgouvernement“ an der Bahnlinie Warschau-Lublin-Lemberg (heute: Lwiw in der Ukraine). Es war zum ganz überwiegenden Teil von polnischen Juden bewohnt. Kurz zuvor hatten Gestapo- und SS-Männer bei einer großen Razzia über 2.200 von ihnen zusammengetrieben, auf dem Bahnhof in Güterwaggons verladen und zum Tod mit Motorabgasen in das erst kurz zuvor in Betrieb genommene Vernichtungslager Belzec verschleppt. Sie mussten den aus dem Westen eintreffenden Juden Platz machen. Bis Anfang April 1942 kamen ungefähr 4.000 „Reichsjuden“ nach Izbica.
Für die aus dem Westen verschleppten Menschen war nicht nur der Transport, sondern auch das Ankommen in dem sehr provinziellen, armen und von überkommenen Traditionen geprägten ostpolnischen Dorf ein Schock. Sie waren zum ganz überwiegenden Teil – wie gerade auch die aus Koblenz und Umgebung Deportierten – voll assimiliert und teilweise zum Christentum übergetreten. In Ostpolen kamen sie in eine ihnen völlig fremde Umgebung, in der sie auf engstem Raum mit den ihnen in vielerlei Hinsicht fremden Menschen überleben mussten.
Ihr weiteres Schicksal ist im Einzelnen nicht bekannt. Soweit sie überhaupt die katastrophalen Lebensumstände in dem „Durchgangsghetto“ aushalten konnten, von den SS-Leuten im Ort nicht willkürlich erschossen und bei der Typhusepidemie im Sommer nicht starben, wurden sie am 19. Oktober und Anfang November 1942 nach Belzec und in das weitere inzwischen errichtete Vernichtungslager Sobibor verschleppt und dort mit Gas ermordet.
Der 1. Deportation am 22. März 1942 von Koblenz aus folgten weitere: die 2. am 30. April 1942 mit 105 Menschen fast ausschließlich aus der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn in einen Nachbarort von Izbica, Krasniczyn, die 3. am 15. Juni 1942 mit 342 Personen, ebenfalls vor allem Patienten aus Bendorf-Sayn, unmittelbar in das Vernichtungslager Sobibor und die 4. am 27. Juli 1942 mit 79 meist alten Menschen in das Konzentrationslager Theresienstadt.
Danach wurden noch einzelne jüdische Koblenzer von hier aus oder aus anderen Orten, in die sie ausgewichen oder geflohen waren, „nach dem Osten“ deportiert und ermordet.
Fotos von oben nach unten:
1)Umrandung des Schlackefeldes mit den Herkunftsorten der nach Belzec Deportierten (Foto: privat)
2)Die Bahnstation des ehemaligen Vernichtungslagers Sobibor, heute (Foto: gemeinfrei)
3)Familie Leo und Johanna Hermann mit ihrer Tochter Hannelore (Opfer der 1. Deportation) und den beiden Söhnen (Foto: privat)
4)Die Reste des Vernichtungslagers Belzec, um 1945 (Foto: gemeinfrei)
Lesen Sie auch die Vorberichte zu den Veranstaltungen:
Hier im Blick aktuell – Ausgabe Koblenz – Nr. 3/2017 vom 19. Januar 2017,
Hier in der Rhein-Zeitung vom 21. Januar 2017
und im Koblenzer LokalAnzeiger „Schängel“ vom 25. Januar 2017