Vorträge im Haus der Jugend in Montabaur über Opfer des Nationalsozialismus aus der Region.
Im März und April 2006 hatte das Haus der Jugend Montabaur (Gelbachstraße 9, 56410 Montabaur) einen Themenschwerpunkt zu Opfern des Nationalsozialismus.
Dargestellt wurden Biografien aus der Region des Unterwesterwaldes. Die dreiteilige Reihe begann am Dienstag, den 14. März 2006, mit einem Vortrag von Rolf Knieper, Koblenz, zum Thema: "Alfons und Alfred Knieper - Kommunistischer Widerstand im Kannenbäckerland". Der Enkel des im Jahre 1902 in Höhr-Grenzhausen geborenen Alfons Knieper porträtierte dabei seinen Großvater, der schon in jungen Jahren aus den Erfahrungen seiner Arbeitswelt Kommunist geworden und in der NS-Zeit schwersten Verfolgungen ausgesetzt war. So musste er nicht nur eine längere Gefängnisstrafe verbüßen, sondern war auch wiederholt in "Schutzhaft". Allein von September 1939 bis zur Befreiung am 11. April 1945 hatten die Nazis ihn im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Zur gleichen Zeit war auch Alfons Bruder Alfred "Schutzhäftling" im KZ Buchenwald. Nach der Befreiung engagierte sich Alfred Knieper wieder für die KPD und für die Verfolgten des Naziregimes (im VVN). Er wurde Regierungsvizepräsident von Montabaur. Als er vor die Wahl gestellt wurde, aus dem öffentlichen Dienst entlassen zu werden oder seine Tätigkeit und seine Mitgliedschaft bei der KPD aufzugeben, entschied er sich für letzteres.
Der zweite Abend am Dienstag, dem 28. März 2006, stand im Zeichen Heinrich Roths. Im Gespräch mit unserem stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Hennig erzählte der Schwiegersohn Heinrich Roths, Herr Tiziani, aus dem Leben dieses früher weit über Montabaur bekannten Mannes.In Holler1889 geboren arbeitete sich Heinrich Roth hoch, trat früh in die christliche Gewerkschaftsbewegung ein und wurde als Mitglied der Zentrumspartei bereits 1924 Mitglied des Deutschen Reichstages.1926 wählte man ihn zum Bürgermeister von Montabaur. Aus diesem von ihm mit Leib und Seele ausgefüllten Amt wurde er von den Nazis kurz nach der sog. Machtergreifung vertrieben. Dabei kam er zum ersten Mal vorübergehend in "Schutzhaft". Seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sicherte er dann jahrelang als Vertreter sowie mit eigenen Ersparnissen und mit einem Bankkredit. Im Zuge des 20. Juli 1944 kam Heinrich Roth - wie einige tausend frühere Abgeordnete auch - im Rahmen der "Aktion Gewitter" erneut in "Schutzhaft". Nach einigen Wochen ließ man ihn wieder frei. Noch 1945 wurde Roth (inzwischen Mitglied der CDU) zunächst Bürgermeister von Montabaur, dann Landrat des Unterwesterwaldkreises und schließlich Landrat des Kreises St. Goar. Schon wenige Monate nach seinem Eintritt in den Ruhestand starb Heinrich Roth im Jahre 1955.
Am dritten Abend, am Dienstag, dem 4. April 2006, berichtete Dr. Heinz Kahn aus seinem Leben. Als Zeitzeuge des Völkermordes an den Juden Europas und einziger Überlebender seiner Familie schilderte er jüdisches Leben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere die Verfolgung durch die Nazis. Heinz Kahn kam 1922 in Hermeskeil bei Trier zur Welt. Sein Vater war dort Tierarzt, er hatte am I. Weltkrieg teilgenommen und wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet. Der Sohn Heinz verlebte mit seiner jüngeren Schwester eine unbeschwerte Kindheit. Die Situation änderte sich für ihn und die Familie aber schon bald nach der sog. Machtergreifung der Nazis. Heinz Kahn musste seinen Schulbesuch beenden und fing notgedrungen mit einer Lehre an. Da er aber sehr geschickt und klug war, war er schon bald an verschiedenen Arbeitsstellen ein geschätzter Mitarbeiter. 1938 erlebte er am eigenen Leib die Pogrome an den Juden (sog. Reichspogromnacht am 9./10. November 1938). Immer mehr wurden die Juden ausgegrenzt, diskriminiert und verfolgt. 1942 kam die ganze Familie Kahn zusammen mit anderen Juden "auf Transport" nach Auschwitz. An der berüchtigten Rampe des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau sah Heinz kam seinen Vater, seine Mutter und seine Schwester zum letzten Mal. Er kam zur Arbeit und konnte so mit sehr viel Glück und Geschick überleben. Zuletzt verschleppte man ihn noch ins KZ Buchenwald. Dort wurde er am 11. April 1945 befreit. Nach dem Krieg holte Heinz Kahn im Alter von 23 Jahren die Schulausbildung nach, machte Abitur, studierte Tiermedizin und ließ sich als Tierarzt nieder. Seitdem lebt er mit seiner Frau, die mit ihrer Familie ins KZ Theresienstadt verschleppt wurde und dort den Holocaust überlebt hat, in Polch bei Mayen. Auch heute noch - nach mehr als 50 Jahren - praktiziert Dr. Kahn als Tierarzt. Seit 1987 ist er Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde in Koblenz. 2005 erhielt Dr. Heinz Kahn aus der Hand von Ministerpräsident Kurt Beck das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Während der Veranstaltungsreihe zeigte das Haus der Jugend eine Ausstellung des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung mit Biografien der zuvor Porträtierten wie auch von Kindern und Jugendlichen aus der Region, die ebenfalls Opfer des Nationalsozialismus waren.
Aktionswochen der Fachhochschule Koblenz Ende Juni 2006.
Ab dem 20. Juni 2006 veranstaltete der AStA der Fachhochschule Koblenz Aktionswochen unter dem Motto „Der (Neo-)Faschismus in Deutschland“. Daran beteiligt war auch unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig. In drei Beiträgen – dem Vortrag „Warum heißt die Hoevelstraße eigentlich so?“, der Vorführung des Films „Nackt unter Wölfen“ und dem Vortrag über die Koblenzer Sinti, insbesondere Daweli Reinhardt – informierte Hennig über ein Stück politischer Heimatgeschichte.
Heimatgeschichte war es deshalb, weil die „Hoevelstraße“ eine Straße in Koblenz ist, sie liegt im Stadtteil Metternich. Und gerade „politische“ Heimatgeschichte ist es, weil die Straße nach zwei hier in Koblenz während des Zweiten Weltkrieges lebenden Menschen, den Eheleuten Anneliese und Andreas (André) Hoevel, benannt wurde. Diese wurden, weil sie Kommunisten waren und es während der Nazi-Diktatur auch blieben, hier in Koblenz verhaftet und später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Eheleute Hoevel stehen beispielhaft für diejenigen Deutschen aber auch vielen Ausländern, die sich dem Nationalsozialismus widersetzten und deshalb verfolgt und ermordet wurden. Männer und Frauen – und selbst Jugendliche - aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern protestierten gegen die NS-Diktatur. Gruppen wie die „Rote Kapelle“, der „Solf-Kreis“ oder der „Kreisauer Kreis“, Kommunisten, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, bekennende Christen und bürgerliche Intellektuelle, aber auch viele Einzelne, die einfach nur „anständige“ Deutsche sein wollten, widersetzten sich dem Unrechtsregime.
Eine Hommage an André Hoevel ist der Roman „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz und auch der gleichnamige Film, der nach diesem Roman entstanden ist. Beide, Roman und Film, ist mit Einschränkungen authentisch. Sie schildern, wie in den letzten Monaten des Konzentrationslagers Buchenwald ein kleiner jüdischer polnischer Junge dorthin illegal verschleppt und von politischen Häftlingen, vor allem von dem Kapo der Effektenkammer, unter Einsatz ihres Lebens versteckt und dann auch gerettet wird. Dieses authentische Geschehen verbindet Bruno Apitz nun mit Kameraden, die ihm während seiner langjährigen KZ-Haft besonders nahestanden. In dem Text, den Apitz seinem Roman voranstellte, heißt es dazu: „Ich grüße mit dem Buch unsere toten Kampfgenossen aller Nationen, die wir auf unserem opferreichen Weg im Lager Buchenwald zurücklassen mussten. Sie zu ehren, gab ich vielen Gestalten des Buches ihre Namen.“ Einer von ihnen ist die Hauptfigur des Romans und Films, der Kapo der Effektenkammer. Sein Name ist André Hoevel. André Hoevel, der mit Bruno Apitz von November 1937 bis Weihnachten 1938 zusammen im KZ Buchenwald einsaß und tatsächlich auch Kapo der Effektenkammer dort war. Auf seine Romanfigur André Hoevel angesprochen, sagte Apitz einmal: „Der wirkliche Höfel hatte mit dem Kind gar nichts zu tun. Ich habe nur den Namen Höfel verwendet. Im Buch ist Höfel auch nicht der wirkliche Höfel. Denn er war, bevor die Geschichte mit dem Kind im Lager stattfand, längst tot. Höfel ist hingerichtet worden.“
In seiner dritten Veranstaltung erzählte Hennig die Geschichte der „Zigeuner“ im 20. Jahrhundert in Koblenz und dabei insbesondere die Lebensgeschichte des Koblenzer Sinto Daweli Reinhardt. Der 1932 geborene Daweli kam mit seinen Eltern und Geschwistern noch im selben Jahr nach Koblenz. Die Nazis deportierten ihn und seine Familie am 10. März 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Daweli überlebte mehrere Konzentrationslager und auch den „Todesmarsch“ aus dem KZ Sachsenhausen. Nach dem Krieg war er vor allem Musiker und zusammen mit Schnuckenack Reimnhardt Mitbegründer des Schnuckenack-Reinhardt-Quintetts. Daweli ist vielfacher Vater und Großvater. Fast alle seiner zahlreichen Söhne und Enkelsöhne haben von ihm das Gitarrenspiel gelernt.