Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Zu den Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz gab unser Förderverein die nachfolgende Presseerklärung ab:

 

Auch in diesem Jahr erinnert der Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V. in Kooperation mit der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit und der Stadt Koblenz an die NS-Opfer aus Koblenz. Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltungen zum nationalen Gedenktag am 27. Januar 2014 stehen Kinder und Jugendliche, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

 

Diese Kinder und Jugendlichen hatten eine ganz eigene Stellung innerhalb der Jugend im Nationalsozialismus. Für die Nationalsozialisten war die Jugend von besonderer Bedeutung und sie wurde anfangs sehr umworben. Alles fing für die damalige Jugend so positiv und bedeutsam an. „Macht Platz ihr Alten!“ lautete 1927 die zündende Devise von Gregor Strasser, dem Reichsorganisationsleiter der NSDAP. Die Nazis waren die Partei „der Jungen“. Fortan sollte Jugend von Jugend geführt werden. Die Bedeutung der jungen Generation wurde aufgewertet – durch Uniformen und Aufmärsche, spektakuläre Wettkämpfe und öffentliche Auszeichnungen.

 

Aber schon ideologisch wurde diese Jugend ausgenutzt – als Partei- und Staatsjugend nach dem Gesetz über die Hitler-Jugend von 1936 als „Soldaten einer Idee“. Man beraubte sie aller Freiräume und autonomen Gestaltungsmöglichkeiten. Zugleich setzte man sie im NS-Spitzel- und Überwachungssystem infam ein: Ältere, auch Eltern und Lehrer, liefen Gefahr, wegen regimekritischer Äußerungen von regimetreuen Jüngeren denunziert zu werden. Das Generationsverhältnis als Abhängigkeit und Kontrolle hatte sich umgekehrt. Hitler selbst hat es propagandistisch einmal so umschrieben: „Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. (...) Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich.“

 

Ein derartiges System musste – von seinem totalitären Anspruch her – alles das in den Worten Hitlers „weghämmern“, was nicht in dieses Leitbild des Nationalsozialismus passte. Damit gerieten die Kinder, Jugendlichen und Jugendführer in das Fadenkreuz der Nazis genauso wie die Erwachsenen. Die Nationalsozialisten machten da keinen Unterschied, gaben den Jüngeren keine Schonung wie wir sie – unter ganz anderen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen - unseren Kindern und Jugendlichen angedeihen lassen. Wie die Erwachsenen wurden auch sie wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer politischen Einstellung und ihres oppositionellen Verhaltens diskriminiert, ausgegrenzt, verfolgt und ermordet.

 

Zur Erreichung dieses Zieles wurden gewachsene jugendeigene Gruppen, die in Opposition zum Nationalsozialismus standen bzw. sich von ihm nicht vereinnahmen ließen, wie vor allem die katholische und bündische Jugend und ihre Führer bekämpft und gleich- und ausgeschaltet. Zudem brachte ein solches System jugendeigenen Widerstand und jugendeigene Resistenz hervor. Dies waren Gruppen und später auch nur noch einzelne aus dem bündischen, dem christlichen und dem Arbeiter-Milieu. Am bekanntesten sind aus der Zeit des Krieges – zu einem Zeitpunkt, in dem diese überkommenen Gruppen längst zerschlagen oder gleichgeschaltet waren – bestimmte informelle Gruppen, wie etwa die „Weiße Rose“.

 

Diesen Kindern und Jugendlichen will die von Förderverein Mahnmal Koblenz erarbeitete Ausstellung ihre Namen zurückgeben – denn vielfach waren sie nur eine Nummer. Ihre Biografie und das Andenken an sie soll wachgehalten werden. Denn das ist die Hoffnung: „Ein Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

 

In dieser Ausstellung präsentiert der Förderverein Lebensbilder und Schicksale von 24 Kindern und Jugendlichen als Opfer des Nationalsozialismus. Der Titel der Ausstellung „Rosen auf den Weg gestreut und des Harms vergessen! Eine kurze Spanne Zeit ist uns zugemessen.“ stammt aus dem Poesiealbum von Hannelore Hermann. Hannelore wurde als 13-Jährige zusammen mit ihren Eltern Leo und Johanna Hermann mit dem 1. Deportationszug mit Juden aus Koblenz am 22. März 1942 „in den Osten“ verschleppt, erst nach Izbica bei Lublin im von Deutschen besetzten Generalgouvernement und dann aller Voraussicht nach in das Vernichtungslager Sobibor und dort mit Giftgas ermordet. Heute erinnern Stolpersteine in der Johannes-Müller-Straße 6 an Hannelore Hermann und ihre Eltern.

 

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden sechs Biografien von „Kindertransport-Kindern“ aus Koblenz und Umgebung. Im Rahmen der Aktion „Kindertransporte“, die vor 75 Jahren stattfand, gelangten mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche aus dem Deutschen Reich nach England. Auslöser für diese einzigartige Hilfsaktion waren die Novemberpogrome („Reichspogromnacht“) der Nazis am 9./10. November 1938. Mithilfe der britischen Regierung und vieler privater Organisationen und Personen, vor allem von Quäkern, konnten auch Kinder und Jugendliche aus Koblenz und Umgebung nach England fliehen und so dem Holocaust entgehen. Sie kamen in Kinderheime und Pflegefamilien – ihre Eltern sahen die meisten von ihnen nie wieder.

Die Ausstellung wird eröffnet am Donnerstag, dem 16. Januar 2014, um 18.30 Uhr im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Koblenz, Hohenzollernstraße 13. Dort ist sie anschließend bis zum 7. Februar 2014 zu sehen. Ergänzt wird sie durch zwei weitere Veranstaltungen:


Am Freitag, 31. Januar 2014, 19.00 Uhr, mit dem Vortrag von Joachim Hennig: "Die Verfolgung deutscher und ausländischer Kinder und Jugendlicher in Koblenz und Umgebung" und am Donnerstag, 6. Februar 2014, 19.00 Uhr, mit dem Zeitzeugengespräch mit Werner Appel: "Jüdisches Leben und Überleben in Koblenz 1933 - 1945", jeweils im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Koblenz.

Am Montag, dem 27. Januar 2014 findet die öffentliche Gedenkstunde der Stadt Koblenz für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Sie beginnt um 17.30 Uhr mit der Statio am Mahnmal für die NS-Opfer auf dem Reichensperger Platz und wird mit der Gedenkveranstaltung gegen 18.00 Uhr in der Christuskirche fortgesetzt. Anschließend besteht Gelegenheit, die Ausstellung im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium zu besichtigen.

 

Einen Presseartikel der RheinZeitung vom 9. Januar 2014 HIER lesen