Koblenzer Gedenkgang zum Antikriegstag am 1. September 2019
Aus Anlass der diesjährigen 80. Wiederkehr des Kriegsbeginns hat der Förderverein Mahnmal Koblenz zusammen mit dem DGB Region Koblenz eine alte Tradition der Gewerkschaften wiederbelebt: den Antikriegstag als Erinnerung und Mahnung an die Entfesselung des Zweiten Weltkreiges am 1. September 1939. Dieses markante Datum, das auch anderswo und gerade in Polen Anlass zu eindrucksvollen Gedenkveranstaltungen war, war Anstoß für den DGB, unseren Förderverein und die Evangelische Kirche Koblenz zu einem Gedenkgang mit dem Thema "Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter". Dazu gab es viele Informationen von unserem Förderverein. Beginnend mit einem Überblick zum "Arbeitseinsatz" der Zwangsarbeiter standen die Schicksale von Ausländern im Mittelpunkt, die während des Zweiten Weltkrieges auch in Koblenz zur Arbeit gepresst wurden und hier Verfolgung erlitten. Der Gang begann am städtischen Krankenhaus Kemperhof in Moselweiß. Dort wurde hunderten schwangeren polnischen, russischen und ukrainischen Zwangsarbeiterinnen zwangsweise ihre Leibesfrucht abgetrieben. Im weiteren Gang wurde über die "extralegalen" Hinrichtungen mit einem fahrbaren Galgen berichtet, denen polnische Zwangsarbeiter zum Opfer fielen, wenn sie tatsächlich oder nur behauptet mit einem deutschen Mädchen oder einer deutschen Frau geschlechtlich verkehrt hatten. Die Erinnerung galt weiter polnischen Zwangsarbeitern wie Norbert Widok, die im Gefangenenlager "Eiserne Hand" bei Bassenheim für den Bau der Reichsautobahn (heute: Bundesautobahn A 48) oder für die Reichsbahn wie Ignacy Gmerek Zwangsarbeit leisten mussten. Der Gang endete auf dem Hauptfriedhof in Koblenz, allein auf dem mehr als 700 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge beerdigt sind.
Zur Vorbereitung des Gedenkgangs in Koblenz und zum Bericht darüber erschienen mehrere Artikel unseres stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Hennig im "Schängel" - Koblenzer LokalAnzeiger.
Lesen Sie HIER den Vorbericht zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns im "Schängel" - Ausgabe Nr. 34 - vom 21. August 2019.
Lesen Sie HIER die Ankündigung des Gedenkgangs im "Schängel" - Ausgabe 35 - vom 28. August 2019.
Lesen Sie HIER den Bericht über den Gedenkgang im "Schängel" - Ausgabe 36 - vom 4. September 2019.
Lesen Sie HIER noch die Texte, die beim Gedenkgang vorgetragen wurden:
Gedenkgang zum Antikriegstag am 1. September 2019 – Vor 80 Jahren: Beginn des Zweiten Weltkrieges
I. Station: Krankenhaus Kemperhof
Begrüßung: DGB-Geschäftsführer Sebastian Hebeisen
Kurzreferat: Joachim Hennig: Kleine Geschichte der ZwangsarbeiterInnen in der NS-Zeit – Teil 1
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges schuf Hitler-Deutschland eines der größten Zwangsarbeits-Systeme in der Geschichte. Dabei griffen die Nazis und ihre Helfer auf Bekanntes zurück. Denn die Beschäftigung von Ausländern, gerade von Polen, als Saisonarbeiter hatte in Deutschland eine längere Tradition. Sie sollte mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zunächst fortgesetzt und erweitert werden. Dementsprechend kamen im September noch die ersten ca. 30.000 polnischen Arbeitskräfte zum Ernteeinsatz. Schon sehr bald merkte man aber, dass man Hunderttausende und auch für längere Zeit brauchte. Sie wurden in der Landwirtschaft, im Bergbau und in der Industrie, vor allem in der Rüstungsindustrie, benötigt. Dort sollten sie Ersatz für die als Soldaten eingezogenen deutschen Männer sein. Auch verlangte die Kriegswirtschaft generell immer mehr Arbeitskräfte.
Anfangs rekrutierten die deutschen Arbeitsämter im überfallenen und besetzten Polen noch Freiwillige. Das änderte sich aber sehr bald. Schon im September 1939 wurden 100.000 gefangene polnische Soldaten zwangsweise zum Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft hier verfrachtet, bis Jahresende 1939 waren es 300.000. Außer den Kriegsgefangenen brachte man auch sog. Zivilarbeiter aus Polen nach Deutschland. Das geschah zum Teil schon nicht mehr freiwillig. Dieser Zwangsrekrutierung und den Verbrechen der Besatzer in Polen war es geschuldet, dass immer weniger Freiwillige nach Deutschland kamen. Im Sommer 1940 waren es über eine Million Polen – die meisten gezwungenermaßen.
Die ausländischen Arbeitskräfte hier sollten arbeiten, viel arbeiten. Da war es kontraproduktiv, wenn polnische Frauen und Mädchen schwanger wurden und ihre Kinder hier austrugen und betreuten. Deshalb wurden die Schwangeren zunächst in ihre Heimat zurückgeschickt. Das änderte sich, als die Nazis den Eindruck hatten, dass manche schwanger wurden, um der Zwangsarbeit hier zu entgehen. Von der Rückführung sah man dann ab, weil man so auf eingearbeitete Kräfte verzichten musste und Ersatz immer schwerer in den besetzten Ländern beschafft werden konnte. Deshalb gab es schon 1941 eine geheime Anordnung des Reichsführers SS Heinrich Himmler, dass schwangere polnische Arbeiterinnen nicht mehr in ihre Heimat zurückgeschickt würden, sondern vielmehr hier ihre Schwangerschaft beizeiten zu melden und die Leibesfrucht dann abzutreiben sei. Hier – in dem damals schon städtischen Krankenhaus Kemperhof – wurden hunderte solcher Abtreibungen an polnischen, russischen und ukrainischen Frauen und Mädchen durchgeführt. Ein Schlaglicht dazu: Im Jahr 1944 gab es von ausländischen Arbeiterinnen 14 Geburten und 94 Abtreibungen.
Junger Gewerkschafter: Kurzbiografie Warwara T.
Eine dieser ausländischen Frauen und Mädchen war die 1920 in der Nähe von Charkow in der Ukraine geborene Warwara T. Sie gehörte offenbar zu den im Sommer 1942 rekrutierten Ukrainern, nachdem die deutsche Wehrmacht im Frühjahr die Schlacht bei Charkow gewonnen hatte. Die folgende Anwerbung von Arbeitskräften war dann aber ein Reinfall: Trotz der Steigerung der Werbung, der Wegführung von Vieh und selbst der Androhung der Erschießung war der überlebende Teil der Bevölkerung nicht gewillt, den „Gestellungsbefehlen nachzukommen“. Trotzdem, also höchstwahrscheinlich unter ganz konkretem Zwang, kam Warwara T. aus ihrem Heimatort bei Charkow an den Rhein. Zunächst war sie Arbeiterin bei der Firma Brohltal AG in Urmitz/Rhein beschäftigt.
Im Januar 1944 wurde sie von der Brohltal AG als Haushaltsgehilfin an das Städtische Krankenhaus Kemperhof überwiesen. Hier war sie in der „Ostarbeiter“-Baracke untergebracht. Ein Vierteljahr später war sie schwanger. Ende Juli 1944 erfuhr der Kemperhof davon und teilte dem Arbeitsamt Koblenz mit, dass Warwara T. im 3. Monat schwanger sei. Das geschah aufgrund der einschlägigen Vorschriften über die „Ostarbeiter“. Danach mussten schwangere „Ostarbeiterinnen“ zeitig gemeldet werden, „damit Abhilfe geschaffen wird“.
Das Gauarbeitsamt Moselland in Koblenz verfügte daraufhin bei Warwara T. die Zwangsabtreibung. In einem Schreiben des Arbeitsamtes Koblenz an den Kemperhof hieß es dazu: „Der ärztliche Dienst beim Gauarbeitsamt Moselland in Koblenz hat angeordnet, dass die schwangere Ostarbeiterin (...) zwecks Unterbrechung der Schwangerschaft unter vorheriger Vereinbarung des Einlieferungstermins nach dort überführt werden soll.“
Einen Monat später war Warwara T. eine Woche lang zur Abtreibung stationär im Kemperhof untergebracht. Nach der Zwangsabtreibung wurde sie als „geheilt“ entlassen und am Tag darauf vom Arbeitsamt Koblenz als Arbeitskraft wieder angefordert.
Dann verliert sich ihre Spur. Die Ukrainerin Warwara T.
war kein Einzelfall. Wie sie wurden allein im städtischen Krankenhaus Kemperhof mehrere hundert Polinnen und „Ostarbeiterinnen“ zur Abtreibung befohlen.
II. Station: „BWB“ – Koblenzer Straße
Kurzreferat: Joachim Hennig: Verbotener Umgang mit Zwangsarbeitern
So „nötig“ der Arbeitseinsatz der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen für die Nazis auch war, so brachte er auch ungeheure Probleme mit sich. Die Sicherheitsbehörden hatten große Angst, dass die Ausländer die deutsche Bevölkerung politisch „infiltrieren“ könnten. Vor allem aber fürchtete man um die „Reinheit der deutschen Rasse“, wenn ausländische (Zwangs-)Arbeiter näheren Kontakt zu deutschen Frauen und Mädchen bekamen.
Angesichts dieses „Bedrohungspotenzials“ erschien es fast zwangsläufig, dass der nationalsozialistische Staat grundlegende Regelungen bis hin zu Sanktionen für Fehlverhalten traf. Dies geschah schon 1940 mit den „Polenerlassen“. Sie waren ein Meilenstein in der Geschichte der nationalsozialistischen Ausländerpolitik und Auftakt zu einem immer geschlossener werdenden, nach Nationalitäten differenzierenden Sonderrecht für ausländische Zwangsarbeiter. Mit diesen Erlassen – zehn an der Zahl – war das Leben der polnischen Arbeiter nahezu vollständig reglementiert. So waren die Polen nach Möglichkeit geschlossen unterzubringen, sie hatten auf der rechten Brustseite eines jeden Kleidungsstücks stets sichtbar das Kennzeichen „P“ zu tragen, durften grundsätzlich keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und ihnen war jeder gesellige Verkehr mit der deutschen Bevölkerung, insbesondere der Besuch von Theatern, Kinos, Tanzvergnügen und Gaststätten verboten.
Als „Annex“ zu diesen Ge- und Verboten regelte der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler gleich auch die Sanktionen gegen Verstöße hiergegen und zog damit Kompetenzen an sich. Das hatte etwa zur Folge, dass die Justiz von der Ahndung der Verstöße völlig ausgeschlossen war. Danach sollten „ständig lässige Arbeit, Arbeitsniederlegung, Aufhetzung der Arbeiter, eigenmächtiges Verlassen der Arbeitsstätte, Sabotagehandlungen u.ä.m.“ ausschließlich von der Gestapo verfolgt werden. Für Geschlechtsverkehr von Polen mit Deutschen „oder sonstigen unsittlichen Handlungen“ zwischen Polen und Deutschen konnte Himmler für die polnischen Arbeitskräfte „Sonderbehandlung“ (d.h. die Todesstrafe) verhängen und für die deutschen Frauen deren Diffamierung und Bestrafung durch die Justiz bzw. Einweisung in ein Konzentrationslager vorsehen.
Für die Hinrichtungen traf das Reichssicherheitshauptamt bis ins Einzelne gehende Regelungen. So musste der Hinrichtungsort sorgfältig ausgewählt werden, bestimmte polizeiliche Maßnahmen waren zu treffen, zeitweise war das Fotografieren später das Nichtfotografieren geregelt. Im Allgemeinen mussten die Hinrichtungen Landsleute der Opfer selbst vornehmen. Landsleute aus der Umgebung des „Tatortes“ mussten – zur Abschreckung - auch der Hinrichtung beiwohnen. Eine Zeitlang wurde die Nachricht über die Exekution auch in den regionalen Zeitungen verbreitet.
Junger Gewerkschafter: Kurzbiografie von Franciszek Matczak
Ca. 10 solcher Hinrichtungen von polnischen Zwangsarbeitern sind bekannt. Sie erfolgten durch die Gestapo Koblenz, die dafür extra einen fahrbaren Galgen hatte. Eines dieser Verbrechensopfer war Franciszek Matczak, der im Engerser Feld ermordet wurde.
Franciszek wurde 1920 in einem Dorf in der Nähe der polnischen Stadt Posen geboren. Während der Schulzeit war er Mitglied und Leiter einer Jugend-Theatergruppe. Anschließend arbeitete in einer Fabrik. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen meldete sich der 19-Jährige mehr oder minder freiwillig zum Arbeitseinsatz in Deutschland. Im Sommer 1940 arbeitete er bei einem Bauern in Heimbach-Weis.
Im März 1941 wurde er bei der Polizei denunziert, mit einem deutschen Mädchen geschlechtlich verkehrt zu haben. Es folgten Gestapohaft in Koblenz und viele Verhöre. Um nicht – wie es hieß - „wertvolles deutsches Blut zu verlieren“, wurde er – was in solchen Fällen üblich war - auf seine „rassemäßige“ Herkunft überprüft. Dabei stellte man fest, dass er nicht „eindeutschungsfähig“ war. Daraufhin beantragte die Gestapo Koblenz beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin dessen „Sonderbehandlung“.
Das war das Todesurteil für den 21-jährigen Franciszek Matczak.10 Tage später brachte man den fahrbaren Galgen der Gestapo Koblenz in eine abgelegene Kiesgrube im Engerser Feld in Engers.
Dorthin karrte man auch 50 polnische Zwangsarbeiter aus Engers und Umgebung. Um 8 Uhr morgens bestieg Franciszek Matczak den Tisch, der dort inzwischen unter dem Galgen aufgebaut worden war. Zwei polnische Gefangene legten ihm die Schlinge um den Hals. Auf ein Zeichen hin wurde die Fallklappe des Tisches herabgelassen, Franciszek sollte hängen. Das Tau war aber nicht richtig befestigt und gab nach. Der Körper glitt auf die Erde. Mit fünf Mann wurde er hochgezogen und hing dann frei. Nach einer Viertelstunde stellte man den Tod fest. Im Polizeibericht hieß es dazu: „Irgendeinen peinlichen Eindruck hatte dieser Vorfall weiter nicht hervorgerufen.“
Sodann wurden die anwesenden polnischen Zwangsarbeiter vor den Galgen geführt. Der Bericht stellte dann fest: „Sie wurden durch einen Dolmetscher auf die verwerfliche Tat ihres Landsmannes in eindringlichen Worten hingewiesen und ihnen an diesem Beispiel gezeigt, welche Strafe das Dritte Reich für derartige Verbrechen verhängt. Die Polen verließen sichtlich beeindruckt die Richtstätte.“
III. Station: Landesamt für Finanzen – Hoevelstraße
Kurzreferat: Joachim Hennig: Lager in Koblenz und Umgebung
Die meisten Zwangsarbeiter lebten in Lagern. Im damaligen Deutschen Reich gab es rund 30.000 dieser Lager für Zwangsarbeiter. Hinzukamen dann noch die Lager für Kriegsgefangene, die Konzentrationslager und die Außenlager von Konzentrationslagern. Allein von den letzteren gab es ca. 1.000. Nicht nur unter den verschiedenen Lagertypen, sondern auch unter den Zwangsarbeiterlagern gab es erhebliche Unterschiede. Diese richteten sich vor allem nach der Herkunft der ausländischen Arbeiter. Es gab eine „Hierarchie“ der Arbeiter.
Nach dem Rassenwahn Hitlers und seiner Leute war nur die nordische Rasse, waren die „Arier“, wirklich wertvoll. Daneben gab es noch andere blutsmäßig verwandte Rassen, wie Norweger, Dänen und auch Holländer usw. Den größten Gegensatz zu den „Ariern“ stellten nach Hitlers „Mein Kampf“ die Juden dar. Sie nahmen in der „Rassenhierarchie“ die unterste Stufe ein. Außer den Juden erklärten die Nazis auch Menschen mit dunkler Hautfarbe, aber auch sog. Zigeuner als minderwertig. Das gleiche galt für Polen, Russen und alle slawischen Völker, die nicht mit dem Deutschen Reich verbündet waren. Sie waren „Untermenschen“. Damit standen von den ausländischen Arbeitern die Polen auf der zweituntersten Stufe und die Russen, Ukrainer usw. auf der untersten. Ihre Lager, die „Russenlager“, waren besonders primitiv hergerichtet, mit Stacheldraht eingezäunt, die Lebensbedingungen waren besonders erniedrigend und unwürdig.
Dem „Geografischen Verzeichnis nationalsozialistischer Lager und Haftstätten des Internationalen Suchdienstes in Arolsen (ITS)“ zufolge gab es in der Stadt Koblenz 1.265 Zwangsarbeiter. Dort aufgeführt sind Zwangsarbeiter zusätzlich für einige Stadtteile, so für Kapellen-Stolzenfels 370 Personen, für Rübenach 140 und für Arenberg 65 Personen. Allein das ergibt schon 1.840 Zwangsarbeiter im heutigen Koblenz. Die Zahl der hier arbeitenden Ausländer war mit Sicherheit aber noch höher.
Die Betriebe mit den größeren Arbeitsstellen mussten Lager für die Zwangsarbeiter einrichten bzw. zur Verfügung stellen. So gab es auch in Koblenz und Umgebung eine größere Zahl von Zwangsarbeiterlagern, wobei allerdings nicht klar ist, ob die im Folgenden genannten alles unterschiedliche Lager waren oder ob mit der einen oder anderen Bezeichnung auch dasselbe Lager gemeint ist. Der Grund dafür ist, dass die Stadt Koblenz es bisher nicht für nötig befunden hat, sich intensiv um die hiesigen Zwangsarbeiter und deren Lager zu kümmern.
Mir bekannt sind:
Die Ostarbeiter-Baracke“ beim Kemperhof; auch gab es im Kemperhof ein Kriegsgefangenen-Wachkommando.
Ein Lager Moselweiß – möglicherweise identisch mit dem auch schon einmal so genannten Russenlager bzw. dem Ostarbeiterlager am Heiligenweg.
Eine Polizeiunterkunft Moselweiß.
Ein Lager in der Boninstraße 6 (heute: Beringstraße) in dem wohl ein Kriegsgefangenen-Arbeitskommando untergebracht war.
Eine Baracke der Reichsbahn in Moselweiß.
Ein Ostarbeiterlager in Lützel, Am Franzosenfriedhof, Lager Chlodwig.
Ein Barackenlager in der Feste Franz in Lützel.
Ein Gemeinschaftslager der Deutschen Arbeitsfront - Bauhof Moselland – in der Nagelsgasse 5, in dem auch Zwangsarbeiter untergebracht waren.
Ein Gefangenenlager Asterstein, auf dem ehemaligen Exerzierplatz dort, für französische Kriegsgefangene.
Ein Lager in Wallersheim am RWE-Umspannwerk dort.
Ein Gefangenenlager in Rübenach für polnische Kriegsgefangene.
Ein Straflager der Königsbacher Brauerei in Kapellen-Stolzenfels.
Ein Straflager in Rhens, offenbar ein Arbeitserziehungslager für Frauen.
In der näheren Umgebung von Koblenz wissen wir vor allem etwas über Gefangenenlager. Das waren Außenlager des Gefängnisses Koblenz. In diesen Lagern mussten vor allem Polen für den Bau der Reichsautobahn arbeiten. Ein solches Lager existierte in Bassenheim an der „Eisernen Hand“ für den Bau der heutigen Bundesautobahn A 48 Koblenz – Trier. Ein weiteres Strafgefangenenlager gab es in Uersfeld bei Mayen, ein drittes in Ulmen – jeweils für den Bau der heutigen A 48 und ein viertes in Hilgert bei Hör-Grenzhausen für den Bau der heutigen Bundesautobahn A 3.
Erwähnt werden sollen auch noch zwei KZ-Außenlager in der Nähe von Koblenz. Eins war das KZ-Außenlager Cochem, ein Außenlager des KZ Natzweiler. In dessen beiden Teillagern in Treis und in Bruttig mussten die KZ-Häftlinge einen vorhandenen, aber ungenutzten Eisenbahntunnel herrichten und ausbauen, damit die Firma Bosch dort einen Fertigungsbetrieb für Zündkerzen aufnehmen konnte. Ein anderes Außenlager war das Lager Rebstock bei Dernau und Marienthal an der Ahr. In diesem Außenlager des KZ Buchenwald mussten die Häftlinge in zwei ebenfalls ungenutzten Eisenbahntunnel Bodenanlagen für den Abschuss der „Wunderwaffe“ V2 zusammenbauen.
Junger Gewerkschafter: Kurzbiografie von Ignacy Gmerek.
Kommen wir noch einmal zurück auf die Lager und die Zwangsarbeiter in Koblenz. Einer von ihnen war der Pole Ignacy Gmerek. 1918, noch während des Ersten Weltkrieges, geboren, kam er in der damals zu Preußen gehörenden Provinz Posen zur Welt. Gerade 21 Jahre alt geworden, wurde Ignacy Ende August 1939 bei der Mobilmachung Polens zur polnischen Armee eingezogen. Der Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 kam aber so schnell, dass er seinen Wehrdienst nicht mehr antreten konnte. Stattdessen wurde er von der deutschen Besatzung zur Zwangsarbeit gepresst und musste bei einem deutschen Bauern irgendwo in der Provinz Posen arbeiten.
Anfang der 1940er Jahre verschleppte man Ignacy ins Rheinland und er kam zum Reichsbahnbauzug Nr. 3608 in Koblenz. Mit anderen Zwangsarbeitern lebte er in Arbeitswagen der Reichsbahn. In Koblenz und Umgebung wurde er eingesetzt, um nach den Bombenangriffen der Alliierten die Gleise wieder zu reparieren. Bei den Arbeiten zerquetschte ihm eine Bahnschwelle seinen Unterschenkel. Zurück blieb eine offene Wunde, an der sich ein Geschwür bildete. Als „sein“ Bauwagen zerstört wurde, war er ohne Dokumente und Kleidung. Mit Kameraden irrte er umher, um zu überleben.
Im Oktober 1944 wurde er festgenommen und von der Polizei verhört – man warf ihm vor, geplündert zu haben. Daraufhin kam er in die Haft bei der Gestapo Koblenz. Von hier aus verschleppte man Ignacy Gmerek Mitte Februar 1945 in das KZ Buchenwald.
Zwei Monate später, am 11. April 1945, wurde er mit 21.000 Häftlingen im KZ Buchenwald befreit. Anschließend kam er in ein Durchgangslager der Amerikaner und wurde medizinisch versorgt. Dann kehrte Ignacy Gmerek nach Polen zurück. Er konnte dort wieder Tritt fassen, gründete eine Familie und war ein Leben lang berufstätig. Die ganze Zeit quälte ihn aber seine Verletzung am Unterschenkel. Im Jahr 2007 starb Ignacy Gmerek im Alter von 89 Jahren.
IV. Station: „Goldgrube“
Kurzreferat: Joachim Hennig: Arbeitsstellen in Koblenz und Umgebung
Die in der Stadt eingesetzten Zwangsarbeiter waren vor allem im Handwerk und im Dienstleistungssektor tätig, oft für die Deutsche Reichsbahn. Die meisten von ihnen arbeiteten bei der Eisenbahn-Betriebsinspektion und im Moselgüterbahn-hof in Moselweiß und waren in einem Barackenlager in der Koblenzer Straße 158, Lager Falckenstein, untergebracht. Eine andere Arbeitsstelle der Reichsbahn befand sich auf dem Gelände des Reichsbahnbetriebswerks und Güterbahnhofs in Lützel.
Nach dem, was wir von dem Arbeitseinsatz der Zwangsarbeiter und angesichts der recht großen Zahl von Zwangsarbeitern in Koblenz und Umgebung wissen, müssen wir davon ausgehen, dass viele Koblenzer Bürger Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Diese haben sich sicherlich auch beim Arbeitsamt Koblenz gemeldet und die Zuweisung beantragt. Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren nicht immer einfache, dafür aber sehr billige Arbeitskräfte - und vor allem waren sie auch da, während es überall an Arbeitskräften mangelte.
Viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in Privathaushalten beschäftigt. Dort konnten es die Zwangsarbeiterinnen noch halbwegs erträglich antreffen. Diese mussten sich aber - zumindest nach außen hin - an die Verbote für den Umgang mit Zwangsarbeitern halten. Dazu gab es für die Hausfrauen spezielle Schulungen. Wer die nicht besuchte, musste mit dem Entzug der Zwangsarbeiterin rechnen.
Ähnlich war es in Kleinbetrieben bzw. konnte es so sein. Davon gab es in der Stadt Koblenz und in ihren Vororten jede Menge. Aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sind diese Arbeitsstellen bekannt: 205 verschiedene Winzer und Bauern, 44 Gaststätten, 32 Hotels, 26 Gärtnereien/Gartenbaubetriebe, 12 Bäckereien, 11 Schuhmacher, 9 Bauunternehmen, 9 Kaufleute sowie 5 Lebensmittelhandlungen – bei denen mindestens einer, oftmals mehrere Zwangsarbeiter arbeiten mussten.
Bei größeren Betrieben waren sehr oft mehr Zwangsarbeiter beschäftigt. So wissen wir beispielsweise von Zwangsarbeiterinnen bei den Vereinigten Weingutbesitzern. Bei einer Sektfirma, wahrscheinlich der Sektkellerei Deinhard, waren indische Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz. Sie wurden von zwei Soldaten der Wehrmacht bewacht und nachts in ihrem Schlafraum eingesperrt. Andere Arbeitsstellen waren die städtische Ziegelei in Moselweiß oder auch die Flachsröste Mittelrhein in Metternich. Bekannt ist, dass in der Grube Mühlenbach in Arenberg schon 1941 Kriegsgefangene beschäftigt waren. Nach einer Auflistung von Ende 1942 war das dortige Bergmannsheim belegt mit: 3 Italienern bzw. Jugoslawen, 23 französischen Kriegsgefangenen, 2 Wachleuten, 6 Ostarbeiterinnen und 35 deutschen Arbeitskräften. Eine andere größere Arbeitsstelle war die Kärlicher Ton- und Schamotte-Werke Mannheim & Co KG in Kärlich (heute: Mülheim-Kärlich). Dort arbeiteten zahlreiche Ostarbeiter und auch Kriegsgefangene, untergebracht waren sie getrennt in jeweils einem Lager.
Junger Gewerkschafter: Kurzbiografie Norbert Widok
Ein Beispiel für ein Schicksal eines jungen Polen in vielen Lagern ist die Geschichte von Norbert Widok. 1921 oder 1922 in einem Ort in der damaligen Provinz Posen geboren, besuchte der Bauernjunge in der Kreisstadt das Gymnasium. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 und der Besetzung Polens kamen SS-Männer auf den Bauernhof der Eltern. Der Vater wurde erschossen, die Mutter und Schwester wurden zur Zwangsarbeit verschleppt. Der 17-jährige Norbert wurde verhaftet. Außer ihm wurden nach und nach noch 200 weitere Schüler verhaftet. Man warf ihnen vor, einen Aufstand geplant zu haben. Ein Prozess vor einem Sondergericht endete mit Freispruch, weil man ihnen nichts nachweisen konnte.
Norbert Widok kam aber nicht frei, sondern stattdessen in „Schutzhaft“ bei der Gestapo. Währenddessen wurde in Bassenheim bei Koblenz in der Gemarkung „Eiserne Hand“ ein Gefangenenarbeitslager mit mehreren Baracken eingerichtet. Es gehörte organisatorisch zum Gefängnis Koblenz. Wie andere Lager in der Umgebung auch, wurde es zusammen mit dem „Unternehmen Reichsautobahn“ betrieben. Bis zu 300 Gefangene, vor allem polnische, wurden dort zum Bau der Reichsautobahn Koblenz – Trier (heute Autobahn A 48) eingesetzt.
Der 18-, 19-jährige Norbert Widok wurde einer von ihnen. Ende 1940 verschleppte man ihn im Güterwaggon nach Bassenheim. Dann ging es vom Bahnhof weiter zum Lager. Später sagte er: „Am schlimmsten waren die mit Knüppeln bewehrten SS-Leute und ihre Hunde, die darüber wachten, dass niemand davonlief.“ Nach etwas mehr als einem Jahr wurde der Reichsautobahnbau eingestellt und das Lager „Eiserne Hand“ aufgelöst.
Daraufhin wurde Norbert Widok weiter verschleppt nach Siegburg in eine Zellstofffabrik. Die Arbeitsbedingungen dort waren lebensgefährlich. Er floh durch die Kanalisation, wurde aber gefasst. Die Folge war die Einweisung in das Strafgefangenenlager Neusustrum bei Papenburg im Emsland.
Die Odyssee hatte da noch kein Ende. Weiter verschleppte man ihn in das Konzentrationslager Groß-Rosen in Schlesien. Dort verübte der KZ-Arzt Josef Mengele medizinische Versuche an ihm. Später sagte Norbert Widok: „Ich bekam eine Spritze, die mich für zwei Tage bewusstlos machte, danach drei Wochen lang Medikamente. Ich war völlig geschwächt und wurde täglich untersucht.“
Die letzte Station seiner Leiden war das KZ Theresienstadt. Im März 1945 gelang ihm mit Hilfe eines russischen Offiziers die nächtliche Flucht. Bis nach Prag schlug er sich durch, dort wurde er im Mai 1945 von der Roten Armee endgültig gefreit.
Im Jahr 2001 besuchte der inzwischen 79-jährige Norbert Widok erstmals wieder die „Eiserne Hand“ bei Bassenheim, einer der Orte seiner Verfolgung und sagte: „Die Erniedrigungen, die Folter, die unmenschliche Behandlung, es war die Tragödie meines Lebens.“
V. Station: Hauptfriedhof - Eingang
Kurzvortrag: Joachim Hennig: Kleine Geschichte der ZwangsarbeiterInnen – Teil 2
Das nationalsozialistische Deutschland schuf eines der größten Zwangsarbeits-Systeme der Geschichte. Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten insgesamt über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge im Deutschen Reich. Auch in den besetzten Gebieten wurden Millionen Männer, Frauen und Kinder zur Arbeit für den Feind gezwungen.
Dazu eine Momentaufnahme von August 1944: Heute vor 75 Jahren waren im Gebiet des „Großdeutschen Reiches“ mehr als 7,6 Millionen ausländische „Arbeitskräfte“ als beschäftigt gemeldet, davon 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen zivile Arbeitskräfte; darunter 1,7 Millionen Polen und 2,8 Millionen sowjetische Staatsbürger.
Die Stimmung der Bevölkerung wurde gegenüber den Ausländern mit zunehmendem Krieg und den alliierten Luftangriffen immer schlechter. Nicht nur, dass die Zwangsarbeiter diesen Angriffen weitgehend ungeschützt ausgeliefert waren – sie durften keine Luftschutzkeller aufsuchen – und die nicht gezündeten Bomben und die Schäden beseitigen mussten, sie wurden auch für diese Angriffe verantwortlich gemacht.
Schon im Februar 1943 hieß es in einer Meldung des Sicherheitsdienstes der SS (SD) Koblenz:
Die Polen und insbesondere die Russen werden viel zu human behandelt. Das Arbeitstempo der Sowjetrussen ist nur dann ein gutes, wenn ein handfester Wachmann, Bauer oder Vorarbeiter dabeisteht, von dem der Sowjetrusse weiß, dass er unter Umständen auf der Stelle Prügel zu erwarten hat. Nur Arrest bei Wasser und Brot und gegebenenfalls Dresche werden das Gros dieser Leute zu einer anständigen Arbeitsleistung auf die Dauer zwingen können.
Zur gleichen Zeit schrieb ein französischer Arbeiter nach Hause:
Ich hoffe, dass es bald zu Ende ist, denn hier haben die Leute eine Gesinnung wie die Wilden. Die fünfjährigen Rangen bedrohen uns schon auf der Straße. Man beißt sich förmlich die Finger ab, weil man nichts sagen darf; man muss alles einstecken.
Es sollte dann noch mehr als zwei Jahre dauern und Millionen und Abermillionen Menschenleben kosten, bis das nationalsozialistische Deutschland besiegt und die Menschen befreit waren.
Viele kehrten nicht in ihre Heimatländer zurück, die meisten, weil sie hier zu Tode gekommen sind. Auf dem Koblenzer Hauptfriedhof sind mehr als 700 ausländische Arbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge beerdigt: 630 Staatsbürger der Sowjetunion, 57 Polen, 11 Jugoslawen, 2 Tschechen und andere – unter ihnen allein 78 Kinder.
Das sind aber noch längst nicht alle Toten aus Koblenz und Umgebung. Viele dieser ausländischen Opfer wurden nicht hier beerdigt, sondern in das Krematorium nach Mainz geschafft, eingeäschert und dann auf dem Waldfriedhof in Mainz-Mombach zur Erde gebracht. Und selbst die in Koblenz Beerdigten sind nicht mehr vollständig auf dem Hauptfriedhof vorhanden. Denn die allermeisten Toten aus den westlichen Ländern wurden nach dem Krieg exhumiert und in ihre Heimatländer überführt.
Abschluss: Superintendent Rolf Stahl.