Ein neues Projekt beim Förderverein Mahnmal
Ein neues Projekt beim Förderverein Mahnmal, eine virtuelle Ausstellung über „Hugo Salzmann (1903-1979) Kommunist - Gewerkschafter - Künstler aus Bad Kreuznach“ ist bereits seit dem Jahreswechsel 2011/2012 in Bearbeitung und sollte eigendich bis zum "offiziellen Startschuß" geheim bleiben. Leider war die Presse in Bad Kreuznach schneller, so daß wir Ihnen, liebe Besucher, die Presseberichte nicht vorenthalten wollen. Hier ist die offizielle Version:
STADTVERWALTUNG BAD KREUZNACH
PRESSEMITTEILUNG
Für die Ausstellung „Hugo Salzmann (1903-1979) Künstler und Kommunist aus Bad Kreuznach“ ist das Stadtarchiv eine wichtige Fundgrube. Dort haben Julianna Salzmann und Joachim Hennig zwei Ausgaben der „Leuchtrakete“ entdeckt, eine Zeitung, die Hugo Salzmann selbst gestaltet und herausgegeben hat. Diese und andere Exponate von und über Hugo Salzmann sind ab 18. November im Internet zu sehen.
Eine Familiengeschichte, wie sie kaum spannender sein kann, beginnt in Bad Kreuznach um 1880. Zwei Glasbläser finden in der Glashütte Arbeit. Es sind der Großvater und der Vater von Hugo Salzmann, der in der Weimarer Republik nach einer Lehre als Metalldreher seine politische und vor allem antifaschistische Arbeit begann und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flüchten musste (siehe auch zur Person). Seine dritte Ehefrau, die im vergangenen Jahr starb, hinterließ ihrer Tochter Julianna Salzmann ein umfangreiches persönliches Archiv mit Fotos, Briefen und vieles mehr. Dazu gehören auch kleine Skulpturen, die Hugo Salzmann im Lager Le Vernet mit dem Taschenmesser aus Suppenknochen geschnitzt hat.
Dieser Nachlass bildet die Grundlage für eine virtuelle Ausstellung, die der Koblenzer Hobby-Historiker Joachim Hennig gemeinsam mit Julianna Salzmann und mit der Unterstützung ihres Bruders Hugo erarbeitet. „Wir geben dieser Familiengeschichte einen regionalen Bezug und beleuchten dabei die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Bad Kreuznachs von 1880 bis zu Salzmanns Tod im Jahr 1979“, so Hennig. Der Richter am Oberverwaltungsgericht Koblenz engagiert sich als stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus mit Sitz in Koblenz. Für die Ausstellung liefert das Stadtarchiv „wichtige Mosaiksteine“. Gemeinsam mit Julianna Salzmann hat Hennig Fotos von alten Stadtansichten wie Bismarckplatz (heute Kornmarkt) oder Schillingshof rausgesucht und Wahlergebnisse bis 1932 aus den Tageszeitungen kopiert.
Das Buch, in dem der österreichische Autor Erick Hackl das Leben und Schicksal von drei Salzmann-Generationen dokumentiert, war für Julianna Salzmann der Auslöser, sich wieder mehr mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Julianna Salzmann wurde 1948 Bad Kreuznach geboren und lebt seit 1972 in Frankfurt. „Die Lektüre des Buches hat mich mehr und mehr gefesselt.“ Ihr Bruder Hugo (1932 in Bad Kreuznach, geboren) stammt aus der Ehe ihres Vaters mit der im Konzentrationslager gestorbenen Juliana Salzmann. Er lebte in der Zeit der Inhaftierung der Eltern bei Verwandten seiner Mutter in Österreich. 1946 kehrte er wieder nach Bad Kreuznach zum Vater zurück, der inzwischen wieder verheiratetet war. Die Entfremdung zwischen Vater und Sohn war nach der langen Trennung zu groß. Der Salzmann-Enkel Hanno wurde in Österreich wegen der politischen Vergangenheit seiner Großeltern als Opfer bzw. Verfolgte des Naziregimes an seinem Arbeitsplatz angefeindet und gemobbt.
Mit Joachim Hennig war Julianna Salzmann mehrfach im Stadtarchiv und hat mit ihm gemeinsam Dokumente für die Ausstellung ausgesucht. „Dabei hat uns Frau Blum-Gabelmann sehr unterstützt“, bedankt sie sich bei der Stadtarchivarin. Joachim Hennig und Julianna Salzmann bedanken sich außerdem bei der Landeszentrale für politische Bildung, dem DGB, der Sparkasse Rhein-Nahe und der Stiftung Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach, für die finanzielle Unterstützung der Ausstellung „Hugo Salzmann (1903-1979) - Kommunist und Künstler aus Bad Kreuznach“, die zum Volkstrauertag am Sonntag, 18, November, im Internet freigeschaltet werden soll.
„Dieser Termin ist sicherlich im Sinne von Hugo Salzmann“, so Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer. Als DGB-Rechtssekretär hat sich Salzmann dafür eingesetzt, dass auf dem Friedhof ein Ehrengräberfeld mit einem Gedenkstein für die Opfer des Faschismus geschaffen wurde. Nach einer längeren Pause gab es dort im vergangenen Jahr am Volkstrauertag wieder eine Kranzniederlegung im Beisein von Julianna Salzmann.
Zur Person:
Als Gewerkschafter und Kommunist musste Hugo Salzmann nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 mit Frau und Sohn erst ins Saarland dann nach Paris flüchten. Dort wurde er wie andere Emigranten am 1. September 1939 verhaftet. Nach der Auslieferung durch das Vichy-Regime im November 1941 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zu acht Jahren Zuchthaus in Butzbach. wo er 1945 von den Amerikanern befreit wurde. Seine Ehefrau Juliana wurde ebenfalls interniert. Sohn Hugo junior fand Zuflucht bei Verwandten seiner Mutter in Österreich. Juliana Salzmann starb 1944 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück an Typhus. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Hugo Salzmann seine politische und gewerkschaftliche Arbeit in seiner Heimatstadt fort und machte sich auch als Künstler in seinen letzten Lebensjahren einen Namen. Nach Hugo Salzmann ist eine Straße in Bad Kreuznach benannt.
Ausstellung des Fördervereins Mahnmal Koblenz in der Sparkasse Koblenz
Aus Anlass des 70. Jahrestages der ersten Deportationen von Juden aus Koblenz ab dem 22. März 1942 präsentiert der Förderverein Mahnmal Koblenz die Ausstellung: „‘Das Vermögen verfällt dem Reich.‘ Vor 70 Jahren: Die Deportationen jüdischer Bürger aus Koblenz und Umgebung“. Gezeigt werden 12 Lebensbilder von ehemaligen jüdischen Nachbarn aus Koblenz und Umgebung. Sie ist in der Zeit vom 22. August bis zum 14. September 2012 in der Sparkasse Koblenz, Bahnhofstraße 11, während der Öffnungszeiten zu sehen und findet statt während des „Heimatbesuchs“ ehemaliger Koblenzer Bürger jüdischen Glaubens und ihrer Angehörigen. Eröffnet wird die Ausstellung am 22. August 2012 mit der Begrüßung durch den Vorstand der Sparkasse Koblenz und den Vorsitzenden des Fördervereins Mahnmal Koblenz Dr. Jürgen Schumacher. Ein Grußwort spricht der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz Dieter Burgard in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit im heutigen Rheinland-Pfalz. Der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Mahnmal Koblenz Joachim Hennig gibt eine Einführung in die Ausstellung. Die Veranstaltung wird umrahmt mit jiddischen Liedern, gesungen von Stefanie Maltha.
Flyer in lesbarer Ausführung HIER klicken
Einen Pressebericht von Blick-Aktuell HIER lesen
Lesen Sie nachfolgend die Einführung in die Ausstellung, die unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig zur Eröffnung gab.
„Das Vermögen verfällt dem Reich“ – Vor 70 Jahren:
Die Deportationen jüdischer Bürger aus Koblenz und Umgebung
Vortrag zur Ausstellungseröffnung in der Sparkasse Koblenz
am 22. August 2012
von Joachim Hennig
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, heute in der Sparkasse Koblenz zur Eröffnung der Ausstellung: „’Das Vermögen verfällt dem Reich’ – Vor 70 Jahren: Die Deportationen jüdischer Bürger aus Koblenz und Umgebung“ vor Ihnen sprechen zu können. Ich kann Sie – auch nicht nur einige von Ihnen – speziell begrüßen, dafür sind Sie erfreulicher Weise zu viele. Aber es drängt mich, doch den einen oder anderen von Ihnen zu erwähnen. Es sind dies Überlebende des Völkermordes an den europäischen Juden, dem Holocaust oder der Shoa, wie man es auch nennt, aus Koblenz und Umgebung. Sie hatten das Glück, vor der Vernichtung durch Hitler-Deutschland ins sichere Ausland zu fliehen. Ich begrüße sehr herzlich Frau Lea Sassoon aus Israel und Frau Spanier mit ihren Angehörigen aus den USA. Wir kennen uns von früheren „Heimatbesuchen“ und es ist sehr schön, dass Sie wieder bei uns in Koblenz sind.
Sie alle, meine Damen und Herren, sind ein eindrucksvolles Publikum für diese Veranstaltung. Ich freue mich besonders für das Thema und für die in dieser Ausstellung porträtierten Menschen und ihre Angehörigen, dass wir so eine große Resonanz gefunden haben. Es ist ein weiteres gutes Zeichen für Koblenz: Am Samstag gab es hier eine Neonazi-Demonstration – übrigens von Neonazis aus dem Trierer und Kölner Raum, denn hier in Koblenz gibt es so gut wie keine, die da mitmarschiert sind. Zu dieser Neonazi-Veranstaltung, die in der Stadt keinerlei – positive – Resonanz gefunden hat, fanden mehrere Gegenveranstaltungen statt: Die Kundgebung des DGB auf dem Bahnhofsvorplatz, die des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in der Januarius-Zick-Straße, die der Gewerkschaft Verdi in der Schloßstraße und die der SPD auf dem Reichensperger Platz am Mahnmal für die Opfer des National-sozialismus in Koblenz. Für den Förderverein Mahnmal Koblenz hatte ich die Ehre, auf der Kundgebung am Mahnmal zu sprechen. Dabei zitierte ich auch aus dem „Schwur von Buchenwald“ den 21.000 Überlebende des KZ Buchenwald auf dem Appellplatz zum Gedenken an ihre 60.000 ermordeten Kameraden sprachen. Darin heißt es u.a.:
Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach:
WIR SCHWÖREN!
21.000 Männer streckten die Hand zum Himmel und sprachen: „Wir schwören!“ ----
In den letzten 67 Jahren hat sich viel getan. Inzwischen leben wir in einem freiheitlichen, sozialen und demokratischen Rechtsstaat. Viele Hoffnungen von damals – wenn auch nicht alle - sind heute verwirklicht. Aber der „Schwur von Buchenwald“ ist – leider – immer noch aktuell: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung!“ Dazu will auch diese Ausstellung des Fördervereins Mahnmal Koblenz beitragen.
Mit der Ausstellung erinnern wir an die jüdischen Nachbarn und Bürger unserer Eltern und Großeltern, die vor 70, 80 und 90 Jahren hier in Koblenz und Umgebung lebten. Sehr viele von ihnen waren angesehene Bürger der Stadt: Metzger, Weinhändler, Hoteliers, Kaufleute, Rechtsanwälte, Richter, Ärzte u.a. mehr. Schon vor der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 hatte der Antisemitismus in Deutschland – auch hier in Koblenz – ihre berufliche und persönliche Position geschwächt. Diese Anti-Stimmung gegenüber den Juden verschärften und bündelten die Nazis dann in der ihnen eigenen Radikalität und Brutalität.
Schon einige Wochen nach dem 30. Januar 1933 gab es die ersten Ausschreitungen gegen Juden. Am 1. April 1933 rief die NSDAP zum Boykott „jüdischer Geschäfte, jüdischer Waren, jüdischer Ärzte und jüdischer Rechtsanwälte auf“. Dem Terror der Straße folgte der Terror der Gesetze und der Bürokratie. Mit dem - wie es hieß - „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurden die meisten Beamte „nicht-arischer Abstammung“ in den Ruhestand versetzt, mit einem Gesetz vom selben Tag verloren viele jüdische Rechtsanwälte ihre Zulassung. Eine Flut von weiteren Gesetzen und „Durchführungsverordnungen“ schloss sich an: Juden durften keine Kassenärzte mehr sein, für jüdische Studenten galten Zulassungsbeschränkungen, jüdischen Dozenten und Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst wurde gekündigt, Juden durften keine Steuerberater mehr werden und konnten nicht mehr Vorgesetzte in der Wehrmacht sein. Kein Jude durfte mehr Redakteur oder ständiger Mitarbeiter einer Zeitung oder Zeitschrift sein. Juden wurden aus Sportclubs, von der Benutzung von Sportplätzen und Schwimmbädern ausgeschlossen. Überall gab es Schilder: „Juden sind hier unerwünscht!“ oder gar: „Hunden und Juden ist der Zutritt verboten!“.
Nach einer neuen Welle antijüdischer Hetze in der NS-Presse ergingen dann am 15. September 1935 die infamen „Nürnberger Rassengesetze“. Das „Reichsbürgergesetz“ erfand den Begriff des „Reichsbürgers“. Nur dieser sollte die vollen Bürgerrechte haben und sie waren den „Ariern“ vorbehalten. Die Juden waren nur noch „Staatsbürger“ – Bürger zweiter Klasse. Zugleich wurden die letzten jüdischen Beamten aus ihrem Amt entfernt. Das so genannte „Blutschutzgesetz“ erfand den Straftatbestand der „Rassen-schande“. Danach waren die Eheschließung und auch der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und „Ariern“ unter Strafe gestellt. Alsbald durften Juden eine Vielzahl von Berufen nicht mehr ausüben – und wenn, dann nur noch für ihre jüdischen Mitbürger.
Ende 1937 ging die „Schonfrist“ auch für die jüdischen Firmen und Banken zu Ende. Göring gab die Parole aus: „Die Juden müssen jetzt aus der Wirtschaft raus!“ Es begann die große Welle der „Arisierungen“, der mehr oder minder noch freiwillige Verkauf jüdischer Firmen und Geschäfte an „Arier“. Schon bald musste jeder Jude sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen anmelden und durfte über sein Eigentum nur noch mit Genehmigung der Regierung verfügen.
Im Sommer 1938 ergingen weitere Berufsverbote mit der Folge, dass sich ein Jude kaum noch in der Wirtschaft betätigen konnte. Zur gleichen Zeit wurde die besondere Kennkarte für Juden und die Verpflichtung zur Annahme des zusätzlichen jüdischen Zwangsvornamens „Sara“ bzw. „Israel“ verordnet.
Am 9. November 1938 inszenierte Goebbels zusammen mit der SA, der SS und der Gestapo das, was man heute „Reichspogromnacht“ nennt. Überall im Reich brannten die Synagogen, Gemeindehäuser, Friedhofskapellen und andere jüdische Einrichtungen. Fast 100 Juden wurden ermordet, viel mehr hatten Verletzungen erlitten. 20.000 bis 30.000 Männer verschleppte man in die Konzentrationslager. Es war der Übergang von der Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden zu ihrer völligen Entrechtung und Vernichtung - dem Holocaust, der Shoa.
Wenige Tage später erließ Göring mehrere Verordnungen, mit denen die Juden nicht nur völlig aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen wurden, sondern auch noch für den gegen sie gerichteten Pogrom zahlen mussten: Die Versicherungssummen für Schäden durch den Pogrom wurden nicht den jüdischen Versicherungsnehmern ausgezahlt, sondern zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt. Aufgrund einer Verordnung zur „Wiederherstellung des Straßenbildes“ mussten alle Juden die entstandenen Schäden an ihren Geschäften und Wohnungen auf eigene Kosten beseitigen lassen. Allen deutschen Juden wurde eine Kollektivstrafe von einer Milliarde Mark auferlegt.
In den nächsten Tagen und Wochen ging ein Hagel neuer diskriminierender Verordnungen auf die Juden nieder. So wurden beispiels-weise alle Juden von staatlichen Schulen und Universitäten ausgeschlossen, auch war der Besuch von Theatern, Konzerten, Museen, Sportplätzen und Bädern verboten. Immer neue Gemeinheiten ersannen die Bürokraten, etwa das Verbot, Haustiere zu halten. Der Mieterschutz für Juden war weitgehend aufgehoben. Wenn man ihnen kündigte, mussten sie in so genannte Judenhäuser umziehen.
Ab September 1941 musste jeder Jude vom 6. Lebensjahr an einen gelben Stern auf der Kleidung aufgenäht tragen. Die öffentliche Demütigung und Brandmarkung waren vollkommen. Die Überwachung der verfolgten Minderheit wurde perfekt mit dem gleichzeitig erlassenen Verbot, den Wohnort ohne Genehmigung zu verlassen. Damit waren die Grundvoraussetzungen für die sich dann anschließende Deportation der Juden „nach dem Osten“ geschaffen. Nach und nach waren aus den Nachbarn Juden geworden und aus den Juden dann keine Menschen, sondern - wie der oberste Parteirichter der NSDAP bereits 1938 sagte – eine „Fäulnis-erscheinung“.
Die am 20. Januar 1942 stattfindende Konferenz am Großen Wannsee in Berlin bereitete den Völkermord an den europäischen Juden vor. In verschleiernder, grauenhaft beschönigender Sprache legte Heydrich den 15 Teilnehmern der Konferenz dar, wie der Völkermord an 11 Millionen Juden in ganz Europa organisiert würde. Die Juden sollten danach „in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz“ kommen, „wo zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird“ – so Heydrich weiter -, „da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus anzusprechen ist.“
Auch die regionale Zeitfolge wurde festgelegt. Heydrich dazu: „Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt. Das Reichsgebiet ein-schließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird, allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozialpolitischen Notwendigkeiten vorweggenommen werden müssen. Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in so genannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“ Auch wurde der Personenkreis festgelegt, wobei hinsichtlich der in Mischehen lebenden Juden noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde. Die anwesenden Vertreter der Ministerien nahmen die Ausführungen ohne jeden Widerspruch zur Kenntnis.
Damit war die Vernichtung von Millionen Menschen – nur weil sie anders waren als die „Herrenmenschen“ der Nazis - auf den Weg gebracht. Es begann der Höhepunkt des menschenverachtenden Antisemitismus, der jahrzehntelang zuvor geschürt worden war und der seit der Machtübernahme der Nazis immer brutaler und umfassender in die Tat umgesetzt wurde.
Ab Mitte März 1942 begann eine Deportationswelle, von der auch jüdische Bürger von Koblenz und Umgebung betroffen waren. Für ihre – wie es verschleiernd hieß - „Evakuierung in den Osten“ durften sie 50 Reichsmark und 50 Pfund Gepäck mitnehmen. 338 von ihnen aus der Stadt und dem damaligen Kreis Koblenz hatten sich in der Turnhalle in der Steinstraße einzufinden. Ihre letzte Nacht in Koblenz mussten sie in drangvoller Enge, auf Stroh und unter notdürftigen Bedingungen verbringen. Am Sonntag, dem 22. März 1942 um 14.00 Uhr – zur besten Spaziergehzeit – trieb die Gestapo die jüdischen Nachbarn vor den Augen aller, die es sehen wollten, durch die Steinstraße, dann die Mosel entlang, am jüdischen Friedhof vorbei, über die Balduinbrücke zum Güterbahnhof Lützel. Männer, Frauen und Kinder pferchte man in Personenwagen 4. Klasse und in Güterwagen, das Gepäck in die letzten Wagen. Diese Waggons wurden abgehängt und blieben in Koblenz: Tage später konnte man sie in der jüdischen Leichenhalle von der Gestapo kaufen, abends wurden die Sachen in den Altstadtkneipen weiterverkauft.
Zu der Zeit waren die jüdischen Nachbarn bereits an ihrem Zielort angekommen: das polnische Dorf Izbica bei Lublin im besetzten „Generalgouvernement“, an der Bahnlinie Lublin-Belzec. Die meisten der 4000 Einwohner waren polnische Juden, zu diesen hatten die Nazis im März 1942 noch deutsche, österreichische, tschechische und slowakische Juden verschleppt. Am Tag bevor die Juden aus Koblenz ankamen, trieb die Gestapo über 2200 Juden aus Izbica in das Vernichtungslager Belzec, wo sie noch am selben Tag mit Giftgas ermordet wurden. In die so geleerten Häuser mussten die Koblenzer: Mehr als zehn Familien in ein Haus. Dort waren sie fremd, verarmt, ohne Arbeit und Versorgung dem Elend preis-gegeben. Immerhin konnten sie – zensierte – Karten schreiben. Ein solches Lebenszeichen sandte Bertha Schönewald (früher: Hohenstaufenstraße 1 in Koblenz) an ihre nach Palästina geflüchteten Kinder: „Liebste Kinder. Bin gesund, hoffe Zeit zu überwinden. Habe große Sehnsucht. Lasset Irene und Lotte auch lesen. Euer Wohlergehen setze voraus. Umgehend Nachricht Herzliche Küsse Mutter.“
Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Wir wissen nur, dass nach einer Razzia in Izbica Mitte Oktober 1942 Tausende in Züge verladen wurden, die zwischen Izbica und den beiden Vernichtungslagern Belzec und Sobibor hin und her pendelten. Etwa 500 Juden wurden erschossen. Am 2. November schließlich verschleppte man die meisten noch verbliebenen Juden in das Vernichtungslager Sobibor.
Dieser 1. Deportation folgten weitere: die 2. am 30. April 1942 mit 105 Menschen und mit einem unbekannten Zielort, die 3. am 15. Juni 1942 mit 342 Personen aus der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn nach Izbica, die 4. am 27. Juli 1942 mit 79 Menschen ins Konzentrationslager Theresienstadt, die 5. am 28. Februar 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz und die 6. am 16. Juni 1943 ins KZ Theresienstadt.
In diesen sechs Deportationen von Koblenz aus wurden insgesamt 870 Juden „in den Osten“ verschleppt. Zurück blieb nur ihr Hab und Gut – soweit die Nazis es ihnen nicht schon vorher abgenommen hatten. Auch die ihnen noch verbliebenen materiellen Werte nahm man ihnen weg. Lapidar hieß es in der 13. Verordnung zum Reichbürgergesetz: „Nach dem Tode eines Juden verfällt sein Vermögen dem Reich.“
Die Erinnerung an diese jüdischen Nachbarn hält der Förderverein Mahnmal Koblenz mit Lebensbildern von Einzelpersonen wach. Von diesen zeigen wir hier 12 Biografien. Porträtiert werden:
1. Juristenfamilie Brasch (Jüdische Rechtsanwälte aus Mayen/Koblenz)
2. Hannelore Hermann (Jüdisches Mädchen aus Koblenz)
3. Jakob van Hoddis ( = Hans Davidsohn, jüdischer Dichter aus der
Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn)
4. Addi Bernd (jüdischer junger Mann aus Koblenz)
5. Selma Grünewald (Jüdische Frau aus Kobern-Gondorf)
6. Familie Arthur Salomon (Jüdische Rechtsanwaltsfamilie aus Koblenz)
7. Eva Salier (geb. Hellendag, jüdisches Mädchen aus Koblenz-Horchheim)
8. Familie Hugo Bernd (Jüdische Arztfamilie aus Koblenz)
9. Georg Krämer (Jüdischer Staatsanwalt aus Koblenz)
10. Familie Isaak Hein (Jüdische Familie aus Cochem)
11. Heinz Kahn (Jüdischer junger Mann aus Hermeskeil/Trier, lebt in Polch)
12. Eheleute Treidel (Jüdischer Rechtsanwalt und Frau aus Mayen/Koblenz)
Einen Bericht der Rhein-Zeitung HIER lesen
Während der Öffnungszeiten der Sparkasse wurde die Ausstellung des Fördervereins recht gut besucht. Gäste waren auch Schülerinnen und Schüler der Goethe-Schule - Realschule plus - mit ihren Lehrerinnen. Joachim Hennig vom Förderverein gab ihnen einen Überblick über die Geschichte der Juden in Koblenz und führte sie durch die Ausstellung. Abschließend sahen sich die Schülerinnen und Schüler einen Film mit dem Zeitzeugen Dr. Heinz Kahn an.
Fotos: Joachim Hennig im Gespräch mit den Schüler/Innen