Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Ausstellungseröffnung

Ebenfalls aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus zeigte das Bischöfliche Cusanus-Gymnasium Koblenz die Wanderausstellung der Kulturinitiative Freiburg „Die Weiße Rose – Gesichter einer Freundschaft“. Zur Ausstellungseröffnung im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium gab unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig eine Einführung.

 

Das Bild zeigt Joachim Hennig (re.) mit Schülern der Arbeitsgemeinschaft Geschichte / Politik am Bischöflichen Cusanus-Gymnasium in Koblenz

 

Die Rede von Joachim Hennig, die er unter das Thema gestellt hat Willi Graf - Der Graue Orden und Koblenz ” wird nachfolgend dokumentiert:

Einführung in die Ausstellung „Die Weiße Rose“ am 26. Januar 2007 im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium in Koblenz

von Joachim Hennig


Sehr geehrter Herr Lescher, sehr geehrte Damen und Herren Lehrer, liebe Schülerinnen und Schüler,

ich freue mich, heute hier im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Sie/Euch in die Ausstellung „Die Weiße Rose – Gesichter einer Freundschaft“ der Kulturinitiative Freiburg e.V. einführen zu dürfen. Als ich vor zwei Wochen deswegen angefragt wurde, habe ich spontan zugesagt. Ich komme immer wieder gern ins Bischöfliche Cusanus-Gymnasium zur Ausstellungseröffnung. Ich weiß, dass Ihre Schule in besonderem Maße bei der Gedenkarbeit engagiert ist. Gerne denke ich an die hier zum 27. Januar 2004 gezeigte Ausstellung „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben“ über die Jugendkonzentrationslager Moringen und Ucker-mark zurück und an die im letzten Jahr zum 27. Januar hier gezeigte Ausstellung „’Wir können nur vorwärts, denn hinter uns ist der Tod.’ NS-Opfer aus der Region Koblenz und Neuanfang vor 60 Jahren.“ Die erstgenannte Ausstellung hatte 2004 der Förderverein Mahnmal Koblenz hier nach Koblenz geholt, im letzten Jahr hat der Förderverein Mahnmal Koblenz seine eigene Ausstellung hier präsentiert. Diese Ausstellung habe ich übrigens vor einer Woche im Landtag des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz mit eröffnet. Sie ist dort im Foyer des Landtages noch bis zum 2. Februar zu sehen. In einer Sondersitzung des Landtages am 27. Januar wird Dr. Heinz Kahn, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde von Koblenz, aus seinem Leben als Überleben-der des Holocaust berichten und Enkel des ins „Zigeunerlagers“ von Auschwitz-Birkenau verschleppten Daweli Reinhardt werden diese Gedenksitzung des Landtages musikalisch umrahmen.

Der 27. Januar ist ja bekanntlich der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Im Jahre 1996 er von dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert. Vom Datum her erinnert er an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee. Er ist kein offizieller „Feiertag“, aber ein Gedenktag, an dem die öffentlichen Gebäude beflaggt sein und an dem Gedenkveranstaltungen stattfinden sollen. Seit dem Jahre 1998 wird der Gedenktag hier in Koblenz durch die Initiative des Fördervereins Mahnmal Koblenz begangen. Seitdem wird eine Gedenkveranstaltung in einer der Koblenzer Innenstadtkirchen begangen. Dabei sprechen der Herr Oberbürgermeister Dr. Eberhard Schulte-Wissermann und der Vorsitzende des Fördervereins Mahnmal Koblenz, es wird ein christlich-jüdisches Gebet von Pfarrern der christlichen Kirchen und dem Kantor der jüdischen Gemeinde. Seit der Errichtung des Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz im Jahr 2001 versammelt man sich zunächst am Mahnmal und gedenkt der Koblenzer NS-Opfer. Der Herr Oberbürgermeister verliest Namen von Opfern, denen in dem Jahr besonders gedacht werden. Deren Lebensläufe werden mit einer Rose an den Gitterstäben des Mahnmals angebracht. Fast regelmäßig hat der Förderverein Mahnmal Koblenz dazu eine Ausstellung präsentiert. Das ist in diesem Jahr nicht so, weil der Förderverein ja die Ausstellung im Landtag in Mainz zeigt. Stattdessen findet morgen im Stadtgebiet von Koblenz an 10 verschiedenen Orten die „Stolperstein-Aktion“ statt. Hierbei werden kleine Steine, dort wo die durch die Nazis ermordeten Menschen zuletzt gelebt haben, in das Straßenpflaster eingelassen. Auf den Steinen stehen der Name und die Lebensdaten der Opfer.

Eine besondere Verantwortung für diesen Gedenktag tragen die Schulen. Sie sind seit 1997 durch den damaligen Bildungsminister Zöllner aufgerufen, diesen Tag in geeigneter Weise vorzubereiten, z. B. durch Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen oder den Besuch der landeseigenen Gedenkstätten in Osthofen und Hinzert. Wichtig ist dabei – so Minister Zöllner – die Spurensuche vor Ort. Persönliche Belange können vor allem durch regionale und lokale Recherchen hergestellt werden, dabei können insbesondere Lebensläufe und Leidenswege nachvollzogen werden.

Dies tut Ihre/Eure Schule ja seit Jahren engagiert. Heute nun zeigt Ihre/Eure Schule dazu die Ausstellung „Die Weiße Rose“. Der Name „Weiße Rose“ ist der Name eines Freundschaftskreises. Mitglieder dieses Kreises, vor allem in München lebende Studenten, haben im Sommer 1942 Flugblätter hergestellt und dort und auch in anderen Städten des damaligen Deutschen Reiches verbreitet. Die „Weiße Rose“ ist eine der bekanntesten Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus, der man schon relativ früh in der Bundesrepublik Deutschland ein ehrendes Andenken bewahrte. Während andere Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen es nach dem Krieg sehr schwer hatten, überhaupt wahrgenommen oder als Widerständler und nicht als Kriminelle und „Vaterlandsverräter“ angesehen zu werden, gab es einen breiten bürgerlichen Konsens für die Anerkennung und Würdigung der Leistungen der „Weißen Rose“. Plätze, Straßen, Schulen und andere Institutionen tragen ihren Namen. Gedenktafeln und Gedenkstätten wurden und werden für sie errichtet. Ausstellungen sind ihnen gewidmet. Biografien und Dokumentationen, Rundfunk- und Fernsehsendungen, Opern, Theaterstücke und Filme, ein Literaturpreis, Briefmarken und sogar ein Intercity der Deutschen Bahn AG erinnern an die Weiße Rose. Ganz aktuelle Ergebnisse dieser „Erinnerungskultur“ sind der Film „Sophie Scholl“ und auch die hier präsentierte Ausstellung „Die Weiße Rose“.

Warum – so fragt man sich angesichts dieser großen und langjährigen Aufmerksamkeit und Anerkennung – warum erinnert man sich gerade an die „Weiße Rose“?

Ich denke, es sind vor allem drei Gründe, die der „Weißen Rose“ besondere Beachtung und Anerkennung gebracht haben:

Zum einen gehören die Mitglieder der „Weißen Rose“ der bürgerlichen Schicht an. Sie sind keine Proletarier, keine Kommunisten, die die größte Gruppe der Widerstandskämpfer, der Widerständler ausmachten, die aber nur schwer in der Nachkriegszeit der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen wurden, geschweige denn Anerkennung fanden.

Zum anderen treffen wir bei den Mitgliedern der „Weiße Rose“ auf Christen, die sich anders verhielten als die kirchliche Mehrheit. Flugblätter der „Weißen Rose“ haben an dem verbrecherischen Charakter des NS-Systems als Ganzem keinen Zweifel gelassen und haben auch die staatlich organisierte Ermordung von Juden und Polen angeprangert.

Und drittens waren deren Mitglieder nicht erfahrene Politiker, Gewerkschaftsführer, Militärs oder Diplomaten, sondern junge Menschen, die im Namen der deutschen Jugend“ ihre Stimme erhoben. Es waren Menschen, die 1933 erst 15 Jahre alt waren oder jünger und die sich unter der herrschenden Propagandaglocke ihr politisches und moralisches Urteil in geistiger Selbstbehauptung hatten bilden müssen.

Es waren also – wie man so sagt – Menschen wie Du und ich, die von ihrer sozialen und beruflichen Herkunft der eigenen Sozialisation entsprachen. Diese Menschen handelten zudem aus christlichem Glauben heraus im Sinne der Humanität und waren jung, so dass sie gerade jungen Menschen ein glaubwürdiges Leitbild vermitteln konnten.

Diese jungen Menschen, Studenten, der „Weißen Rose“ muss man dabei mit als Reaktion auf die damalige offizielle „Jugend-politik“ der Nazis sehen. Für die Nationalsozialisten hatte die Jugend einen ganz besonderen Stellenwert. Für die damalige Jugend fing bei den Nazis und im Nationalsozialismus alles so positiv und bedeutsam an. „Macht Platz ihr Alten!“ lautete 1927 die zündende Devise von Gregor Strasser, dem Reichsorganisa-tionsleiter der NSDAP. Die Nazis waren die Partei „der Jungen“. Fortan sollte Jugend von Jugend geführt werden. Die Bedeutung der jungen Generation wurde aufgewertet – durch Uniformen und Aufmärsche, spektakuläre Wettkämpfe und öffentliche Auszeich-nungen. – Aber schon ideologisch wurde diese Jugend ausgenutzt – als Partei- und Staatsjugend nach dem Gesetz über die Hitler-Jugend von 1936 als „Soldaten einer Idee“. Man beraubte sie aller Freiräume und autonomen Gestaltungsmöglichkeiten. Zugleich setzte man sie im NS-Spitzel- und Überwachungssystem infam ein: Ältere, auch Eltern und Lehrer, liefen Gefahr, wegen regime-kritischer Äußerungen von regimetreuen Jüngeren denunziert zu werden. Das Generationsverhältnis als Abhängigkeit und Kon-trolle hatte sich umgekehrt. Hitler selbst hat es propagandistisch einmal so umschrieben: „Wir Alten sind verbraucht... Aber meine herrliche Jugend! Gibt es eine schönere auf der ganzen Welt? Sehen Sie sich diese jungen Männer und Knaben an! Welch Mate-rial. Daraus kann ich eine neue Welt formen. Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden... Eine gewalt-tätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich.“

Ein derartiges System musste gewachsene jugendeigene Gruppen, die in Opposition zum Nationalsozialismus standen bzw. sich von ihm nicht vereinnahmen ließen, bekämpfen, gleich- und ausschalten. Zudem brachte ein solches System jugendeigenen Widerstand und jugendeigene Resistenz hervor. Dies waren Gruppen und später auch nur noch einzelne aus dem bündischen, dem christlichen und dem Arbeiter-Milieu. Am bekanntesten sind aus der Zeit des Krieges – zu einem Zeitpunkt, in dem diese überkommenen Gruppen längst zerschlagen oder gleichgeschaltet waren – bestimmte informelle Gruppen. Eine solche informelle Gruppe war die „Weiße Rose“.

Die Weiße Rose“ war ein zwangloser Kreis von Gleichgesinnten – ohne organisatorische Struktur, ohne eingetragene Mitgliedschaft und ohne programmatisch festgelegte Ziele und Anweisungen. Es war ein Freundschaftsbund, dessen Dynamik manche Außenkontakte hervorbrachte. Ihre Mitwirkenden waren zehn bis 15 junge Medizinstudenten. Dazu kamen einige Studentinnen der Medizin, der Philosophie und der Sprachen; auch 17jährige Schüler waren darunter, die bei der Versendung von Flugblättern halfen. Einbezogen waren auch ältere Freunde, Schriftsteller, Buchhändler, Architekten, Maler und Gelehrte. Den Kern dieser Gruppe bildeten die Geschwister Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf und Prof. Dr. Kurt Huber, ein Volksliedforscher und Philosoph.

Was sie wollten, was sie als ihren Beitrag und den einzigen Weg aus dem Übel betrachteten, das war die Überwindung der Gleich-gültigkeit und Feigheit, die nach ihrer Auffassung die (eigentlichen) Ursachen der moralischen Katastrophe des Nationalsozialismus waren. Dazu verfassten und verbreiteten sie 1942/1943 insgesamt sechs Flugblattfolgen, die unter Berufung auf die kulturellen Werte des christlichen Abendlandes und insbesondere auch der deutschen Nation Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit beschworen.

Ich kann nicht auf alle Mitglieder dieses zur „Weißen Rose“ gehörenden Kreises Gleichgesinnter eingehen. Hervorheben möchte ich aber einen: Willi Graf. Warum nun gerade Willi Graf werden Sie/werdet Ihr fragen. Nun die Antwort ist scheinbar einfach. Hier in Koblenz gibt es eine Willi Graf-Schule, das ist eine Grundschule in Neuendorf in der Handwerkerstraße. Die Antwort ist einfach, provoziert aber eine weitere Frage: Warum heißt im Koblenzer Stadtteil Neuendorf eine Schule nach dem Mitglied der „Weißen Rose“ Willi Graf?

Die Antwort möchte ich hier nicht schuldig bleiben. Zunächst müssen wir uns aber fragen, wer war überhaupt Willi Graf.

Willi Graf wurde am 2. Januar 1918 im rheinischen Kuchenheim, heute ist Kuchenheim ein Vorort von Euskirchen, geboren. Er war Sohn eines Molkereibesitzers und stammte aus einer vom katholischen Glauben geprägten Familie. Später zog die Familie nach Saarbrücken, dort wuchs Willi Graf auch auf. Während seiner Schulzeit wurde er Mitglied des katholischen Schülerbundes „Neudeutschland“ (ND). Schon frühzeitig war er auch in der „Liturgischen Bewegung“ engagiert. Als die Nazis die bündischen Jugendverbände auflösten, schloss sich Willi Graf illegalen Gruppen an, vor allem dem „Grauen Orden“. Der „Graue Orden“ war ein Zusammenschluss von etwa 150 jungen Menschen, die eine eigene Lebensform suchten. Er nannte sich „grau“, weil er nach dem Verbot der Bünde unauffällig sein musste. Diejenigen, die dazu gehörten, trugen betont jugendbewegte Kleidung und als Erkennungszeichen eine graue Kordel (Quaste) an der Brusttasche. Die meisten seiner Mitglieder waren katholisch. Sie wurden jedoch von kirchlicher Seite mit Stirnrunzeln und wenig Wohlwollen betrachtet. Grund dafür war, dass sie sich um einen neuen Zugang zur Liturgie bemühten und auf eine „Kirche in der Welt“ hinwirkten, die für die Probleme der Gesellschaft, für Dichtung und Kunst aufgeschlossener war.

Willi Graf blieb auch beim „Grauen Orden“, als er 1937/38 mit dem Medizinstudium an der Universität in Bonn begann. – Und von Bonn bis Koblenz war es dann nicht mehr weit. Dort erfuhr Willi Graf, dass Mitglieder des „Grauen Ordens“ in Koblenz festgenommen worden waren. Einer der Aktivsten war der Koblenzer Alfred Wagner; er besuchte damals das katholische Priesterseminar in Trier. Willi Graf besuchte daraufhin die Familie Wagner in Koblenz-Neuendorf und sprach ihnen Mut und Zuversicht zu.

Alfred Wagner und seine Freunde wurden dann vom Sondergericht Köln, das am 18. und 19. Februar 1938 hier in Koblenz tagte, zu einer Geldstrafe verurteilt, Wagner zu 300.- Reichsmark, ersatzweise 30 Tage Gefängnis. Man warf ihnen vor, dass sie nach dem Verbot der bündischen Jugend noch Fahrten im Stil der bündischen Jugend unternommen haben, und zwar zu Pfingsten 1937 und zu Neujahr 1938 je eine Fahrt nach Waldesch. In dem Urteil des Sondergerichts Köln heißt es dazu u.a.:

Bei diesen Fahrten handelt es sich um Veranstaltungen von einer Gruppe der bündischen Jugend. (…) Das gilt auch für die Koblenzer Gruppe, denn diese kann, auch bis zuletzt, nur in der Geisteshaltung ihre Fahrten gemacht haben, zu der sie erzogen war. Dass diese Haltung bündisch war, geht auch daraus hervor, dass z.B. von Alfred Wagner die Jungenschaftsbluse der d.j.1.11. (d.j.1.11. war eine damals verbotene bündische Gruppe gewesen) getragen wurde, dass bei den Fahrten nach Waldesch eine Kothe mitgeführt wurde, das Lappenzelt, das aus dem Lande übernommen war, welches das „Land der großen Sehnsucht“ der Bünde war. (…) Auch das Liedgut entsprach dem der bündischen Jugend. Der Angeklagte Hoffmann bezeichnet u.a. als Lieder, die „wir“ singen: Platoff preisen wir den Helden; Die Steppe zittert, Asien lebe; Langsam reitet unsere Horde; Soldat, Du bist mein Kamerad, (…) Und wir kauern wieder um die heißen Glut…

Schließlich heißt es in dem Urteil, Alfred Wagner und drei seiner Freunde

haben einer Gruppe angehört, die als Fortsetzung der bündischen Jugend anzusehen ist und durch ihre Betätigung, indem sie sich gegenseitig in bestimmten Ansichten bestärkten, auch auf Jugendliche zum Zwecke der Fortsetzung bündischer Gruppen eingewirkt. Sie waren deshalb wegen Vergehens gegen § 4 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 in Verbindung mit der Anordnung der Preußischen Geheimen Staatspolizei vom 8. Februar 1936 betreffend bündische Jugend zu bestrafen.

Schon bald nach Willi Grafs Besuch in Koblenz bei der Familie Wagner in Koblenz-Neuendorf wurde er selbst mit 17 anderen vor dem Sondergericht Mannheim wegen „bündischer Umtriebe“ angeklagt und für einige Wochen inhaftiert. Wie bei den Koblenzer Mitgliedern des „Grauen Ordens“ wurden auch bei Willi Graf nur unpolitische Tatbestände festgehalten: Unerlaubte Treffen, Lager- und Auslandsfahrten, das Pflegen Bündischen Brauchtums und Gedankenguts, das Benutzen des schwarzen Kothenzeltes der Lappländer, das Sitzen auf Matratzen bei Heimabenden, Fechten mit Stöcken und Peitschen, Spielen auf der Balalaika und immer wieder das Singen „Bündischer Lieder“, auch solcher mit russischem Einschlag. All dies war in den Augen der Nazis und ihrer Richter strafbar, damit wurde die Gesinnung, der Wunsch und Wille nach freiem, autonomem Leben – außerhalb der Staatsjugend HJ – zur Straftat.

Willi Graf setzte dann sein Medizinstudium in München fort. Bald nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er Soldat. Ende 1942 kehrte er zum Studium nach München zurück. Schon bald beteiligte er sich an den Flugblattaktion der „Weißen Rose“. Bei der Verbreitung des 6. Flugblattes der „Weißen Rose“ im Lichthof der Münchner Universität wurden dann Sophie und Hans Scholl am 18. Februar 1943 verhaftet. Noch am selben Abend nahm man auch Willi Graf und andere Mitglieder der „Weißen Rose“ fest. Schon wenige Tage später wurden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs Dr. Roland Freisler zum Tode verurteilt. Die Flugblattverteilung war in den Augen dieses später so genannten Mörders in roter Robe Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraft. Die drei Verurteilten wurden noch am selben Nachmittag im Gefängnis München-Stadelheim durch das Fallbeil hingerichtet.

Willi Graf wurde dann mit 13 anderen am 19. April 1943 der Prozess gemacht. Wieder tagte der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des Präsidenten Freisler in München. Noch am selben Tag wurden Willi Graf, Alexander Schmorell und Prof. Kurt Huber aus den gleichen Gründen zum Tode verurteilt. Gnadengesuche der Eltern von Willi Graf und Alexander Schmorell blieben erfolglos, sie wurden von Hitler persönlich abgelehnt. Am 12. Oktober 1943 wurde Willi Graf im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet.

Willi Graf ist unvergessen. Auch in Koblenz wird seiner gedacht. Die Willi Graf-Schule in Neuendorf ist nach ihm benannt. Dies geschah übrigens auf Initiative des zuvor erwähnten Koblenzer Alfred Wagner. Er war inzwischen Leiter der Grundschule in Neuendorf geworden und er sorgte im Jahre 1969 dafür, dass die Schule seitdem „Willi Graf-Schule“ heißt. Diesen Vortrag schließen möchte ich mit einem Wort des Trostes, das da lautet: „Ein Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

Ich danke für die Aufmerksamkeit.