Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

„Heimatbesuch“ ehemaliger jüdischer Bürger in Koblenz vom 23. bis 30. August 2009

Es ist schon eine längere und gute Tradition, dass frühere Koblenzer jüdischen Glaubens ihre alte Heimat an Rhein und Mosel besuchen. In diesem Jahr war es das 25. Mal.
Begonnen hatten die Besuche im Sommer 1985. Sie waren hervorgegangen aus einer intensiven Spurensuche von Schülerinnen des Hilda-Gymnasiums in Koblenz und ihrer Lehrerin Hildburg-Helene Thill. Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Hilda-Gymnasiums spürten Frau Thill und neun Schülerinnen über 50 ehemalige Koblenzer jüdischen Glaubens, vor allem ehemalige Hilda-Schülerinnen, auf. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie in den 1930er Jahren aus ihrer Heimatstadt Koblenz vertrieben wurden, ein ganz neues Leben haben anfangen müssen und nun in vielen Ländern der Welt leben. Die Resonanz der Angeschriebenen war nach all den Jahren überwältigend: Frau Thill und ihre jugendlichen Helferinnen erhielten von mehr als der Hälfte Antwort. Viele berichteten von dem eigenen Schicksal und dem Schicksal ihrer Angehörigen – in der NS-Zeit und auch in der Zeit danach. Ergänzt waren diese Berichte von zahlreichen Fotos und anderen Dokumenten aus früherer Zeit. Es entstand eine einzigartige Dokumentation von Lebensbildern ehemaliger Koblenzer jüdischen Glaubens.

Aus den Kontakten erwuchs die Idee, diese Menschen näher kennen zu lernen, sie nach Koblenz einzuladen und mitzuhelfen, ihre alte rheinische Heimat wieder zu sehen. Insgesamt zehn ehemalige Koblenzer jüdischen Glaubens ließen sich für diese Idee gewinnen. Die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit Koblenz e.V. nahm sich der Sache an und organisierte diesen ersten „Heimatbesuch“, auch die Stadt Koblenz war mit im Boot. – Es war für alle Teile ein Wagnis. Denn – so fragte man sich in Koblenz – wie würden diese Überlebenden des Holocaust, von denen sich viele Angehörige nicht mehr hatten retten können und in den Vernichtungslagern ermordet worden waren, nach langer Zeit diesem Land der Täter und seinen Menschen begegnen? So war Unsicherheit auf beiden Seiten. Denn dass es für die Gäste eine ungewisse und sehr erinnerungsreiche Fahrt in die alte Heimat werden wird, war allen Beteiligten bewusst.

Bestimmt hat es an der Sympathie aller füreinander, der guten Vorbereitung, dem guten Willen und auch der gesunden Neugier gelegen, dass dieser Heimatbesuch vor 25 Jahren ein voller Erfolg war. Neben den Festveranstaltungen der Hilda-Schule nahmen die Gäste an einer Schiffstour und einem Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt teil. Der Vorstand der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit war es eine große Aufgabe, den Gästen den Aufenthalt so angenehm und erlebnisreich wie möglich zu gestalten.

Nach diesem ersten Besuch stand fest, dass es weitere geben würde. Es entwickelte sich eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird. Die einwöchigen Besuche hatten ein ähnliches, inzwischen bewährtes Programm: Stets neu und interessant war die Zusammensetzung der Gäste. Manche waren treue Besucher. Es kamen aber auch immer wieder neue dazu. Der Kreis erweiterte sich auch um ehemalige Bürger aus Vallendar und Mülheim-Kärlich. Fast jedes Jahr gab es ein herausragendes Ereignis. Beim zweiten Heimatbesuch war es die Eröffnung der kleinen Ausstellung im Gedenkzimmer der heutigen Jugendbibliothek im „Bürresheimer Hof“. Höhepunkt des dritten Heimatbesuchs war die Publikation von Hildburg-Helene Thills „Lebensbilder jüdischer Koblenzer und ihre Schicksale“, die aufgrund jahrelanger sehr gründlicher Recherche und Kontakte entstanden war. Zum vierten Heimatbesuch erschien Elmar Ries’ Buch: „Wozu Menschen fähig sind – die Reichspogromnacht 1938 in Koblenz“. Aus der Reihe interessanter Besuche ragt der Heimatbesuch des Jahres 2001 heraus, in dessen Rahmen das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz auf dem Reichensperger Platz eingeweiht wurde.

Am 23.09. fand abends der Begrüßungsempfang im Hotel Berghof in Koblenz-Asterstein statt.

von links:

Frau Ruth Homrighausen, geb. Appel, mit ihrem Bruder Werner Appel und dessen Frau Christel

Eheleute Hilda und Harry Spanier mit Tochter Marilyn
Frau Lea Sassoon mit Tochter und Enkelsohn
Frau Dr. Marianne Pincus geb. Brasch (rechts) im Hintergrund ihre Tochter und ihr Schwiegersohn
Eheleute Hans und Egon Reich aus Schottland wurden erst noch vom Ersten Vorsitzenden der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Pfr. i.R. Schlenzig mit Frau Ursula vom Flughafen abgeholt.
Von Seiten der Christlich-Jüdischen Gesellschaft waren noch anwesend der Geschäftsführer Hans-Peter Kreuz, Frau Markowski, Frau Löwer, Pfarrer i.R. Hans-Werner Schlenzig mit Frau Ursula und Gertrud und Bodo Zielinski.
Der Freundschaftskreis Koblenz - Petah Tikva war vertreten durch seine Vorsitzende Doris Leber.

Am nächsten Tag fand um 17 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof statt mit anschließender Begegnung im Gemeindesaal
links vorn: Eheleute Reich aus Schottland, rechts vorn: Werner Appel und Frau Tami Blaettner aus Israel
Von rechts: Oberbürgermeister Dr. Eberhard Schulte-Wissermann und die Herren Preußer und Hehl vom Kulturamt

Der Donnerstag stand dann zur freien Verfügung und wurde zu Besuchen bei Freunden genutzt.
Am Freitag fand am Vormittag eine Begegnung mit Schülern des bischöflichen Cusanus-Gymnasiums statt und am Nachmittag traf man sich zu Kaffee und Kuchen im Hotel Brenner auf Einladung des Freundschaftskreises Koblenz/ Petah Tikwa.
Um 19 Uhr folgte der Gottesdienst zu Erew Schabbat in der Synagoge mit anschließendem Kiddusch
Am Samstag war um 10 Uhr der Schabbat-Gottesdienst vorgesehen.

Der Heimatbesuch endete am Sonntag.