Kontakt zu Le Vernet
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung der virtuellen Ausstellung „Hugo Salzmann (1903 – 1979): Kommunist – Gewerkschafter – Künstler aus Bad Kreuznach“, die seit dem 18. November 2012 auf dieser Homepage zu sehen ist, haben Julianna Salzmann und Joachim Hennig Kontakt zur Lagergemeinschaft von Le Vernet, der Amicale, und speziell zu derem Vorsitzenden Raymond Cubells geknüpft. Anlass hierfür war, dass Hugo Salzmann nach seiner Flucht nach Frankreich und seiner Internierung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von Mitte Oktober 1939 bis Anfang Oktober 1941 in dem Lager Le Vernet in Südfrankreich, am Fuße der Pyrenäen interniert war (und von dort aus der deutschen Gestapo ausgeliefert wurde). Schon zu seinen Lebzeiten hatte Hugo Salzmann den Kontakt zu der Amicale aufgenommen, war deren Mitglied und hatte Le Vernet und ein Vorstandsmitglied dort besucht. Inzwischen hat seine Tochter Julianna den Kontakt nach Le Vernet selbst aufgenommen. Das Medium Internet macht heutzutage das ohne Weiteres möglich.
Dieser Kontakt und die Beziehung von Hugo Salzmann zu Le Vernet wie auch anderer Widerstandskämpfer aus dem Koblenzer Raum zu diesem Lager haben uns vom Förderverein jetzt veranlasst, hierüber und auch auf Französisch auf unserer Homepage zu berichten. Dazu haben wir eine Französin gewinnen können, Frau Marie-Odile Ronez, die die Texte übersetzt.
Beginnen möchten wir hier mit einem Text des Vorsitzenden der *Amicale Raymond Cubells.(Näheres zur Amicale am Ende des Beitrags). Er beschäftigt sich mit der Frage, ob das Lager Le Vernet ein Konzentrationslager war. Mit seiner ausdrücklichen Genehmigung wird der Text zunächst hier in der deutschen Übersetzung und dann im französischen Original präsentiert.
In der Folgezeit wollen wir weitere Texte auf Deutsch und auf Französisch hier wiedergeben. Zunächst werden es Biografien von NS-Opfern aus Koblenz und Umgebung sein, die nach Frankreich emigrieren mussten und dann dort zum überwiegenden Teil ebenfalls interniert waren.
Wir hoffen sehr, dass wir mit diesem Thema und der gemeinsamen Wiedergabe deutscher und französischer Texte einen kleinen, aber interessanten und ausbaufähigen Beitrag zur grenzüberschreitenden Gedenkarbeit in Deutschland und Frankreich leisten können.
Contact avec Le Vernet
C’est dans le contexte de l’élaboration de l’exposition virtuelle « Hugo Salzmann » (1903-1979) : Communiste-Syndicaliste-Artiste originaire de Bad-Kreuznach, que l’ont peut consulter sur la page d’accueil depuis le 18 novembre 2012, que Julianna Salzmann et Joachim Hennig ont pris contact avec l’amicale du Vernet, et en particulier avec son président M. Raymond Cubells. La raison de cette prise de contact vient de ce que Hugo Salzmann, après avoir fuit en France et avoir été interné au début de la deuxième guerre mondiale, a été interné au Camp du Vernet d’Ariège dans le Sud de la France, aux pieds des Pyrénées (d’où il fut livré à la Gestapo), de mi-octobre 1939 à début octobre 1941. Déjà de son vivant, Hugo Salzmann avait pris contact avec l’amicale du Vernet, en était devenu membre, était retourné au camp et avait rendu visite à un membre du comité directeur. Entre temps, sa fille Julianna a repris elle-même le contact. Ce qui, grâce à l’internet ne pose aucune difficulté de nos jours.
Ce contact, la relation entre Hugo Salzmann et le Vernet, ainsi qu’avec d’autres résistants de la région de Coblence, nous ont amené (nous, de l’association) à mettre les textes également en Français sur notre page d’accueil. Pour ce faire nous avons pu gagner la participation de madame Marie-Odile Ronez, qui en fait la traduction.
Nous commençons par un texte du président de l’amicale M. Raymond Cubells. Il traite de l’utilisation du terme « camp de concentration » pour le camp du Vernet d’Ariège. C’est avec son autorisation explicite que nous présentons d’abord le texte en allemand, puis dans sa version française d’origine.
Nous avons l’intention de présenter d’autres textes en allemand et en français. Il s’agira tout d’abord de biographies de victimes du nazisme, originaires de Coblence et des environs, qui durent émigrer en France, où la plupart, furent par la suite également internées.
Nous espérons qu’avec ce sujet, et la diffusion des textes en allemand et en français, nous pourrons contribuer de façon modeste, mais intéressante et prometteuse, à un travail de mémoire et de souvenir, dépassant les frontières, tant en Allemagne qu’en France.
Ein Konzentrationslager in Le Vernet
von Raymond Cubells
Ein Konzentrationslager in Le Vernet? Im Departement Ariège? Während der III. Republik eingerichtet? Wo unerwünschte Ausländer absolut willkürlich interniert wurden? Wurden mindestens 4.679 verschleppt? Wurden jüdische Familien, die in den Departements Ariège und Gers waren, inhaftiert und übergangsweise in Le Vernet untergebracht?
JA ! Das alles hat zwischen 1939 und 1944 in Le Vernet, im Departement Ariège stattgefunden.
Das zeigt ein wahrer Einblick in der Geschichte des französischen Konzentrationslagers in Le Vernet im Departement Ariège.
Der Freundschaftskreis ehemaliger Gefangener (politisch Verfolgter und Widerstandskämpfer) im KZ von Le Vernet im Departement Ariège hat sich als Ziel gesetzt, die Wahrheit über die Geschichte des KZ von Le Vernet zu verteidigen. Er (Der Freundschaftskreis, Erg. d. Ü.) wird dieses Ziel nicht aufgeben. Wir sind ständig auf der Suche nach dem, was in diesem französischen KZ-Lager zwischen 1939 und 1944 passiert ist. So unterhalten wir Kontakte mit Überlebenden, ehemaligen Inhaftierten und deren Familien, mit Forschern, Studenten, Archivaren, Künstlern … schließlich mit jedem, der an besserer historischer Kenntnis dieser Zeit mitwirken möchte. Unsere Arbeit wird ständig weiter entwickelt. Jedes Mal wenn es nötig ist, wird unser Wissen aktualisiert, bevor wir die neuen Erkenntnisse weiter verbreiten.
Neulich stellten wir fest, dass der Begriff „Konzentrationslager“ von bestimmten Kreisen nicht anerkannt wird, weil das damit gekoppelte Bild zu negativ sei. Der Begriff „rutscht“ auf der semantischen Ebene und wird durch den milderen Begriff „Internierungslager“ ersetzt. Mit anderen Worten, der Begriff wird den „Nazis“ zugeschrieben, was eine Gleichsetzung verhindert.
Wir sind mit dieser Entschärfung der Geschichte nicht einverstanden.
Die Beschäftigung mit diesem dunklen Kapitel sollte ernsthaft betrieben werden, und sich auf Archivdokumente, Aussagen von Zeitzeugen, aus der Zeit verfassten Schriftstücke sowie Zeichnungen, Bilder, Gravuren und Skulpturen, die zur Zeit der Internierung oder danach von den Künstlern angefertigt wurden, stützen. Dies tun wir regelmäßig durch unsere Veranstaltungen, Ausstellungen oder Vorträge, die wir der Öffentlichkeit bieten.
Hier ist also die Chronik dieses Lagers, das sich auf die Internierung „unerwünschter Ausländer“ spezialisiert hatte.
Zwischen Februar 1939 und dem 30. Juni 1944 wurden ausländische Männer in einem Konzentrationslager im Ort Le Vernet im Departement Ariège inhaftiert. Sie waren Opfer einer „verwaltungstechnischen“ Inhaftierung. Das bedeutet, dass sie willkürlich verhaftet wurden – ohne Urteil und Widerspruchsmöglichkeit -, von Familie und Angehörigen getrennt, vollkommen isoliert. Ihr Horizont beschränkte sich auf Stacheldrahtreihen, die rund um das Lager angebracht waren.
Dieses Lager ist wohl ein Konzentrationslager gewesen; wie Sie aus der Zeichnung von Constantin Sikatchinsky entnehmen können.
Foto: Eine Zeichnung eines nicht bekannten Häftlings von dem Lager.
(Sikatchinsky) war ein russischer Maler, der am 12. Oktober 1939 ins Lager kam (er war aus dem Konzentrationslager „Roland Garros“ verschleppt worden). Aus seiner persönlichen Akte geht hervor, dass er als „politisch suspekt“ eingestuft war. Am 4. Juni 1941 wurde er den Deutschen übergeben. Was aus ihm wurde, wissen wir nicht.
Manche versuchen, diese Geschichte Frankreichs zu entschärfen, weil sie kein Aushängeschild für das Land, das als erstes die "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ verfasst hat, darstellt. Doch die Fakten sind da – als Schriftstücke –, sie können nicht geleugnet werden.
Dieses Konzentrationslager wurde 1938 während der III. Republik errichtet.
Ein Rundschreiben des Innenministers Albert Sarraut vom 14. April 1938 an alle Präfekten sagt:
Es ist notwendig, dass unter der ausländischen Bevölkerung des Landes (….) Personen entlarvt werden, derer Taten auf die eine oder andere Weise die Ruhe und die öffentliche Sicherheit stören könnten (….) aus Sorge für den Schutz und die Verteidigung der Nation. Dabei handelt es sich (….) um eine schnelle, energische und methodische Maßnahme, um unser Land von unerwünschten, viel zu zahlreichen Elementen zu befreien, die Bewegungsfreiheit genießen, obwohl sie Gesetze und Regeln missachten, oder sich in Streitigkeiten, in politische oder soziale Angelegenheiten einmischen, die uns alleine betreffen.
Nach der Verordnung vom 12. November 1938, ist eine „verwaltungstechnische“ Inhaftierung möglich; ohne dass die üblichen polizeilichen bzw. rechtlichen Verfahren stattfinden müssen. (Darin heißt es, Erg. d. Ü.):
Ausländer dürfen wegen ihrer strafrechtlicher Vergangenheit oder wegen ihrer für die nationale Sicherheit gefährlichen Aktivitäten nicht ohne Gefahr für die Öffentlichkeit, diese zu große Freiheit der Freibeweglichkeit genießen. Es erscheint uns also absolut erforderlich, dass diese Art von Ausländern in spezielle Einrichtungen gebracht werden in denen sie permanent beobachtet werden; wie es der ständigen, wiederholten Missachtung der Gastfreundschaftsregeln gebührt.
Zu diesem Zeitpunkt kannte Frankreich eine Welle von Ausländerfeindlichkeit. Die Regierung Daladier hat Sündenböcke gesucht und welche gefunden: „unerwünschte Ausländer“.
Allgemeine Feststellung zum Begriff (Konzentrationslager, Erg. d. Ü.):
1939: Die Inhaftierten und die damalige Verwaltung benutzen ihn. Dies kann man leicht überprüfen, wenn man Zeugenaussagen liest oder hört, die von ehemaligen Internierten gemacht wurden; oder wenn man die Zeichnungen bewundert, die im Lager angefertigt wurden oder auch wenn man in den „Archives départementales“ in Foix liest. Foix liegt geradlinig nur 500 Meter vom Lager Le Vernet entfernt.
Semantische Feststellung :
Im Juli 1939 befinden sich 15.000 Internierte auf einer Lagerfläche von 50 Hektar; diese Zahl ist quasi mit der der Einwohnerzahl von Pamiers identisch. Pamiers liegt heute ca. 10 Km von Le Vernet im Departement Ariège entfernt. Dennoch besteht ein riesiger Unterschied. Pamiers - die Stadt mit der größten Einwohnerzahl im ganzen Departement - hat eine Fläche von etwa 5.000 Hektar. In diesem Fall ist die Semantik glasklar. „Konzentration“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Foto: Die Baracken von Le Vernet
Am 3. September (1939, Erg. d. Ü.) erklärt Frankreich Deutschland den Krieg. Von da an dient Le Vernet im Departement Ariège als Internierungsort für alle ausländischen Männer, die sich auf unserem Territorium befinden. Insbesondere auch für die Deutschen, die vor Hitler geflohen waren. Es wäre klüger gewesen, bei diesen ersten Regimegegnern des Dritten Reiches, Informationen (über die Verhältnisse in Deutschland und die Verbrechen der Nazis, Erg. d. Ü.) einzuholen.
Feststellung im Bezug auf den offiziellen Willen, den Begriff zu benutzen.
Dies haben wir dem größten Spezialisten für die damaligen Konzentrationslager zu verdanken. Denn er machte davon Gebrauch und missbrauchte es. Ich will ihn benennen: Philippe Pétain, Ratsvorsitzender und
erster Faschist in Frankreich.
Foto: Der Eingang von Le Vernet „Camp concentration“
Am 10. Januar 1941 richtete der Innenminister der Vichy-Regierung ein Rundschreiben an alle Präfekten der „Freien Zone“, in dem er empfahl, die Bezeichnung „Konzentrationslager“ in „Internierungslager“ zu ändern. Mit Ausnahme von 3 Orten: Le Vernet im Departement Ariège, Rieucros im Departement Lozère und das Gefängnis „La petite Roquette“ in Paris.
Wieso eine Begriffsänderung? Weil schon zu dieser Zeit – Anfang 1941 - also eineinhalb Jahre bevor die Juden aus Frankreich in das „Reich“ deportiert wurden, also bevor die Todesmaschinerie des „Reiches“ in Gang gesetzt wurde, die französischen Konzentrationslager keine guten Schlagzeilen in der ausländischen Presse machten. Es gibt Archivdokumente – von Juni 1940, also bevor Petain an die Macht kam –, die Anzeigen gegen französische Konzentrationslager erhoben und es wurden Interventionsersuchen an amerikanische und mexikanische Regierungen, an den Vatikan sowie an humanitäre Verbände gerichtet. Zeugenaussagen von Internierten (Inhaftierten!) wurden in der Schweiz, in Großbritannien und in den USA veröffentlicht.
Andere Archivdokumente aus Vichy-Polizeiquellen, erwähnen Briefe, die vom Vorstand der „Movimiento Libertorio Espagnol“ verfasst wurden, und die an einen Korrespondenten aus New York gerichtet wurden, in denen die Brutalität, die in den französischen Konzentrationslagern herrschte, angeprangert wurde. Vor allem das Lager in Argeles-sur-Mer wurde unter Beschuss genommen.
Im Juli 1940 – nach Protestaktionen gegen Stockhiebe – begann eine Reihe von kollektiven Zwangsausweisungen in Richtung Spanien. Die Vichy-Regierung hatte keinerlei Interesse daran, dass sich die internationale öffentliche Meinung gegen sie richtete, insbesondere die öffentliche Meinung in den USA. (Im Januar 1941 befanden sich die USA noch nicht im Krieg).
In diesem Kontext wurde offiziell beschlossen, die Verwendung des Begriffes „Konzentrationslager“ zu reduzieren. Dennoch erscheint er 1944 im Briefkopf gewisser Dokumente, in denen von der „Generalinspektion der Konzentrationslager“ die Rede ist.
Historische Feststellung:
Ab dem 9. Juni 1944 unterstand das Konzentrationslager Le Vernet direkt den Nazis. Es wurde also für diese Zeit ein Lager des Dritten Reiches. Es war das einzige Lager, das von den Nazis wieder übernommen wurde, um dieses besondere Lager wieder leiten zu können. Nach der Landung (der Alliierten in der Normandie, Erg. d. Ü.) am 6. Juni (1944 (Erg. d. Ü.) hatten die Deutschen kein Vertrauen mehr in die französische Verwaltung.
Es ist also nur gerecht, wenn dieses französische Konzentrationslager den etablierten, historischen Begriff trägt.
Wir sollten diesen Mut besitzen und nicht nachlassen. Wenn auch nur, um unseren Brüdern und Vätern, die in dem Konzentrationslager von Le Vernet die Hölle erlebt haben, Respekt zu erweisen, wo dennoch die Hoffnung oft nur dank der Fernsicht auf die Pyrenäen blieb, als Symbol der Freiheit - so nah und doch unerreichbar.
Alle haben gelitten, alle haben Widerstand geleistet; manche bis zum letzten Atemzug – dort, hinter dem Stacheldraht, wo sie alle konzentriert waren.
Erinnern wir uns an die Worte (des französischen Schriftstellers Albert, Erg. d. Ü.) Camus:
Eine Sache falsch zu benennen, bedeutet das Unglück der Welt vergrößern.
Konzept und Ausführung : Raymond Cubells
Der französische Originaltext liegt nur als PDF-Datei vor und kann HIER heruntergeladen werden
Kleine Geschichte der Amicale und ihrer Aktivitäten
1971 wurde die Amicale, der Freundschaftskreis mit dem Zweck gegründet, die Erinnerung an die Zehntausenden von Internierten des Lagers le Vernet d’Ariège wachzuhalten.
Nachdem die erste Aufgabe des Vereins, nämlich den Friedhof vor dem Zerfall zu retten, erfüllt war, wurde ein kleines Museum im Rathaus des kleinen Dorfes le Vernet d’Ariège eingerichtet. Es kann heute besichtigt werden. Führungen werden durchgeführt, Informationen und Erlebnisberichte können angehört werden. Familien von Internierten, die nicht überlebten, können Nachforschungen anstellen lassen. Die Verwaltung dieses Freundschaftskreises unterhält auch Beziehungen zu Organisationen, die sich mit den Überlebenden aus anderen Lagern befassen.
DENKMAL PROJEKT
Eine Kommission hat für die Verwaltung und das Ministerium für die Belange der ehemaligen Kämpfer eine Studie fertiggestellt. Wir hoffen, dass ein lang gehegtes Projekt bald realisiert werden kann!
Ein Lehrpfad soll zwischen dem Bahnhof von le Vernet d’Ariège und dem Friedhof angelegt werden sowie ein Ausstellungsraum, welche die Zeit der Internierungslager in Südfrankreich, insbesondere das Lager le Vernet d’Ariège, in Erinnerung rufen.
Kontakt:
Amicale des Anciens Internés politiques et résistants du Camp du Vernet d’Ariège
AAI du Camp du Vernet d’Ariège
F 09700 Le Vernet d’Ariège
Frankreich
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