Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Die Gedenkveranstaltungen am 27. Januar 2015 in Koblenz.
 
Die Veranstaltungen zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar waren in Koblenz trotz des schlechten Wetters sehr gut besucht. Von einem "Schlussstrich" unter dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte konnte bei den Mitwirkenden und den Teilnehmern keine Rede sein. Im Gegenteil betonten die Redner, dass diese Menschheitsverbrechen nicht vergessen werden dürfen und uns für die Zukunft "vor neuen Ansteckungsgefahren immunisieren" sollen.

Nach der Eröffnung der Ausstellung "'Es war eine Fahrt durch die Hölle.' Vor 70 Jahren: Befreiung des KZ Auschwitz" am Vorabend begannen die Veranstaltungen am Gedenktag selbst mit einer Statio am Mahnmal auf dem Reichensperger Platz.

Daran schloss sich die Gedenkstunde mit christlich-jüdischem Gebet an.

Lesen Sie HIER das Programm zu den Veranstaltungen am 27. Januar 2015.

 

 

Die gut besuchte Gedenkstunde in der Citykirche

Pastor Gerhard Paul mit seinen Töchtern Eva-Sophie, Ellen-Beatris und Sarah Elisabeth bei der Lesung aus Biografien

 

Beim christlich-jüdischen Gebet:

 

Kantor Joseph Pasternak von der Jüdischen Kultusgemeinde

Superintendent Rolf Stahl von der Evangelischen Kirche

Pfarrer Ralf Staymann von der Altkatholischen Kirche

 

Die Printmedien berichteten ausführlich über die Veranstaltungen.

Lesen Sie HIER den Artikel in der Rhein-Zeitung vom 28. Januar 2015

und HIER den Artikel in der Rhein-Zeitung vom 29. Januar 2015

sowie den Artikel in Super Sonntag vom 31. Januar 2015.

 

Auch der SWR - Studio Koblenz - widmete dem Gedenktag zwei Rundfunkbeiträge. In einem kommt der Koblenzer Werner Appel, der als jüdischer Junge den Holocaust in Koblenz überlebte, zu Wort. Hören Sie dazu den nachfolgenden Mitschnitt der Sendung.

Mit und Über Werner Appel hat unser Förderverein übrigens einen einstündigen Fim mit dem Titel: "Werner Appel - Jüdisches Leben und Überleben in Koblenz 1933 - 1945" erarbeitet, der als DVD im Medienladen in Koblenz ausgeliehen oder bei unserem Förderverein käuflich erworben werden.
 
Der zweite Bericht des SWR ist eine Befragung unter Schülern über ihr Wissen über und ihr Interesse an dem Holocaust.

 

Im Beiprogramm zur Ausstellung zeigte unser Förderverein am Montag, dem 9. Februar 2015, um 19.00 in der Citykirche den von unserem Verein erarbeiteten Film mit dem im letzten Jahr verstorbenen langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz Dr. Heinz Kahn. Heinz Kahn war der einzige seiner Familie, der das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hat. Seine Lebensgeschichte ist ein wichtiges Dokument des Lebens und Überlebens von Juden aus unserer Region.

Zu den Film mit dem Zeitzeugengespräch mit Dr. Heinz Kahn gab unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig eine Einführung, die Sie nachfolgend lesen können:

Einführung in den Film mit dem Zeitzeugengespräch mit Dr. Heinz Kahn

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

namens des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz begrüße ich Sie sehr herzlich zum Filmabend mit Dr. Heinz Kahn. Der heutige Abend ist ein Beiprogramm zur Ausstellung: „’Es war eine Fahrt durch die Hölle.’ Vor 70 Jahren: Befreiung des KZ Auschwitz.“ Diese Ausstellung, die Sie heute und auch morgen hier noch sehen können, porträtiert 20 NS-Opfer aus Koblenz und Umgebung. Sie wurden von hier aus nach Auschwitz oder in andere Lager „im Osten“ verschleppt. Die meisten von ihnen wurden in Auschwitz ermordet. Einer der wenigen Überlebenden war Heinz Kahn.

Zur Erinnerung an ihn, an sein Lebensschicksal und seine Lebens-leistung haben wir uns heute hier zusammengefunden. Es ist kein Tag wie jeder andere. Genau vor einem Jahr, am 9. Februar 2014, ist Dr. Heinz Kahn im Alter von 91 Jahren von uns gegangen. Der heutige Abend ist – wenn Sie es so wollen – katholischem Brauch entsprechend das Jahrgedächtnis für Heinz Kahn.

Heinz Kahn wurde am 13. April 1922 in Hermeskeil/Hunsrück als Sohn des dortigen Tierarztes Dr. Moritz Kahn und seiner Frau Elise geboren. Sein Vater war Soldat im Ersten Weltkrieg und erhielt zahlreiche Orden und Auszeichnungen. Schon bald nach der Machtübernahme der Nazis begannen für die Kahns die Schikanen und Diskriminierungen. Dem Vater wurden die Befugnis zur Fleischbeschau und andere amtliche Tätigkeiten entzogen. Sohn Heinz hatte als Schüler Erniedrigungen und Ausgrenzung zu erdulden. Für seine sportlichen Leistungen wurde ihm der Preis nicht ausgehändigt, weil er Jude war. In der Klasse verbannte ihn der Lehrer in die letzte Bank, seine Arbeiten wurden nicht benotet. 1936 musste Heinz die Schule verlassen, damit sie „judenrein“ wurde. Noch in Hermeskeil war die Familie vom Novemberpogrom, der „Reichspogromnacht“, betroffen. Vater Moritz kam einige Tage ins Gefängnis, dann ließ man ihn wieder frei. Dafür musste er aber sein Haus in Hermeskeil unter Wert an die Gemeinde verkaufen.

Im März 1939 zog die Familie Kahn nach Trier. Heinz, der inzwischen in Frankfurt/Main in einer jüdischen Lehrwerkstatt arbeitete, konnte im Jahr 1941 noch der Deportation entgehen, indem er zu seinen Eltern nach Trier floh. Er und seine jüngere Schwester Gertrud wurden aber als Juden dienstverpflichtet und hatten in verschiedenen Betrieben zwangsweise Arbeit zu verrichten. Am 1. März 1943 wurde die Familie Kahn - Vater Moritz, Mutter Elise, Sohn Heinz und Tochter Gertrud - von Trier aus ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Bei der Selektion auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) wurde Heinz von der Familie getrennt. Zum Abschied sagte sein Vater zu ihm: „Heinz, Du kommst zur Arbeit, Du musst überleben!“ So kam es auch. Zum letzten Mal hatte Heinz seine Familie gesehen. Er kam zur Zwangsarbeit nach Auschwitz III – Auschwitz-Monowitz. Aufgrund seiner Geschicklichkeit und Umsicht brachte man ihn wieder nach Auschwitz-Birkenau, diesmal als „Funktionshäftling“. Man übertrug ihm besondere Aufgaben, zeitweise war er Pfleger, Häftlingsschreiber und Lagerläufer in Auschwitz II. Dadurch hatte er gewisse Privilegien und konnte anderen Häftlingen helfen.

Vor der heranrückenden Roten Armee wurde Heinz Kahn mit anderen Häftlingen des Krankenbaus am 18. Januar 1945 von Auschwitz ins KZ Buchenwald verschleppt. Dort arbeitete er im „Selektionskommando“. Das musste die Toten u.a. auf Goldzähne untersuchen, sie ihnen entfernen und das Zahngold für die SS sammeln. Am 11. April 1945 wurde er mit den in Buchenwald überlebenden Häftlingen von den Amerikanern befreit.

Dann kehrte Heinz Kahn nach Trier zurück und versuchte, wieder Fuß zu fassen, auch das Eigentum seiner Familie, wie etwa die Wohnungseinrichtung, wieder zu erlangen. Er wurde erster Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde von Trier, machte sein Abitur nach, studierte Veterinärmedizin, legte sein Examen ab und promovierte. Er heiratete Inge Hein, eine Jüdin aus Cochem, die als 14-Jährige mit ihren Eltern 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert worden war und - anders als ihre Eltern – den Holocaust überlebte.

Heinz Kahn blieb in Deutschland – dem „Land der Täter“. 1954 zogen die Eheleute Kahn nach Polch. Dort betrieb Dr. Kahn bis vor wenigen Jahren eine Tierarztpraxis. Seit 1987 war er Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde von Koblenz.

Zeit seines Lebens war Heinz Kahn ein mutiger und – wenn es sein musste – auch kämpferischer Mensch. Dem Holocaust stellte er sich entgegen und leistete unter schlimmsten Umständen Widerstand. Er half seinen Kameraden im Konzentrationslager Auschwitz und machte ihnen das Leben und Überleben dort etwas leichter. Als Häftlingsschreiber im Krankenbau von Auschwitz-Birkenau rettete er vor seiner Verschleppung im Januar 1945 viele Unterlagen, indem er sie in Marmeladeneimer packte, diese verschweißte und sie dann in Wasserlachen versenkte. Deshalb war Heinz Kahn auch Zeuge im Frankfurter Auschwitz-Prozess vor nunmehr 50 Jahren. Auch gehörte Heinz Kahn zu den Mitwissern des Illegalen Internationalen Lagerkomitees vom KZ Buchenwald und Beschaffer und Verstecker der einen oder anderen Schusswaffe für die Befreiung des Lagers.

Bis zuletzt legte Heinz Kahn als Zeitzeuge in Schulen und Veranstaltungen beredtes Zeugnis von der Verfolgung und auch dem (partiellen) Widerstand der Juden im Nationalsozialismus ab. Aus dieser Gedenkarbeit ragt sein Zeitzeugenbericht in der Plenarsitzung des Landtages von Rheinland-Pfalz am 27. Januar 2007 heraus. Zwei Jahre zuvor hat der Förderverein Mahnmal Koblenz ein Zeitzeugengespräch mit ihm in der Sparkasse Koblenz aufgezeichnet und mit zahlreichen privaten Fotos, die Dr. Kahn uns zur Verfügung gestellt hat, ergänzt. Dieses inzwischen historische Filmdokument wollen wir Ihnen jetzt zeigen.

Was Sie sehen werden, nennt man ein Zeitzeugengespräch. Es ist aber weniger ein Gespräch mit Rede und Gegenrede, mit Frage und Antwort, als vielmehr ein Zeitzeugenbericht, den Dr. Kahn gegeben hat. Das ist eine sehr dichte und kompakte Erzählung seines Lebens und das seiner Familie und verlangt eine recht hohe Aufmerksamkeit. Dabei verwendete Dr. Kahn auch einige Begriffe, die er nicht erklärt, und die ich hier kurz erklären möchte:

Kapo: Wörtlich: „Kameradenpolizei“. Das sind Häftlinge, von der SS herausgehobene Häftlinge, die die anderen Häftlinge kontrollieren, schikanieren, antreiben sollten. Von ihrem verhalten hing wesentlich die Lage der anderen Häftlinge ab.

SGD: Sanitätsdienstgrad. Das war ein SS-Mann, der Überwachungs- und Hilfsmaßnahmen im Krankenrevier des KZ auszuüben hatte.

Stefan Heymann: Der von Heinz Kahn erwähnte Stefan Heymann war ein deutsch-jüdischer Kommunist. Er war Häftling erst im KZ Dachau, dann im KZ Buchenwald und dann – ab 1942 – im KZ Auschwitz-Birkenau. Dort traf er mit Heinz Kahn zusammen und sorgte dafür, dass Kahn verschiedene privilegierte Funktionen im KZ ausüben und so überleben konnte. Beide kamen dann noch ins KZ Buchenwald. Dort wurden sie befreit. Stefan Heymann blieb in der SBZ, später DDR, war dessen Botschafter in Ungarn und Hochschulprofessor.

Soweit meine kleine Einführung in den Film mit Dr. Heinz Kahn. Lassen wir jetzt Heinz Kahn sprechen und erinnern uns an ihn als einen wichtigen Rheinland-Pfälzer jüdischer Herkunft. Und denken wir dabei daran: „Ein Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.