In der Ausgabe vom 28. Dezember 2000 berichtete Hennig über den Schönstatt-Pater Albert Eise:
„Ich danke Gott für die leidvolle Gnadenzeit“
Teil 8 der RZ-Serie von Joachim Hennig über Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz vom 28. Dezember 2000:
Pater Albert Eise
Bald nach der sog. Machtergreifung und unter Missachtung des Reichskonkordats führten die Nazis einen „Weltanschauungskampf“ gegen die katholische Kirche. Sie duldeten keine Religion oder Weltanschauung, die sie nicht beherrschen oder für ihre Zwecke benutzen konnten. Mit Beginn des II. Weltkrieges nahm die Unterdrückung - vor allem der Priester - noch zu. Eines dieser Opfer war der P. Albert Eise.
1896 im Schwäbischen geboren kam er im Alter von 14 Jahren mit dem Wunsch, Priester zu werden, nach Ehrenbreitstein. Dann wechselte er ins Studienheim der Pallotiner nach (Vallendar-)Schönstatt. Dort war P. Josef Kentenich Seelsorger; er prägte seinen weiteren Lebensweg maßgeblich. Als 18jähriger Schüler war Eise dabei, als P. Kentenich in Schönstatt die „Marianische Kongregation“, die Keimzelle der heute weltumspannenden Schönstatt-Bewegung, gründete. Bald folgten Wehrdienst, Eintritt in den Orden der Pallotiner, das Studium der Theologie, Priesterweihe und eine mehrjährige Tätigkeit als Rektor eines Gymnasiums. 1931 kehrte Eise nach Schönstatt zurück. Er wurde enger Mitarbeiter Kentenichs und wirkte als Volksmissionar, Studenten- und Familienseelsorger.
Bald gerieten die Schönstätter in Konkurrenz und Opposition zur NS-Ideologie sowie zu den NS-Jugendverbänden. „Wer der Ideologie Schönstatts verfällt, ist unfähig geworden für die nationalsozialistische Weltanschauung“, sagte einmal ein hoher Gestapo-Beamter. Um dem entgegenzuwirken, erstellte die Gestapo schon 1935 einen „Sonderbericht“ über die Schönstatt-Bewegung und beobachtete und kontrollierte deren führende Männer - auch Eise. Es blieb für ihn aber bei Verhören und einer Verwarnung.
Mit Beginn des II. Weltkrieges nahm die Repression wesentlich zu. Im Frühjahr 1940 wurde P. Fischer als erster enger Mitarbeiter von P. Kentenich verhaftet. Als zweiter kam P. Eise in Koblenz in „Schutzhaft“. Zum Verhängnis wurde ihm eine Tagung mit Studentinnen der Schönstatt-Bewegung im August 1941, die aus Sicherheitsgründen schon von Schönstatt nach Koblenz verlegt worden war. Aber alle Vorsicht half nichts, da sich ein Spitzel der Gestapo in die Gruppe eingeschlichen hatte. In der Kapelle des Barbara-Klosters nahm ihn die Koblenzer Gestapo mitten im Vortrag fest und brachte ihn ins Gefängnis in der Karmeliterstraße. Die Situation für Eise war schwierig, hatte der Spitzel doch an der Tagung teilgenommen und hatte Eise sogar Mitschriften von Vorträgen Kentenichs bei sich. Dadurch geriet auch Kentenich bald in „Schutzhaft“ in Koblenz.
Am 12. November 1941 kam Eise von Koblenz aus „auf Transport“ ins KZ Dachau. Dort traf er wieder mit P. Kentenich, P. Fischer und anderen Schönstättern zusammen. In dieser von manchen so genannten Hölle ohne Gott gründeten sie am 16. Juli 1942 zwei wichtige Zweige der Schönstatt-Bewegung: das Familienwerk und den Marienbrüder-Verband. Mit dem „Familienwerk“ ging ein lang gehegter Wunsch Eises in Erfüllung. In völliger Annahme seines Leidens („Mir geht es nach Gottes Ratschlüssen“) starb er am 3. September 1942 u.a. an Hungerruhr. Albert Eise ist nicht vergessen. Seine Urne ist neben der Gnadenkapelle in Schönstatt beigesetzt, auch mehrere Biografien erinnern an ihn.
In der Rhein-Zeitung vom 4. Januar 2001 erschien ein kleiner Beitrag über den Bad Kreuznacher Kommunisten und Emigranten Hugo Salzmann.
„tot oder lebendig ...“
Teil 9 der RZ-Serie über Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz vom 4. Januar 2001: Hugo und Julianna Salzmann
In der Verfolgung haben die Nazis Unvorstellbares „geleistet“. Sie haben sogar Menschen verfolgt, die sich der Verfolgung entzogen hatten. Geschehen ist dies Emigranten, und zwar während des II. Weltkrieges in den von den Nazis besetzten Ländern Europas. Opfer dieser Verfolgung waren u.a. die Eheleute Hugo und Julianna Salzmann. Ehe die Salzmanns in Koblenz verfolgt wurden, hatten sie schon ein bewegtes Leben hinter sich.
Als beide heirateten und 1932 ein Junge zur Welt kam, war Hugo Salzmann ( geb. 1902 und von Beruf Dreher) u.a. Organisationsleiter der KPD, Stadtverordneter und örtlicher Gewerkschaftsvorsitzender von Bad Kreuznach. Nach dem Reichstagsbrand 1933 konnte er untertauchen und - obwohl man ihn mit Plakaten („tot oder lebendig“) suchte - ins damals selbständige Saargebiet fliehen. Später folgte ihm seine Frau mit dem Kind nach. Dann flohen sie nach Frankreich. In Paris schlossen sie sich Emigrantenzirkeln an. Salzmann fand zunächst Arbeit und war dann an der Herstellung und Verteilung kommunistischer Zeitungen und Literatur beteiligt. Frau Salzmann kümmerte sich um Emigrantenfamilien, deren Lage in Frankreich sehr schwierig war. Nazi-Deutschland bürgerte sie 1938 aus.
Mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurde Salzmann von den Franzosen verhaftet und interniert. Seine Frau blieb mit dem Kind in Freiheit. Nach dem Überfall der Nazis auf Frankreich (1940) suchte die Gestapo auch sie und nahm eine Freundin von ihr in Geiselhaft. Mit den Worten „Ich habe nur ein Kind und ihr habt vier. Damit die vier Kinder ihre Mutter wieder erhalten“ stellte sie sich ihren Häschern.
Wochen später traf Frau Salzmann im Koblenzer Gefängnis ein. Nach langem Schweigen wurde eine Gefangene in ihre Zelle gelegt. Es war eine ehemalige deutsche Tänzerin, die sich inzwischen zu einer französischen Marquise „heraufgearbeitet“ hatte. Diese arbeitete als Agentin für die Gestapo in Gefängnissen, um so Informationen für die Nazis zu erhalten. Nach mehr als einjähriger Einzelhaft machte Julianna Salzmann dieser „Mitgefangenen“ gegenüber Äußerungen, die die Koblenzer Gestapo gierig aufgriff. Daraufhin kam sie „auf Transport“ ins Frauen-KZ Ravensbrück. Selbst in verzweifelter Situation, nahm sie sich dort sogleich eines elternlosen vierjährigen Ukrainermädchens an. Aber später versagten auch ihre Kräfte gegenüber dem Terror: Am 5. Dezember 1944 starb Julianna Salzmann u.a. an Bauchtyphus.
10 Tage nach dem Abtransport seiner Frau aus Koblenz traf Hugo Salzmann hier ein. Er war von der mit den Nazis kollaborierenden französischen Vichy-Regierung an die Gestapo ausgeliefert worden und wurde ebenfalls ein Jahr lang in Koblenz in Haft gehalten. Dann machte man ihm vor dem Volksgerichtshof in Berlin den Prozess und verurteilte ihn 1943 wegen „gefährlicher Emigrantenhetze gegen Deutschland vom damals sicheren Hort des Auslands aus“ zu acht Jahren Zuchthaus. Die Strafe verbüßte er im Zuchthaus Butzbach/Hessen. Im Mai 1945 wurde er befreit. Nach dem Krieg machte er dort weiter, wo er 1933 hatte aufhören müssen. Hugo Salzmann war u. a. Gewerkschafter und Stadtratsmitglied für die KPD in Bad Kreuznach. Er starb vor etwa 20 Jahren.