Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Als SPD-Funktionär ins KZ

Teil 7 der RZ-Serie von Joachim Hennig über Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz vom 21. Dezember 2000:

Johann Dötsch

Mit Hitlers Vorbereitungen auf den II. Weltkrieg nahm der Terror weiter zu. Für die Bevölkerung im „Reich“ schufen die Nazis ein Sonder(straf)recht, das vielfach die Todesstrafe vorsah. Zugleich verlor das Strafrecht seine Bedeutung als Sanktion. Immer mehr ging die Gestapo dazu über, Menschen auch ohne Strafverfahren in Konzentrationslagern in „Schutzhaft“ zu nehmen. Die Nazis hatten es nicht mehr nötig, sich des „Rechts“ als Unrechtsinstruments zu bedienen: sie setzten den Terror unmittelbar ein. Eines dieser Opfer war der SPD-Funktionär und Gewerkschafter Johann Dötsch.

1890 in dem damals noch selbständigen Metternich geboren, absolvierte er eine Maurerlehre. Nach seiner Einberufung zum Militärdienst wurde er Berufssoldat und nahm am I. Weltkrieg teil, zuletzt als Feldwebel-Leutnant. 1919 trat er der SPD bei. Er arbeitete sich über den Ortsverein Metternich bis zum Parteisekretär und Vorsitzenden des Unterbezirks Koblenz hoch. 1927 schied er aus dem  inzwischen eingegangenen Beamtenverhältnis beim Hauptversorgungsamt Koblenz aus, um sich ganz der SPD widmen zu können. Von 1929 bis 1933 war er gewähltes Mitglied des Provinziallandtages der Rheinprovinz.

Schon kurz nach dem SPD-Verbot im Juni 1933 kam Dötsch in „Schutzhaft“ in Koblenz. Eine längere Haft blieb ihm aber erspart, allerdings kam er 1933 noch einmal kurz in „Schutzhaft“. Inzwischen waren die Organisationsstrukturen der SPD zerschlagen, viele Funktionäre in der Emigration, Mitglieder resigniert und/oder mundtot gemacht. Dötsch musste für sich und seine Familie eine neue Existenz aufbauen. So wurde er notgedrungen Handlungsreisender in Seifenartikel. Ansonsten durfte er seinen Wohnsitz nicht verlegen und musste unauffällig leben, denn als früherer SPD-Funktionär wurde er überwacht.  

Am 1. September 1939 begann der von Hitler entfesselte II. Weltkrieg. Für Dötsch überschlugen sich die Ereignisse: Zum 2. September erhielt er eine Einberufung zur Wehrmacht als Hauptmann der Reserve. Doch zuvor - am 1. September - wurde er in Koblenz überraschend verhaftet und ging von hier aus „auf Transport“ ins Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin. Ein solches Schicksal widerfuhr ihm - im Rahmen der „A-Kartei“-Aktion - zusammen mit ca. 850 Parteifunktionären und Gewerkschaftern.

Im KZ erhielt er die Häftlingsnummer 2357 und wurde wie viele andere auch unendlich gequält. Versuche, ihn freizubekommen - und sei es auch nur als Soldat  - scheiterten. Er war bis zum Skelett abgemagert, als er mit den anderen Häftlingen kurz vor Kriegsende auf den Evakuierungs-/Todesmarsch geschickt wurde. Die völlig entkräfteten Häftlinge wurden zur Ostsee getrieben; wer nicht weiter konnte, erhielt den Genickschuss. Anfang Mai setzte sich die SS ab, endlich war man frei.

Dötsch blieb noch im Mecklenburgischen, zunächst um wieder zu Kräften zu kommen, später wegen der Nachkriegsverhältnisse. Erst im Oktober 1945 konnte er nach Koblenz zurückkehren. Er war Mitbegründer der SPD in Koblenz und  
ab 1. Januar 1946 Präsidialdirektor („Minister“) für Arbeit und Soziales der Provinz Rheinland-Hessen/Nassau. Am 2. Oktober 1946 starb Johann Dötsch an einem Herzleiden, das er sich im KZ zugezogen hatte.