Veranstaltung in der ZBV Koblenz in der Hoevelstraße zur Erinnerung an die Widerstandskämpfer
André und Anneliese Hoevel und Jakob Newinger
Im Mai präsentierte die Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle (ZBV) bei der Oberfinanzdirektion Koblenz in der Hoevelstraße in Koblenz die Personentafeln der Eheleute Anneliese und André Hoevel und von Jakob Newinger. Zur Eröffnung hielt unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig einen Vortrag zum Thema „Warum heißt die Hoevelstraße eigentlich so?“. Ehrengäste der Veranstaltung waren Frau Margot Holl, die Tochter von Jakob Newinger, und auch ihre Tochter, die bei der ZBV beschäftigt ist sowie Angehörige von André Hoevel.
Einen Bericht aus den OFD-Nachrichten 2 - 2005 HIER lesen
Personentafeln unseres Fördervereins in Vallendar-Schönstatt.
Zur gleichen Zeit stellte unser Förderverein einer Veranstaltung der Schönstatt-Bewegung in Vallendar-Schönstatt einige Personentafeln mit Biografien von Schönstätter Opfer des Nationalsozialismus zur Verfügung.
Ausstellung „‘Es war eine Fahrt durch die Hölle.‘ – Zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 60 Jahren“ in der Gedenkstätte KZ Osthofen.
Im Juni zeigten wir unsere Ausstellung „’Es war eine Fahrt durch die Hölle’ – Zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 60 Jahren“ in der landeseigenen Gedenkstätte KZ Osthofen bei Worms.
Lesen Sie HIER den Flyer zur Ausstellung.
Der stellvertretende Vorsitzende unseres Fördervereins Joachim Hennig gab dazu eine Einführung in die Ausstellung und erinnerte zugleich an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 60 Jahren.
Lesen Sie die Einführung von Joachim Hennig in die Ausstellung:
Einführung in die Ausstellung „Es war eine Fahrt durch die Hölle“
Liebe Besucherin, lieber Besucher!
Ich begrüße Sie sehr herzlich in der Ausstellung „Es war eine Fahrt durch die Hölle“.
Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Joachim Hennig. Ich bin von Beruf Richter und habe diese Ausstellung des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V. erarbeitet.
Das Motto der Ausstellung „Es war eine Fahrt durch die Hölle“ stammt von einer jungen Frau aus Koblenz. Es ist Eva Salier, die in Koblenz, im Stadtteil Horchheim, geboren wurde. Ich habe sie hier in der Ausstellung an erster Stelle porträtiert. Sie ist in Koblenz zur Schule gegangen, erst in Horchheim zur Volksschule – wie die Grundschule früher hieß –, dann zum Gymnasium, zur Hilda-Schule. Diese Schule gibt es heute noch. Schon bald nach der so genannten Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 – also vor mehr als 70 Jahren – hat man sie – so würde man heute sagen – gemobbt, gemobbt von Lehrern und Mitschülerinnen gleichermaßen. Sie musste in der letzten Bank sitzen, wurde im Unterricht nicht drangenommen und man nannte sie „Unkraut“, beschimpfte und bespuckte sie. Das ganze hatte einen einzigen Grund. Evas Eltern waren Juden und Eva war es damit auch. Sie wissen, Hitler und die Nazis hatten einen Rassenwahn, sie meinten „die Juden seien das Unglück des deutschen Volkes“. Das nennt man Antisemitismus. Wir haben diese Einstellung und das Verhalten ja heute noch bei den Neonazis. Dieser Antisemitismus im Nationalsozialismus begann also schon 1933 – wenn auch noch im Kleinen und vergleichsweise harmlos – wobei es natürlich demütigend ist, wenn man in der Klasse als „Unkraut“ beschimpft und bespuckt wird und sich nicht richtig wehren kann, weil einem keiner hilft. Aber was danach kam, war dann doch noch viel schlimmer. Denn am Ende dieses Antisemitismus stand Auschwitz – die fabrikmäßige Ermordung der europäischen Juden.
Damals – in Koblenz – wusste Eva Salier noch nichts davon. Mitte der 30er Jahre nahmen aber die Diskriminierungen zu.1936 musste sie die Schule verlassen, weil die Schule – wie es hieß – „judenrein“ sein wollte. Um weiter zur Schule gehen zu können, schickte ihre Mutter sie – ihr Vater war inzwischen gestorben – nach Holland. Der verstorbene Vater war Holländer und so kam Eva zu den Verwandten ihres Vaters. Damals war Eva 13 – 14 Jahre alt. Sie fühlte sich in Holland – einem fremden Land, mit fremder Sprache und ohne Eltern – allein und verloren. Die Eingewöhnung fiel ihr sehr schwer. Zwei Jahre später kam ihre Mutter auch nach Holland. Eva hat dann ein ähnliches Schicksal erlebt wie Anne Frank. Anne Frank ist ja Anfang der 30er Jahre zusammen mit ihren Eltern von Frankfurt/Main aus nach Amsterdam ausgewandert. Eva Salier und auch ihre Mutter sind einige Jahre später von Koblenz aus nach Holland gezogen.
Eine Zeitlang ging es ihnen – bei allen Schwierigkeiten – noch ganz gut in Holland. Dann hat Hitler-Deutschland am 10. Mai 1940 die westlichen Nachbarstaaten Deutschlands überfallen: Luxemburg, Belgien und Holland und schließlich auch Frankreich. Sie erinnern sich bestimmt, dass sich nach der Invasion der Deutschen Anne Frank und ihre Familie in Amsterdam verstecken mussten, um als Juden nicht verfolgt zu werden. Auch Eva musste sehr aufpassen, hatte aber zunächst wie Anne Frank noch Glück. Bei einer „Selektion“ für ein Arbeitslager wurde sie, weil sie sich von den anderen abseits gestellt hatte, einfach „vergessen“. Unter einer anderen Identität konnte sie untertauchen. Später wurde sie aber doch festgenommen und wie ihre Mutter und Großmutter in ein Arbeitslager in Holland gebracht. Dort verlor sie bei einer „Selektion“ ihre Mutter und ihre Großmutter. Eva kam alsbald in das Lager „Vught“, das sie „Vorhölle“ nennt. Von dort aus wurde sie in einem Viehwaggon nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Damals war Eva 21 Jahre alt. Sie überlebte die Hölle von Auschwitz und auch die anschließende so genannte Evakuierung. Heute lebt sie im Alter von über 80 Jahren in den USA.
Eva Salier ist also eine Überlebende von Auschwitz. Von Auschwitz haben wir vor allem in der letzten Zeit – aus Anlass der 60. Wiederkehr der Befreiung des KZ am 27. Januar 2005 - viel gehört.
Auschwitz ist der größte Friedhof in der Geschichte der Menschheit. Und dabei gab es drei „Auschwitz“: Das so genannte Stammlager Auschwitz („Auschwitz I“), das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau („Auschwitz II“) und Monowitz, die Buna-Werke in Auschwitz („Auschwitz III“). Nach verschiedenen Schätzungen wurden allein im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 1,2 bis 1,6 Millionen Menschen ermordet.
Am 27. Januar 2005 haben wir die Befreiung des KZ Auschwitz begangen. Dieses Datum war für den Förderverein Mahnmal Koblenz der Anlass, uns gerade an diese Opfer zu erinnern und ihnen eine Ausstellung zu widmen.
Die Befreiung des KZ Auschwitz war dabei vergleichsweise unspektakulär. Am Nachmittag des 27. Januar 1945 betraten Soldaten der Roten Armee Auschwitz. Die Lager waren von den Wachmannschaften verlassen. In Birkenau fand die Rote Armee die Leichen von 600 Gefangenen, die nur Stunden vor der Befreiung des Lagers getötet worden waren. 7.650 kranke und erschöpfte Gefangene wurden fürs erste gerettet: 1.200 im Stammlager Auschwitz, 5.800 in Auschwitz-Birkenau und 650 in Auschwitz III, in Monowitz. In den Lagerhäusern fanden die Befreier 350.000 Männeranzüge, 837.000 Frauenkleider und große Mengen an Kinder- und Babykleidung. Zusätzlich fanden sie Zehntausende Paar Schuhe und 7,7 Tonnen menschliches Haar in Papiertüten, fertig für den Transport verpackt.
Über diese historischen Ereignisse hinaus, die sich am 27. Januar 2005 zum 60. Mal gejährt haben, ist „Auschwitz“ aber noch etwas anderes: Auschwitz ist im nationalen und auch internationalen Sprachgebrauch inzwischen das Synonym für Unmenschlichkeit, Völkermord, Rassenwahn und Intoleranz.
In der Ausstellung, die Sie hier sehen, zeigen wir insgesamt 16 Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung. Neben Eva Salier sind das noch 15 weitere Opfer. Die meisten von ihnen – 10 Personen bzw. Familien – sind Juden. Fast alle dieser jüdischen Mitbürger sind von Koblenz oder aus der näheren Umgebung von Koblenz deportiert worden. Die meisten dieser Juden sind aber nicht nach Auschwitz verschleppt worden. Die ersten Transporte von Koblenz aus – mit Hunderten von Juden – gingen nicht nach Auschwitz, sondern nach Izbica bei Lublin, das liegt auch im heutigen Polen. Dort kamen sie in ein Judenghetto und wurden dann nach einigen Wochen – als Platz für ihre Ermordung war – umgebracht. Man trieb sie in Viehwaggons, fuhr sie bis vor die Vernichtungslager in der näheren Umgebung, nach Belzec, Chelmno oder Sobibor und trieb sie dort aus den Waggons auf das Gelände der Vernichtungs-lager. Sie mussten ihre letzten Wertsachen abliefern, sich nackt ausziehen und dann wurden sie in die Gaskammern getrieben und mit Gas ermordet. Anschließend hat man sie verbrannt.
Die weitaus größte Opfergruppe, die in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern wie Sobibor, Belzec und Chelmno ermordet wurde, waren die Juden. Deutsche Juden, aber auch Juden aus den von Deutschland während des Zweiten Weltkrieges besetzten Ländern, wie z.B. Holland. Aus Holland wurden nicht nur deutsche Juden – wie Eva Salier und Anne Frank – deportiert, sondern natürlich auch holländische Juden.
Von Koblenz aus hat es sechs Deportationen von Juden in die Vernichtungslager des Ostens gegeben. Opfer waren etwa 900 Menschen. Einer von ihnen war übrigens der berühmte expressionistische Dichter Jakob van Hoddis. Sehr bekannt ist sein Gedicht „Weltende“. Er lebte als psychisch Kranker fast 10 Jahre lang in einer Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn, ganz in der Nähe von Koblenz. Im Jahre 1942 wurde er unter seinem bürgerlichen Namen Hans Davidsohn von Bendorf-Sayn über den Güterbahnhof Koblenz-Lützel in das Ghetto Izbica deportiert und dann wenig später in einem Vernichtungslager im Osten vergast.
Von den hier porträtierten Juden möchte ich noch Heinz Kahn, gebürtig aus Hermeskeil, besonders erwähnen. Er wurde im Alter von 20 Jahren zusammen mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester von Trier aus nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. An der Rampe wurden seine Eltern und seine Schwester für den Mord im Gas selektiert, Heinz Kahn überlebte. Seit über 50 Jahren lebt und praktiziert Dr. Kahn als Tierarzt in Polch bei Mayen. Seit vielen Jahren ist er Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde von Koblenz. Über und mit ihm können Sie am Fernsehgerät einen Film sehen, in dem er im Zeitzeugengespräch mit mir aus seinem Leben erzählt.
Darüber hinaus sehen Sie in dieser Ausstellung noch weitere Porträts. Drei Tafeln sind Sinti – „Zigeunern“ wie man so sagt - gewidmet. Eine der Tafeln beschreibt das Schicksal von Daweli Reinhardt. Mit ihm zusammen habe ich vor zwei Jahren ein Buch über sein Leben geschrieben. Alle hier porträtierten Sinti sind 1943 bzw. 1944 von Koblenz aus nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden.
Schließlich zeigen wir in der Ausstellung noch drei weitere Porträts. Eins ist der Tochter des früheren evangelischen Pfarrers von Winningen gewidmet, ein zweites einer Zeugin Jehovas aus Bad Kreuznach und ein drittes einer ukrainischen Zwangsarbeiterin, die in Koblenz hatte arbeiten müssen. Alle drei Frauen sind aus unterschiedlichen Gründen nach Auschwitz deportiert worden. Von diesen dreien hat nur die Zeugin Jehovas Auguste Schneider überlebt. Die Tochter des evangelischen Pfarrers von Winningen ist zwar am 27. Januar 1945 von der Roten Armee in Auschwitz befreit worden, dann aber wenig später völlig erschöpft und entkräftet im Alter von 70 Jahren in Auschwitz gestorben. Von der ukrainischen Zwangsarbeiterin Lydia Gritzenko ist nichts Näheres bekannt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sie in Auschwitz ermordet wurde. Die Nazis haben die Russen und andere slawische Völker als so genannte Untermenschen angesehen und einen „Vernichtungskrieg“ gegen sie geführt. Da wird auch Lydia Gritzenko in Auschwitz nicht überlebt haben.
Das soll als Einführung in die Ausstellung genügen. Nun haben Sie Gelegenheit, sich die 16 Ausstellungstafeln anzusehen. Zu jeder Tafel gibt es eine Lesemappe mit weiteren Informationen. Vielleicht noch ein Tipp: Dem, der sich nicht in alle 16 Lebensschicksale vertiefen kann, sich aber einen exemplarischen Einblick verschaffen möchte, empfehle ich, sich einige wenige Einzelschicksale auf den Tafeln anzuschauen und das so Erfahrene mit den ausgelegten Lesemappen zu vertiefen. Den Film über und mit dem Zeitzeugen Dr. Heinz Kahn sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Er dauert etwa eine Stunde und kann auch in Ausschnitten betrachtet werden.
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit.
Die Ausstellung wurde auch im Rahmen der Info-Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz am 11. Juni 2005 in der Gedenkstätte KZ Osthofen gezeigt. Dazu gab der stellvertretende Vorsitzende Joachim Hennig ebenfalls eine Einführung.