Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

„Stolpersteine“ in Koblenz

Im Jahr 1993 hatte der Kölner Gunter Demnig die Idee zu dem Projekt „Stolpersteine“. Sie entstand aus der Erfahrung, dass Erinnerungstafeln für Opfer des Nationalsozialismus an Privathäusern oft an dem Widerstand der jetzigen Eigentümer scheiterten. Deshalb sollten solche Erinnerungen in den öffentlichen Verkehrsraum vor diesen Häusern stattfinden. Dazu bot es sich an, kleine Steine in die Bürgersteige einzulassen. Dabei ging Demnig davon aus, dass die Gemeinden und Städte im Allgemeinen gegen solche Steine keine Einwände hätten.

1997 verlegte er die ersten „Stolpersteine“: 10 x 10 cm große Steine, die mit einer Messingplatte überzogen sind. Die Plättchen tragen einheitlich die Aufschrift: „Hier wohnte…“ und dann den Namen, das Geburtsjahr, das Todesjahr, den Todesort und ggf. die Todesursache (z.B. „hingerichtet“). Sie sollen für Passanten zufällige Erinnerungen an NS-Opfer wachrufen.

Voraussetzung ist jeweils, dass der Betreffende durch die Verfolgung zu Tode gekommen oder alsbald in deren Folge gestorben ist. In Einzelfällen gibt es auch „Stolpersteine“ für Personen, die vor der drohenden Verfolgung den Freitod gewählt haben, oder auch für Angehörige von NS-Opfern. Inzwischen hat Gunter Demnig mehr als 32.000 dieser kleinen Gedenksteine für NS-Opfer in über 700 Städten und Gemeinden in Deutschland sowie dem benachbarten Ausland verlegt.

Seit dem 27. Januar 2007 – dem nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – liegen solche „Stolpersteine“ auch in den Bürgersteigen von Koblenz. In einer ersten Aktion wurden an zehn Stellen insgesamt 19 Stolpersteine verlegt. Inzwischen gab es fünf weitere Aktionen mit insgesamt 79 personenbezogenen Stolpersteinen. Federführend für die Verlegung ist die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit. Mit beteiligt ist der Förderverein Mahnmal Koblenz. Er sieht es als seine Aufgabe an, bei diesen Aktionen auch an nicht-jüdische NS-Opfer zu erinnern. Zudem hat der Förderverein diese Stolpersteine in seine Gedenkarbeit im Übrigen integriert. So sind die einzelnen Verlegeaktionen und die Verlegeorte mit den Namen der NS-Opfer und mit einem Stadtplan auf der sehr umfangreichen Homepage des Fördervereins dokumentiert. Außerdem hat der Verein für zahlreiche dieser Opfer Kurzbiografien erarbeitet. Auch diese können zur näheren Information über die Stolpersteinen und die NS-Opfer auf der Homepage des Vereins aufgerufen und herunter geladen werden. Die Adresse der Homepage lautet: www.mahnmalkoblenz.de

Für die nächste, die 7. Stolperstein-Aktion in Koblenz, die am Wochenende des 30./31 August 2013 stattfinden soll, regt der Förderverein Mahnmal Koblenz die Verlegung von „Stolpersteinen“ für folgende NS-Opfer an:

1. Johann Dötsch (1890 – 1946), wohnhaft in Metternich, Neugasse 22. Dötsch war SPD-Funktionär und Gewerkschafter und wird auf einer Personentafel des Vereins biografiert. Hierauf kann verwiesen werden.

2. Adolf Duckwitz (1873 – 1936), zuletzt wohnhaft Roonstraße 6. Duckwitz war langjähriger Verlagsdirektor des Koblenzer General-Anzeigers“. Als solcher geriet er sehr schnell in das Fadenkreuz der Nationalsozialisten, die sofort nach der Machtübernahme im Jahr 1933 daran gingen, die Presse „gleichzuschalten“. Dabei war ihnen der dem Zentrum nahestehende Koblenzer General-Anzeiger ein Dorn im Auge. Es kam hinzu, dass Duckwitz viele Jahre im Verbandswesen der Zeitungsverleger Einfluss hatte. So war er Vorsitzender des Vereins rheinischer Zeitungsverleger. Seit 1933 war Duckwitz Verunglimpfungen der Nazis ausgesetzt, die sich immer mehr steigerten. Diffamiert wurde er auch deshalb, weil er Meister vom Stuhl der Koblenzer Freimaurer-Loge war. Mitte der 1930er Jahre kam es dann soweit, dass die Nazis Duckwitz mit Hilfe der Justiz strafrechtliche Verfehlungen nachweisen wollten. Er wurde verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und angeklagt. Es sollte ein politischer Schauprozess gegen ihn und andere werden. Die Nazi-Presse berichtete immer wieder sehr ausführlich und grob ehrverletzend über Duckwitz und andere Angeklagte. Während der Untersuchungshaft wurde er schwer krank, so dass nichts anderes übrig blieb, als ihn in ein Krankenhaus zu überführen. Als seine Rückführung ins Gefängnis unmittelbar bevorstand, wählte Adolf Duckwitz am 12. Oktober 1936 den Freitod.

3. Wilhelm Hübinger (1904 - 1942), zuletzt wohnhaft Schenkendorfstraße 33. Hübinger war Lehrhauer und arbeitete in der Grube Mühlenbach in Arenberg. Er geriet in das Fadenkreuz der Nazis, weil er angeblich mehrmals ohne ersichtlichen Grund der Arbeit fern geblieben war. Deshalb wurde er am 30. November 1939 von der Gestapo Koblenz verwarnt. Für den Fall, dass er erneut grundlos nicht zur Arbeit erschien, wurde ihm die Verschleppung in ein Konzentrationslager angedroht. Als es angeblich wieder zur „Arbeitsbummelei“ kam, wurde er am 16. August 1940 von der Koblenzer Gestapo festgenommen und beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA) seine Überführung in ein Konzentrationslager beantragt. Aufgrund eines Erlasses des RSHA wurde er am 3. Oktober 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Dort am 9. Oktober 1940 angekommen, wurde er am 19. November 1940 weiter in das KZ Neuengamme verschleppt. Von dort brachte man ihn ins KZ Dachau, wo er am 30. Mai 1941 eintraf. Am 5. Juli 1941 kam er schließlich in das Konzentrationslager Buchenwald. Im KZ Buchenwald verstarb er am 26. April 1942 angeblich an Lungentuberkulose.

4. Walter Hübinger (1910 - 1941). Er war der jüngere Bruder von Wilhelm Hübinger und hat ein ganz ähnliches Schicksal erlitten. Walter Hübinger war zuletzt wohnhaft Weißerstraße 27. Auch er war Lehrhauer und arbeitete in der Grube Mühlenbach in Arenberg. Er geriet in das Fadenkreuz der Nazis, weil er angeblich mehrmals grundlos der Arbeit fern geblieben war. Deshalb wurde er am 30. November 1939 von der Gestapo Koblenz verwarnt. Für den Fall, dass er erneut grundlos nicht zur Arbeit erschien, wurde ihm die Verschleppung in ein KZ angedroht. Am 26. Februar 1940 wurde Hübinger erneut wegen „Arbeitsbummelei“ staatspolizeilich verwarnt. Nachdem er zwei Wochen nicht zur Arbeit erschienen war, wurde er am 23. April 1940 von der Gestapo Koblenz festgenommen. Auf ihren Antrag hin wurde seine Überführung in ein Konzentrationslager angeordnet. Am 16. Oktober 1940 traf er im KZ Sachsenhausen ein. Am 31. Januar 1941 starb er angeblich an Herz- und Kreislaufinsuffizienz.

5. Franz Josef Mürb (1901 – 1944). Er hatte seinen letzten frei gewählten Wohnsitz zwar in Andernach, ist aber bei einem Bombenangriff im Koblenzer Gefängnis getötet worden. Zurzeit der Weimarer Republik war er Mitglied der SPD, trat aber nicht in Erscheinung. Nach der Machtübernahme der Nazis kritisierte er die neuen Machthaber. Als er sich am 19. Januar 1936 mit Kommunisten in Vallendar traf, wurde er von der Koblenzer Gestapo verhaftet. Deswegen verurteilte ihn das Sondergericht Köln mit Urteil vom 14. November 1936 zu 2 Jahren und 5 Monaten Zuchthaus. Am 14. Juni 1938 wurde er entlassen. Anschließend musste er sich ein 3/4 Jahr polizeilich melden. Im September 1944 wurde er unter dem Vorwurf, ausländische Sender gehört zu haben, festgenommen und ins Gefängnis Koblenz gebracht. Zwei Wochen später erließ das Amtsgericht Koblenz-Ehrenbreitstein Haftbefehl gegen ihn. Beim Luftangriff auf das Gefängnis starb er an den Folgen.

6. Dr. Paul Kolf (1891 – 1945). Letzte Wohnadresse Kurfürstenstraße 79 bzw. Kaiser Friedrich-Straße 2 (muss noch recherchiert werden). Kolf war Arzt und Medizinalrat in Koblenz. Als Beamter war er der NSDAP beigetreten. Im Jahr 1938 konnte die Koblenzer Gestapo mitteilen, dass er in „politischer, strafrechtlicher und spionagepolizeilicher Hinsicht nicht in Erscheinung getreten (ist)“. Im Sommer 1943 wurde er von einem Nachbarn darauf angesprochen, dass er bei den Luftangriffen nicht richtig verdunkle. Darauf erklärte Kolf dem Nachbarn, das sei doch alles Unsinn, in vier Wochen sei der Krieg doch aus. Dann gab noch ein Wort das andere. Der Nachbar denunzierte Kolf daraufhin bei der Koblenzer Gestapo. Er kam in Haft und man machte ihm einen Strafprozess. Der Volksgerichtshof mit dem Präsidenten Roland Freisler verurteilte Kolf wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode. Ein Gnadengesuch führte insoweit zum Erfolg, dass der Strafausspruch in eine achtjährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde. Die Strafe verbüßte Kolf in einem Zuchthaus in Regensburg. Kurz nach der Befreiung starb er an den Folgen der Haft.

 

Förderung durch die JoHo-Schängel-Stiftung 

Die Ende 2010 von Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig als Hauptstifter ins Leben gerufene Stiftung will mit Unterstützung weitere Zustifter helfen, „Koblenz gemeinsam nach vorn zu bringen“. Nach Förderungen in den Jahren 2011 und 2012 wurde im Jahr 2013 auch unser Verein zusammen mit 16 anderen Koblenzer vereinen/Initiativen gefördert. Wir erhielten zweckgebunden 360 € für die Verlegung dreier Stolperseine.

Lesen Sie HIER den Bericht über die Förderung der 17 Vereine im Jahr 2013.