Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Die Ausstellung beim „Zug der Erinnerung“ mit einem eigenen regionalen Teil.

Seit dem Jahr 2007 fährt der „Zug der Erinnerung“ auf Bahnstrecken durch ganz Deutschland und präsentiert auf ausgewählten Bahnhöfen in zwei Wagen der Bahn eine mobile Ausstellung. In dieser Ausstellung auf Rädern sind die Biografien von deutschen und ausländischen Kindern und Jugendlichen zu sehen, die in der NS-Zeit Verfolgung erlitten.

Lesen Sie HIER den Flyer zur Ausstellung.

Anfang 2009 war der „Zug der Erinnerung“ wieder auf der Reise durch Deutschland. Anfang März begann er seine Fahrt in Bonn. Seine zweite Station war vom 6. bis 8. März Koblenz.

Lesen Sie hier die Vorberichte in der örtlichen Presse:

In der Rhein-Zeitung vom 17. Februar 2009

und in Super Sonntag vom 1. März 2009

 

Der Zug erinnerte an die Schicksale der Kinder und Jugendlichen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden. Für Deutschland konnten bisher mehr als 12.000 Namen ermittelt werden, insgesamt waren es ungefähr 1,5 Millionen junge Menschen. Der Zug der Erinnerung wollte dieser vielen namenlosen Opfer des Nazis gedenken und nach ihren Spuren suchen – in ihren Heimatstädten.

Eine Dampflok zieht die Waggons mit der Ausstellung durch viele Städte. Die Stationen in Rheinland-Pfalz waren: Koblenz, Mainz, Worms, Ludwigshafen und Speyer. Dann fuhr der Zug weiter durch Baden-Württemberg. Sein Ziel war Ende Mai/Anfang Juni 2009 erreicht: Oswiecim-Auschwitz.

In der Ausstellung wurde die Dimension der NS-Verbrechen deutlich gemacht. Schon im Eingangsbereich hing eine Karte von Europa, die für die einzelnen Länder die Zahlen ihrer Opfer nannte.

In den einzelnen Abteilen des ersten Wagens wurden Kinderschicksale dargestellt. Gezeigt wurden Fotos, die aus Familienalben stammen könnten: Fröhliche Kinder lachten den Besucher an – doch ihr Leben wurde ausgelöscht. Zu sehen waren deutsche Kinder, aber auch Kinder aus europäischen Ländern: aus Holland, Italien, Griechenland, Norwegen und Polen. Vornehmlich waren es jüdische Kinder, aber auch Sinti- und Roma-Kinder und Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen. Im zweiten Waggon wurde der Besucher mit den Tätern konfrontiert.

Doch die Täter hatten nicht das letzte Wort. Der allgemeine Teil der Ausstellung endeten mit den Überlebenden dieses millionenfachen Mordes: den Menschen, die sich in die „Displaced Persons“ (DP)-Lager retteten und nach ihren noch lebenden Angehörigen suchten und die trotz aller Verfolgung, Schändung und Demütigung einen Neuanfang suchten und fanden.

Ebenfalls im zweiten Waggon war den jungen NS-Opfern aus Koblenz und Umgebung ein eigener Bereich gewidmet. Dort zeigte unser Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V. insgesamt 16 Schicksale von Kindern und Jugendlichen – Deutschen und Ausländern, Juden, Sinti und anderen Opfern. Dokumentiert wurden:

 

1. Heinz Kahn (jüdischer junger Mann aus Hermeskeil, lebt seit Jahrzehnten in Polch)

2. Daweli Reinhardt (Sinto-Kind aus Koblenz)

3. Gertrud Roos (junge Frau aus Bendorf)

4. Willi Lohner und Clemens Wagner (junge Katholiken aus Bell/Andernach)

5. Maria K. (Zwangssterilisierte junge Frau aus der Nähe von Ahrweiler)

6. Hannelore Hermann (jüdisches Mädchen aus Koblenz)

7. Hans Blumensatt  (junger „Swinger“ aus Lahnstein)

8. Willy und Horst Strauß  (Kinder eines Juden aus Bad Ems)

9. Roger Detournay (junger französischer Widerständler, war Häftling im KZ-Außenlager in Dernau/Ahr)

10. Eva Salier, geb. Hellendag (jüdisches Mädchen aus Koblenz-Horchheim)

11. Michael Böhmer (Sinto-Kind aus Koblenz)

12. Lydia Gritschenko (ukrainische Zwangsarbeiterin, lebte in Koblenz)

13. Alois Gass („Euthanasie“-Opfer aus Koblenz)

14. Edgar Lohner (Junge der „Bündischen Jugend“ aus Andernach/Bonn)

15. Warwara T. (ukrainische Zwangsarbeiterin, lebte in Koblenz)

16. Addi Bernd (jüdischer junger Mann aus Koblenz)

Außerdem gab es vor Ort weitere Informationen durch „Lesemappen“ und durch eine Recherchestation.

Trotz aller Behinderungen, Schikanen durch die Deutsche Bahn AG und ihre Tochterunternehmen sowie empörend hohen Nutzungsentgelten, die die Bürgerinitiative „Zug der Erinnerung“ immer wieder erfahren muss, war der „Zug der Erinnerung“ ein großer Erfolg. Auf seinen bisherigen Fahrten durch 70 deutsche Städte hatten die Ausstellung über 240.000 Besucher, darunter mehrere zehntausend Schülerinnen und Schüler, gesehen.

Lesen Sie HIER das Programm und Beiprogramm für den Aufenthalt des Zuges in Koblenz.

In Koblenz traf der Zug am Freitagmorgen, dem 6. März 2009, auf dem Hauptbahnhof ein. Dort wurde er um 10.00 Uhr begrüßt. Die Ausstellung war bis Freitag bis 19.00 Uhr geöffnet. Am Samstag und am Sonntag war die Ausstellung von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet.

Unmittelbar vor dem Besuch der Ausstellung geben pädagogische Zugbegleiter etwa 15-minütige Einführungen. Auch für den regionalen Teil der Ausstellung standen Ansprechpartner unseres Fördervereins bereit.

In Ergänzung der Ausstellung bot unser Förderverein in Kooperation mit der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, dem Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz und der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz folgendes Begleitprogramm an:

 

Donnerstag, den 5. März 2009:

Zeitzeugengespräch mit Herrn Dr. Heinz Kahn

Heinz Kahn ist der einzige seiner Familie, der den Holocaust überlebt hat. 1922 in Hermeskeil geboren, wurde er schon in der Schule diskriminiert. 1936 musste er sie verlassen, damit sie „judenrein“ wurde. Anfang 1943 wurde er von Trier aus im Viehwaggon ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Auf der Selektionsrampe des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sah er seine Eltern und seine Schwester zum letzten Mal. Heinz kam zur Zwangsarbeit. Als die Nazis Auschwitz räumen mussten, verschleppten sie ihn ins KZ Buchenwald. Nach der Befreiung machte er sein Abitur nach, studierte Tiermedizin und ließ sich in Polch als Tierarzt nieder. Seit 1987 ist Dr. Heinz Kahn Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde in Koblenz.

 

Freitag, den 6. März 2009:

Film: Das Heimweh des Walerjan Wrobel

Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen wird der 16 Jahre alte polnische Junge Walerjan Wrobel zur Zwangsarbeit in Deutschland bestimmt. Walerjan muss seine Familie und seine Heimat verlassen und kommt als Hilfsarbeiter auf einen Bauernhof in Bremen. Die Zwangsarbeit und die Trennung von Familie und Heimat setzen ihm sehr zu. Krank vor Heimweh legt er in einer Scheune Feuer. Dadurch hofft er, nach Polen zurückgeschickt zu werden. Stattdessen wird er festgenommen. Die Gestapo verschleppt ihn in das KZ Neuengamme bei Hamburg. Unterdessen macht man ihm den Prozess. Walerjan Wrobel wird vom Sondergericht Bremen zum Tode verurteilt und mit dem Fallbeil hingerichtet. – Der Film entstand nach dem gleichnamigen Roman von C.U. Schminck-Gustavus und wurde vielfach ausgezeichnet.

 

Samstag, den 7. März 2009:

Zeitzeugengespräch mit Herrn Werner Appel

Der heute 80-jährige Werner Appel ist ein waschechter Schängel. Als er 1928 in Koblenz zur Welt kam, lebte seine Familie schon länger in Koblenz; seine Eltern betrieben im Kastorhof eine Fremdenpension. Sein Vater, der Jude war und dem sich der kleine Werner schon früh anschloss, wurde von den Nazis drangsaliert, bis er 1936 starb. Zwei Jahre später musste Werner die Schule verlassen. Mit Tellerwaschen auf der „Köln-Düsseldorfer“ trug er zum Lebensunterhalt für seine Familie und sich selbst bei. Vor der drohenden Verfolgung nahm sich der Koblenzer Theo Ehrhardt seiner an. Werner zog mit den Schaustellern von Ort zu Ort wurde so vor der Entdeckung, der Deportation und dem sicheren Tod bewahrt.

 

Und am Sonntag, dem 8. März 2009:


Einführung und Lesung: „Daweli Reinhardt/Joachim Hennig: Hundert Jahre Musik der Reinhardts – Daweli erzählt sein Leben“ – mit Musik

Joachim Hennig, Mit-Autor der Biografie über den Koblenzer Sinto Daweli Reinhardt, berichtet von der Verfolgung der Sinti und liest aus seinem Buch. Dawelis Sohn Django erzählt von dem Leben der Koblenzer Sinti in den letzten Jahrzehnten. Dawelis Enkel begleiten die Veranstaltung mit Musik.

 

13.00 Uhr

Film: Zeitzeugengespräch mit Dr. Heinz Kahn

 

15.00 Uhr

Film: Wenn die Berge reden könnten. Die Tunnelanlagen von Dernau.

Der Film begleitet den ehemaligen französischen Widerstandskämpfer Roger Detournay 60 Jahre danach zum Ort des früheren KZ-Außenlagers „Rebstock“ bei Dernau/Ahr.

 

17.00 Uhr

Film: Das Heimweh des Walerjan Wrobel

 

19.00 Uhr

Film: Zeitzeugengespräch mit Dr. Heinz Kahn

Der Zug der Erinnerung löste auf dem Hauptbahnhof in Koblenz einen wahren Besucheransturm aus. Die Resonanz war an allen drei Tagen überwältigend. Nicht nur am ersten Tag, einem Freitag, gab es durch die Schülerinnen und Schüler einen Besucheransturm. Nein, das Interesse setzte sich nach Schulschluss am Freitagnachmittag und insbesondere dann am Samstag und am Sonntag fort. Mehr als 6.000 Besucher sahen in Koblenz den „Zug der Erinnerung“. Besonders erfreulich war das Interesse junger Erwachsener und junger Familien - von Menschen, die die Gedenkarbeit in Koblenz sonst nicht so erreicht. Am Sonntag warteten mehr als 2.500 Menschen geduldig oft länger als zwei Stunden, um in den Zug eingelassen zu werden. Kurz nach 16.00 Uhr ging dann aber nichts mehr: Die für den Zug Verantwortliche empfahl den Dazukommenden, sich nicht mehr anzustellen. Denn voraussichtlich hatten sie keine Gelegenheit mehr, die Ausstellung zu sehen. Um 19.30 Uhr waren dann noch die letzten, zahlreiche Besucher im Zug, ehe er um 20.00 Uhr Koblenz in Richtung Mainz verließ.

Auch die Resonanz dieses Ereignisses in der Presse war sehr groß.

Lesen Sie dazu die Berichte von der Eröffnung der Ausstellung:

HIER in der Rhein-Zeitung vom 7. März 2009

und „Blick aktuell“ vom 14. März 2009

sowie die Rhein-Zeitung mit zwei Berichten vom 10. März 2009.