Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Gedenktafel für Maria Terwiel an ihrem Geburtshaus in Boppard/Rhein.

 

Maria Terwiel, Widerstandskämpferin und gebürtige Bopparderin starb am 5. August 1943 durch das Fallbeil in Berlin-Plötzensee. Jetzt erinnert eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus in der Mainzerstrasse 17 an das Schicksal der Lehrerstochter.

Joachim Hennig vom Förderverein Mahnmal Koblenz skizzierte das Schicksal von Maria Terwiel.

Einen Pressebericht der Rhein-Zeitung können Sie HIER lesen

und nachfolgend lesen Sie die Ansprache von Joachim Hennig


Ansprache an der Gedenktafel für die Widerstandskämpferin Maria Terwiel an ihrem Geburtshaus Boppard,
Mainzer Straße 17 am 10. Juni 2009 - von Joachim Hennig

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Bersch,
sehr geehrter Herr Maurer,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, heute an der Einweihung der Gedenktafel für Maria Terwiel beteiligt zu sein. Damit findet das Gedenken an diese tapfere Widerstandskämpferin aus Boppard einen – zumindest vorläufigen – Höhepunkt. Die Geschichte nach der Geschichte, also die Geschichte des Gedenkens an sie, ist ein sehr gutes und Mut machendes Beispiel bürgerschaftlichen Engagements, das es verdient, hier noch einmal hervorgehoben zu werden.

Die Erinnerung an die am 7. Juni 1910, also vor 99 Jahren hier in diesem Haus geborene sog. Halbjüdin Maria Terwiel fiel nach der Befreiung vom Nationalsozialismus schwer. Probleme machte dabei nicht ihre unermüdliche und selbstlose Hilfe, mit der sie in Berlin zusammen mit ihrem Lebensgefährten Helmut Himpel Juden vor der Deportation und Vernichtung bewahrte. Vielmehr war es ihr Engagement für die Widerstandsorganisation Harnack/Schulze-Boysen. Denn diese Organisation wurde in der Nachkriegszeit genauso denunziert wie zuvor von der Gestapo, nämlich als ein von Moskau aus gesteuerter Spionagering, den man vor und nach 1945 die „Rote Kapelle“ nannte. Tatsächlich kamen die Mitglieder dieser mehr als 100 Personen umfassenden Widerstandsorganisation aus allen Schichten und Altersstufen, aus unterschiedlichen politischen Überzeugungen und religiösen Bekenntnissen. Maria Terwiel, die wie ihr Vater, der seine berufliche Laufbahn in Boppard als Seminarlehrer begann, katholischen Glaubens war und ihr evangelischer Lebensgefährte Helmut Himpel handelten dabei aus christlichem Glauben heraus. Die Harnack/Schulze-Boysen-Organisation war eine der größten und bedeutendsten deutschen Widerstandsgruppen überhaupt – der übrigens auffallend viele Frauen angehörten. Ein Schwerpunkt der Widerstandsarbeit bestand in Flugblattaktionen, mit denen die Gruppe die Bevölkerung über die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Aussichtslosigkeit des von Hitler angezettelten Zweiten Weltkrieges aufzuklären versuchte. Wegen der Denunziation als kommunistischer Spionagering, als „Rote Kapelle“, wurde die Erinnerung verdrängt - obwohl Maria Terwiel es verdient hätte, mit anderen Widerständlern wie Sophie Scholl in einem Atemzug genannt zu werden.

Es war eine glückliche Fügung, dass Ende der 50er Jahre der frühere Leiter der Kreissparkasse C.M. Ternes auf Maria Terwiel aufmerksam wurde. Nach Recherchen veröffentlichte er im Jahr 1959 in „Rund um Boppard“ eine erste Biografie mit dem Titel: „Maria Terwiel - ein Bopparder Kind Opfer des Widerstandes“. Diesen Aufsatz schloss Ternes vor nunmehr 50 Jahren mit den Worten:
Die Stadt Boppard und ihre Bürgerschaft, vor allem aber ihre junge Generation, verneigen sich in Ehrfurcht vor dem großen Opfer, das Maria Terwiel mit ihrem jungen, unerfüllten Leben ihrem Glauben und ihrem Volke brachte. Aber auch vor der tapferen, in einem seltenen Idealismus und einem unerschütterlichen Willen fundierten Haltung, die selbst den Tod nicht fürchtete. Die Stadtverwaltung Boppard sollte sich angelegen sein lassen, die Erinnerung an Maria Terwiel in geeigneter Form lebendig zu erhalten. Als ernste Mahnung aus der Vergangenheit und eindringliche Warnung für die Zukunft, aber auch als leuchtendes Beispiel edler, lauterer Menschlichkeit. Und nicht zuletzt als Vorbild echter christlicher Nächstenliebe, das in der Stille wirkte und diente, opferte und litt.

Ternes’ Mahnung ging nicht ganz unter. Immerhin ließ die Stadt Boppard es sich angelegen sein, eine kleine Straße, die von der „Zeil“ abgeht und dann bald in einer Sackgasse endet, nach Maria Terwiel zu benennen. Auch im Berlin, im Stadtteil Charlottenburg und nicht weit von der Hinrichtungsstätte in Plötzensee, ist eine kleine Straße, der Terwiel-Steig, nach ihr benannt.

Viele, viele Jahre später, in den 90er Jahren, war es dann der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Dr. Johannes Tuchel, der über Maria Terwiel und Helmut Himpel einen Aufsatz unter dem Titel „Christen in der Roten Kapelle“ schrieb. Ende der 1990er Jahre ging es aber gleichsam Schlag auf Schlag. Zunächst porträtierte ich Maria Terwiel in einem Rhein-Zeitungs-Artikel, um damit für die Errichtung eines Mahnmals für Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung zu werben, Auf Einladung des inzwischen verstorbenen Vorsitzenden des Geschichtsvereins für Mittelrhein und Vorderhunsrück, Dr. Heinz Missling, hielt ich im Mai 2000 im Rheinhotel Bellevue einen Vortrag über Maria Terwiel. Zur gleichen Zeit erschien das im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebene zweibändige Werk „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ mit einer Biografie von Maria Terwiel. Wenig später veröffentlichte ich meinen inzwischen überarbeiteten Vortrag als Aufsatz im Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte. Außerdem wurde und wird Maria Terwiel in der Dauerausstellung des Fördervereins Mahnmal Koblenz mit einer eigenen Tafel porträtiert, Diese Tafel ist im Übrigen auch vom Förderverein Mahnmal Koblenz auf seiner Homepage ins Netz gestellt.

Schließlich meldete sich die Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Auf die Zusendung meines Aufsatzes hin übersandte ihr Leiter Dr. Tuchel Herrn Bürgermeister Dr. Bersch einige Publikationen über die sog. Rote Kapelle und regte an, das schon sehr alte Schild der Maria-Terwiel-Straße zu erneuern und dabei mit einem erklärenden Zusatz zu versehen. Das geschah auch.

Es war wieder eine glückliche Fügung, dass Aloys Rump mit der Ausgestaltung des Treppenaufgangs in der neuen Bopparder Stadthalle beauftragt wurde und er beim der Auswahl der sieben dort porträtierten herausragenden Bopparder Persönlichkeiten auf die Widerstandskämpferin Maria Terwiel stieß. Es war dann auch das Thema „Maria Terwiel“, das Dich, lieber Aloys, und mich, nach mehr als 40 Jahren wieder zusammenbrachte – hatten wir doch in den 1960er Jahren in der alten „Penne“ – kaum einen Steinwurf von diesem Ort hier entfernt - die Schulbank gedrückt. Deine Arbeiten, lieber Aloys, haben so viel Furore gemacht, dass sie einen der Porträtierten, nämlich Herrn Dr. Heinz Maurer, für die ebenfalls porträtierte Maria Terwiel interessierten. Dr. Maurer, der Gründer der Firma Sebapharma, war es, der sich für die Erinnerung an Maria Terwiel einsetzte und diese Gedenktafel, vor der wir hier stehen, initiierte und auch finanzierte. Die Realisierung dieses Projektes war letztlich aber erst dadurch möglich, dass die Eigentümerin dieses prachtvollen Hauses aus der Gründerzeit, Frau Liesenfeld, das Anbringen der Gedenktafel hier erlaubte. Das ist keineswegs selbstverständlich und verdient ebenfalls Anerkennung. Ihnen, sehr geehrte Frau Liesenfeld, gebührt ebenfalls ein ganz herzliches Dankeschön.

Damit hat bürgerschaftliches Engagement nach 50 Jahren sehr gute Früchte getragen, wie wir hier und anderswo feststellen können. Dem Gedenken an Maria Terwiel wünsche ich, dass es nicht in Stein erstarrt, sondern dieser Stein ein Stein des Anstoßes ist.

Lassen Sie mich mit einem Zitat aus einem der letzten Briefe der zum Tode verurteilten Maria Terwiel schließen, den sie an ihre beiden jüngeren Geschwister Gerd und Ursula schrieb:
Seid tapfer im Leben und lasst Euch nicht immer an die Seite drücken wie bisher. Schade, dass ich nicht Euren Werdegang miterlebe, aber ich werde von oben aufpassen und versuchen, Euch zu helfen [...] Ich bedauere sehr, dass man mir nicht ein einziges Mal Sprecherlaubnis gegeben hat, so dass wir uns nicht ein einziges Mal mehr sehen konnten. Aber einmal sehen wir uns ja alle wieder. Und glaubt mir, Gerd und Urselchen, ich habe absolut keine Angst vor dem Tode und schon gar nicht vor der göttlichen Gerechtigkeit, denn die brauchen wir jedenfalls nicht zu fürchten. Bleibt Euren Grundsätzen treu und haltet immer und ewig zusammen.