Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Justizstaatssekretärin Beate Reich würdigt die Arbeit des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V.

Am 10. November 2006 fand erstmals in der 60jährigen Geschichte der rheinland-pfälzischen Justiz eine landeseigene, justizinterne Tagung zur NS-Justiz mit dem Titel statt: „Justiz und Recht im Dritten Reich“. Zustande kam die ganztägige Tagung im Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz auf Initiative des stellvertretenden Vorsitzenden des Fördervereins Mahnmal Koblenz e.V., der als Richter am Oberverwaltungsgericht tätig ist. Diese Idee fand von Anfang an Unterstützung bei der neuen Spitze des rheinland-pfälzischen Justizministeriums.
Zur Tagung begrüßte Frau Staatssekretärin Reich in Vertretung des verhinderten Justizministers über 30 Richter und Staatsanwälte sowie Rechtsanwälte aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz. In ihrer Rede, in der sie die Teilnehmer ermunterte, die Justizgeschichte der Region kritisch aufzuklären, führte sie u.a. aus:
„Die Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel unserer Justizgeschichte, nämlich des verhängnisvollen Wirkens von Richtern und Staatsanwälten im Dritten Reich, ist eine schmerzvolle und gleichzeitig fundamental wichtige Herausforderung für die Justiz von heute. Auch wenn unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften heute fest auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung stehen, so halte ich es für unerlässlich, uns mit dem Versagen vieler Verantwortungsträger in der Justiz während der unheilvollen Zeit des NS-Regimes auseinander zu setzen.
Die schonungslose Aufklärung unserer eigenen Geschichte ist vor allem deshalb so wichtig, weil gerade die Justiz von jeher als Wahrerin des Rechts verstanden und angesehen wurde. Richtern und Staatsanwälten sind vom Gemeinwesen besondere Autorität und Machtbefugnisse verliehen. Sie sind daher auch in besonderer Weise aufgerufen, mit dieser Macht verantwortungsvoll, transparent und dienend umzugehen“, betonte die Staatssekretärin. Die justizgeschichtliche Forschung habe zwischenzeitlich mit großem Engagement und Mut viel Licht in diese dunklen Ecken der Geschichte gebracht. Auch in Rheinland-Pfalz sei viel im Bereich der Gedenk- und Erinnerungsarbeit getan worden, so Reich weiter. Die Staatssekretärin hob die Aufklärung durch den Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit im heutigen Rheinland-Pfalz stellvertretend für viele zeitgeschichtliche Initiativen hervor und dankte besonders Herrn Richter am Oberverwaltungsgericht Joachim Hennig für sein unermüdliches Engagement in diesem Bereich.
„Schuld ist immer eine persönliche Kategorie: Sie ist geknüpft an individuelles Entscheiden und Handeln und Folge individuellen Versagens. Es ist daher unerlässlich und höchst aufschlussreich, sich den Biografien der Täter zuzuwenden, sie zu erforschen. Genauso wichtig ist es, die Geschichte der Opfer aufzuzeigen, ihre Schicksale bekannt zu machen und zu würdigen. Es sind immer individuelle Menschen, denen Unrecht geschah, deren Lebensentwürfe zerstört und deren einmalige Existenz unwiederbringlich vernichtet wurde“, so Reich.
Die Staatssekretärin unterstrich die Bedeutung justizinterner Fortbildungen zum Thema NS-Justiz und zeigte sich erfreut, dass in Koblenz eine wichtige Ergänzung und Vertiefung der entsprechenden Veranstaltungen der Deutschen Richterakademie angeboten würde. Sie ermutigte die Teilnehmer zur offenen und kritischen Auseinandersetzung und betonte abschließend: „Der kritische Blick auf den politischen Kontext, in dem wir als Juristinnen und Juristen arbeiten, darf uns nie verloren gehen.“
Justizrat Dr. Norbert Westenberger, Präsident der mitveranstaltenden Rechtsanwaltskammer beim Oberlandesgericht Koblenz, sprach ein Grußwort an die Teilnehmer und zeigte sich sehr erfreut, dass auch in Koblenz wie inzwischen an zahlreichen anderen Orten Deutschlands die Schicksale jüdischer Juristen, insbesondere jüdischer Rechtsanwälte, erforscht und dokumentiert würden.
Anschließend fand die ganztägige Tagung im großen Sitzungssaal des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz statt. Themen waren u.a.: Die Demontage des Rechtsstaats, Erbgesundheitsgerichte und Euthanasieaktion T 4, Sondergerichte und Volksgerichtshof sowie die Biografie der jüdischen Juristenfamilie Brasch. Referenten waren neben Joachim Hennig die Dres. Wolfgang Stein und Jost Hausmann, beides Archivare beim Landeshauptarchiv in Koblenz. Abgerundet wurde die Veranstaltung mit der Vorführung zweier Filme, einem Stadtrundgang sowie einer Ausstellung des Fördervereins Mahnmal Koblenz e.V. über Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung mit Justizhintergrund. Beigetragen zum Erfolg der Tagung haben auch andere Mitarbeiter des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Wegen der ausgesprochen guten Resonanz der Veranstaltung erwägt das Justizministerium eine weitere Tagung dieser Art im südlichen Rheinland-Pfalz, etwa in der Gedenkstätte KZ Osthofen.
Einen Eindruck von der Tagung und der Ausstellung des Fördervereins Mahnmal Koblenz vermitteln auch die Fotos, die vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt wurden: