Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Der internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2023

Nach zwei Jahren Unterbrechung finden in Koblenz wieder um und am Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus Veranstaltungen statt. Durch die Corona-Pandemie war es unserem Förderverein nur sehr eingeschränkt möglich, am 27. Januar 2021 und 2022 der NS-Opfer aus Koblenz und Umgebung zu gedenken.

Am Gedenktag im letzten Jahr fanden immerhin - im kleinen Kreis - wieder die traditionellen Veranstaltungen am 27. Januar statt: die Statio mit Oberbürgermeister Langner und Schülerinnen und Schülern Koblenzer Schulen und die Gedenkstunde mit christlich-jüdischem Gebet in der Citykirche. Die eigens für dieses Gedenken von unserem Förderverein mit 15 Biografien erarbeitete Ausstellung „Rheinische jüdische und politische Emigranten in französischer Haft“ haben wir wegen der Corona-Beschränkungen aber nicht real zeigen können. Wir präsentieren sie aber – um eine sehr umfangreiche Einführung ergänzt und vertieft - virtuell HIER auf dieser Homepage

Aus Anlass der 80. Wiederkehr der großen Razzia auf Juden in Paris und Umgebung am 16./17. Juli 1942 („La rafle du Vél d'Hiv“) hat unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig die Ausstellung noch um weitere Biografien von rheinischen jüdischen Emigranten aus Koblenz und Umgebung ergänzt. HIER der Link dahin

Um und am 27. Januar dieses Jahres finden in Koblenz und an vielen anderen Orten wieder die Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wieder in den traditionellen Rahmen statt. Eine Übersicht über die Veranstaltungen im ganzen Land Rheinland-Pfalz gibt das Programmheft des Landtages zu Veranstaltungen zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

 

 

Das Programmheft HIER einsehen oder herunterladen

Für unseren Förderverein Mahnmal Koblenz stehen bei den Veranstaltungen Opfer im Mittelpunkt, die zu Beginn der Nazi-Herrschaft verfolgt wurden. Der Anknüpfungspunkt dafür ist, dass sich am 30. Januar die sog. Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 zum 90. Mal jährt. Beide Daten, der 27. Januar 1945 mit der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz und der 30. Januar 1933 mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, zeigen den furchtbaren Zusammenhang zwischen Nazidiktatur und Völkermord auf. In nur 12 Jahren errichteten und betrieben die Nazis und ihre Helfer nach einer gescheiterten Demokratie einen Verbrecherstaat. Das geschah nicht irgendwo, sondern auch hier bei uns – in Koblenz. An die Anfänge dieser Entwicklung und an die frühen NS-Opfer vor 90 Jahren wird dieses Jahr erinnert.

Das Gedenken beginnt mit der Eröffnung der Ausstellung: „‘Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.‘ – Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz“

am Freitag, dem 20. Januar 2023, um 19.00 Uhr in der Citykirche am Jesuitenplatz in der Koblenzer Altstadt.


Porträtiert werden darin 24 Menschen aus Koblenz und Umgebung, die in das Fadenkreuz und die Verfolgung der Nazis gerieten. Das begann schon zwei Wochen nach der Machtübernahme der Nazis Mitte Februar 1933 mit der „politischen Säuberung“, der Diffamierung und Entlassung des Koblenzer Polizeipräsidenten 
Dr. Ernst Biesten und der Kriminalisierung des Vizepräsidenten der Rheinprovinz Dr. Wilhelm Guske. Das setzte sich fort mit den systematischen Verhaftungen von Kommunisten wie dem Metternicher Jakob Newinger, dem Buchhändler Richard Christ, dem Gastwirt Winand Schnitzler, dem Redakteur Josef (Jupp) Füllenbach u.a.

Schon zwei Monate später verfolgten die Nazis und ihre Helfer ihnen politisch missliebige und jüdische Beamte und entfernten sie aus dem Dienst wie den GerichtsassessoFritz Dreyfuß und den Gerichtsreferendar Jakob Schönewald. Die nächste Verhaftungswelle galt Gewerkschaftern und Sozialdemokraten wie dem SPD-Funktionär Johann Dötsch.

Andere politische Gegner konnten noch rechtzeitig aus Hitler-Deutschland fliehen, zunächst vielfach in das unter dem Mandat des Völkerbundes stehende Saargebiet wie der KPD-Reichstagsabgeordnete Nikolaus Thielen und André Hoevel. Als sie alsbald Deutsche Reich zurückkehrten, wurden sie bestraft und dann ermordet. Andere politische Gegner wie der Koblenz-Layer Kommunist Wilhelm Rott und der Bendorfer Sozialdemokrat Hans Bauer waren später Opfer der NS-Justiz.

Auch Zeugen Jehovas wurden kriminalisiert und in Strafhaft, später auch in „Schutzhaft“ in Konzentrationslager eingesperrt wie die Neuwieder Familie Michaelis. Frühe Opfer der NS-Verbrechen waren auch Kranke, Behinderte und sozial nicht angepasste Menschen. Sie wurden zwangsweise sterilisiert wie Männer und Frauen aus Horchheim, Arenberg, und Metternich, eines dieser Opfer, Jakob R. aus Koblenz-Horchheim, wurde dann noch im Rahmen der NS-„Euthanasie“ in Hadamar ermordet.

Die Ausstellung wird vom Vorsitzenden des Fördervereins Mahnmal Koblenz Dr. Jürgen Schumacher am Freitag, dem 20. Januar 2023, um 19.00 Uhr in der Citykirche am Jesuitenplatz in der Koblenzer Innenstadt eröffnet. Der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Joachim Hennig, der die Ausstellung erarbeitet hat, gibt dazu eine Einführung.

Die beiden Veranstaltungen am Gedenktag selbst, die unser Förderverein mit Kooperationspartnern organisiert, beginnen am Freitag dem 27. Januar 2023, um 15.00 Uhr mit der Statio am Mahnmal auf dem Reichensperger Platz. Dabei werden Schülerinnen und Schüler der Hans-Zulliger-Schule und der Diesterwegschule die Biografien der 24 NS-Opfer am Mahnmal anhängen und Oberbürgermeister David Langner wird deren Namen verlesen.

Anschließend um 16.00 Uhr findet die Gedenkstunde in der Citykirche statt. Es sprechen Oberbürgermeister David Langner und Vorsitzender des Fördervereins Dr. Jürgen Schumacher. Schülerinnen und Schüler des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums präsentieren eine Performance. Die Gedenkstunde endet mit einem christlich-jüdischen Gebet und wird umrahmt von Musik.

Anschließend besteht Gelegenheit, die Ausstellung in der Citykirche zu besuchen. Diese ist bis Freitag, dem 10. Februar 2023, zu besichtigen.


Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

 

Lesen Sie nachfolgend den Vortrag unseres stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Hennig zur Eröffnung der Ausstellung: 
„‘Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.‘ – Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz“.

 

  „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ –

  Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz

  Einführung in die Ausstellung

  von Joachim Hennig

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung unserer Ausstellung „‘Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.‘ – Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz“. Der Titel der Ausstellung ist ein Zitat von Bertold Brecht. Es sind die Schlussworte des Epilogs zu dem Parabelstück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Das im Gangstermilieu von Chicago angesiedelte Stück schildert parabelhaft und durch Übersteigerung verfremdet das Emporkommen und die Karriere Hitlers und seiner Gefolgsleute in der Weimarer Republik bis hin zur Annexion Österreichs im März 1938. Der Epilog drückt neben der Warnung auch Hoffnung aus. Er endet mit den Worten:

So was hätt einmal fast die Welt regiert!

Die Völker wurden seiner Herr, jedoch

Dass keiner uns zu früh da triumphiert -

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

Berthold Brecht, auch ein Opfer des Nationalsozialismus, dessen Bücher vor 90 Jahren bei der Verbrennung von 20.000 Büchern „undeutschen Geistes“ verbrannt wurden, will uns mit „Arturo Ui“ und dem Zitat mahnen und warnen. Auch wir vom Förderverein Mahnmal Koblenz wollen das mit Veranstaltungen zum 27. Januar 2023 und mit dieser Ausstellung anlässlich der 90. Wiederkehr der Machtübernahme der Nazis tun. Das, was vor 90 Jahren auch hier in Koblenz geschah, ist zwar Geschichte und Geschichte wiederholt sich nach einer sehr verbreiteten Lehrmeinung nicht. – Aber heute noch gibt es neue Ansteckungsgefahren. Der tödlich gewesene Virus des Antisemitismus, des Rassismus, der Demokratiefeindlichkeit und Menschenverachtung grassiert heute noch wie schon früher. Deshalb müssen wir durch die Geschichte gewarnt werden vor Verschwörungstheorien, Fake News, Querdenken, Reichsbürgern und Rechtsradikalen: Nie wieder, nie wieder Faschismus.

Es sind immer wieder die Jahrestage, die die dunklen und verbrecheri-schen Seiten unserer Geschichte wachrufen und uns Heutige mahnen. Mit der Ausstellung gedenken wir zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz vor 78 Jahren. Außerdem erinnern wir uns an die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 und an die frühen Opfer der Nazis hier bei uns. Und schließlich jährt sich am heutigen Tag zum 81. Mal der Tag der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942, auf dem der Völkermord an den europäischen Juden organisatorisch besprochen wurde.

Wenn man diese Daten so nebeneinanderhält, wird diese Geschichte noch bedrückender als sie ohnehin schon ist: Vor 90 Jahren übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland. 9 Jahre später organisierten sie den Völkermord, 3 weitere Jahre später hatten sie 6 Millionen Juden und 5 Millionen andere missliebige Menschen ermordet. – Und als zynisches „Vorspiel“ dazu hatten die Nazis vor 100 Jahren am 9. November 1923 mit dem Marsch auf die Feldherrnhalle in München den Hitler.-Putsch versucht und vor 93 Jahren im Januar 1930 wurde bei der Bildung der rechtskonservativen Regierung in Thüringen mit dem Minister des Innern und für Volksbildung Wilhelm Frick zum ersten Mal ein Nazi Minister im Deutschen Reich.

Und: Wie war das noch – nicht vor 100 Jahren sondern vor wenigen Jahren, Monaten?: Im Jahr 2020 wurde nach der Landtagswahl in Thüringen ein FDP-Abgeordneter mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Wenige Monate später gab es den Sturm auf den Reichstag in Berlin. Und Anfang Dezember 2022, vor 8 Wochen, kam ein Putschversuch von Reichsbürgern ans Licht, mit einem veritablen Prinzen, einer Richterin und Bundestags-abgeordneten und einigen hohen früheren Bundeswehrsoldaten. Und wenn man dann noch an die sich häufenden rechtsradikalen, antisemitischen Gewalttaten denkt. – Bis jetzt haben wir „Glück“ gehabt – aber: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Das Geschehen vor 80 – 90 Jahren hat niemand von uns bewusst erlebt, es ist für uns Geschichte, ist abstrakt. Näher kommt es uns durch Lebensbilder, Biografien von Nachbarn unserer Eltern und Großeltern, ehemaligen Bürgern von Koblenz. Deshalb, aber vor allem zur Erinnerung an sie, habe ich für den Förderverein Mahnmal Koblenz diese Ausstellung erarbeitet und deshalb präsentieren wir sie hier zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Porträtiert werden in der Ausstellung insgesamt 24 Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Schicksalen Opfer der Nationalsozialisten und ihrer vielen, viel zu vielen Helfer wurden. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie frühe Opfer der Nazis waren und aus Koblenz und Umgebung stammten oder hier lebten.

Koblenz war damals Gauhauptstadt, Hauptstadt des Gaus Koblenz-Trier-Birkenfeld, aber so „normal“, dass man anhand der Geschichte hier praktisch die gesamte frühe Verfolgungsgeschichte und deren Opfer aufzeigen kann.

Erstes Opfer der in der Ausstellung porträtierten 24 Menschen war am 12. Februar 1933 – nur zwei Wochen nach der sog. Machtergreifung der Nazis - der Koblenzer Polizeipräsident Dr. Ernst Biesten. Er war ein entschiedener Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus und wurde mit besonderer Häme aus dem Dienst entfernt. Erst wurde er bis auf weiteres beurlaubt, dann in den Ruhestand versetzt.

 

Ein weiteres Opfer wurde der Vizepräsident der Rheinprovinz Dr. Wilhelm Guske. Er war Mitglied der SPD und auch im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und in der „Eisernen Front“ führend tätig. Bereits nach dem sog. Preußenschlag am 20. Juli 1932, bei dem der Reichskanzler von Papen die preußische Regierung entmachtete, wurde Guske in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sodann versuchten die Nazis, ihn zu kriminalisieren. Am 27. März 1933 wurde er verhaftet und mit Handschellen und Hunden durch Koblenz geführt.

Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, den die Nazis den Kommunisten in die Schuhe schoben, wurden im gesamten Deutschen Reich tausende von Kommunisten nach vorbereiteten Listen verhaftet. Aus Koblenz und Umgebung kamen ca. 80 Kommunisten in „Schutzhaft“. Einer der ersten war Jakob Newinger, der in seiner Wohnung in Metternich festgenommen wurde. Andere waren der Koblenzer Gastwirt Winand Schnitzler, der in Köln in „Schutzhaft“ kam und der Höhr-Grenzhauserer Arbeiter Alfred Knieper. Während letztere später fliehen oder bald entlassen wurden, blieb der Koblenzer Buchhändler und gewählte Stadtverordnete Richard Christ länger in „Schutzhaft“ und wurde im August 1933 mit 40 anderen Gefangenen in das Konzentrationslager Börgermoor im Emsland verschleppt. Nach seiner Entlassung im folgenden Jahr starb er bald an den Folgen der erlittenen Folter.

Anderen gesuchten Kommunisten gelang noch rechtzeitig die Flucht, wie dem KPD-Reichstagsabgeordneten Nikolaus (Klaus) Thielen aus Vallendar und dem Kommunisten Andreas (André) Hoevel. Diese wie auch der Bad Kreuznacher Kommunist Hugo Salzmann. der Neuwieder Sozialdemokrat Josef (Jupp) Füllenbach und der Höhr-Grenzhausener Hermann Geisen flohen in das benachbarte Saargebiet, das damals noch als Mandatsgebiet des Völkerbundes einen besonderen Status hatte. Während Thielen und Hoevel alsbald in das Deutsche Reich zurückkehrten und in das Fadenkreuz der Gestapo gerieten, so dass sie langjährige Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern und schließlich den Tod erleiden mussten, holten Salzmann, Füllenbach und Geisen ihre Familien nach und flohen dann weiter nach Frankreich. Dort in Frankreich gerieten sie später in die Fänge der Gestapo und wurden vom Volksgerichtshof zu langjähriger Zuchthaushaft bzw. – wie Hermann Geisen - zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Eine Sonderstellung unter diesen politischen Flüchtlingen nahm der Neuwieder Friedrich Wolf ein. Wolf war den Nazis besonders verhasst, er war nicht nur Kommunist, sondern auch ein damals schon angesehener Autor sozialkritischer Theaterstücke und zudem Jude. Während seine Schriften bei der „Bücherverbrennung“ der Nazis am 10. Mai 1933 in Flammen aufgingen, schrieb er sein berühmtestes Werk: Professor Mamlock. Darin schildert er anhand eines (erfundenen) jüdischen Arztes und Klinikchefs die „Machtergreifung“ der Nazis und das Bemühen des Demokraten Mamlock, den Naziterror nicht wahrnehmen zu wollen. Als Mamlock in seinem Umfeld und an sich selbst den Terror erfahren muss, zerbricht er und nimmt sich das Leben. Friedrich Wolf selbst konnte emigrieren und überlebte.

Wie sein Schicksal zeigt, waren die Juden zu dieser frühen Zeit wegen ihres Judeseins noch nicht mit dem Leben bedroht. Sie wurden als solche aber diskriminiert und ausgegrenzt, viele Akademiker erhielten Berufsverbote. Das galt auch für Juristen wie den Gerichtsassessor Fritz Dreyfuss und den Gerichtsreferendar Jakob Schönewald. Beide verließen schon wenige Monate nach der Machtübernahme der Nazis Koblenz und flohen in Nachbarländer. Als Juristen konnten sie zeit ihres Lebens aber keine angemessene, berufsadäquate Tätigkeit mehr ausüben.

Nachdem die Nazis ihre schärfsten politischen Gegner, die KPD und die Kommunisten, ausgeschaltet hatten, bekämpften sie die Gewerkschaften und die Sozialdemokraten. Mit dem Sturm auf die Gewerkschaftshäuser und der Zerschlagung der freien Gewerkschaften Anfang Mai 1933 und dem faktischen Verbot der SPD als „staats- und volksfeindlich“ im Juni 1933 gerieten auch die Gewerkschafter und Sozialdemokraten verstärkt ins Fadenkreuz der Nazis. Einer von ihnen war der Metternicher SPD-Funktionär Johann Dötsch. Dötsch wurde wiederholt für kürzere Zeit hier in „Schutzhaft“ genommen. Nach seinen jeweiligen Freilassungen enthielt er sich – wie viele andere Sozialdemokraten auch - jeglichen politischen Engagements, Dötsch wurde aber während des gesamten Zweiten Weltkriegs in „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert.

Andere politische Gegner der Nazis kamen erst in „Schutzhaft“, dann in Untersuchungshaft und wurden von Strafgerichten wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Nach der Verbüßung verschleppte man sie in Konzentrationslager. Dieses Schicksal widerfuhr dem Koblenz-Layer Kommunisten Wilhelm Rott und dem Bendorfer Sozialdemokraten Dr. Johann (Hans) Bauer (der zuvor als Schulleiter wegen „politischer Unzuverlässigkeit aus dem Schuldienst entlassen worden war) und der Kommunistin Anneliese Hoevel. Nach jahrelanger Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern kam Anneliese Hoevel mit ihrem auch aus dem KZ entlassenen Ehemann André nach Koblenz. Die Hoevels bildeten u.a. mit Jakob Newinger in Metternich eine Widerstandsgruppe in Metternich. Nach deren Denunziation wurden Jakob Newinger zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe und die Eheleute Hoevel zum Tode verurteilt. Anneliese und Andrè Hoevel starben unter dem Fallbeil.

Auch damals gelang manchen politischen Gegnern der Nazis, wie dem Kommunisten Ernst Buschmann, noch vor der Verhaftung die Flucht. Buschmann rettete sich nach Holland und nahm als Kommandant eines Bataillons der Internationalen Brigaden am spanischen Bürgerkrieg teil.

Alsbald nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 gerieten auch die Ernsten Bibelforscher, wie die Zeugen Jehovas damals noch hießen, in das Fadenkreuz der Nazis und der Gestapo. Diese völlig unpolitischen Menschen warf man mit den Kommunisten in einen Topf und verurteilte sie - allein deshalb, weil sie wie heute von Haus zu Haus gingen und für ihren Glauben warben. Nach Verbüßung ihrer Strafe ließ man sie vielfach nicht frei, sondern nahm sie in „Schutzhaft“ wie den Neuwieder Fritz Michaelis, der im Konzentrationslager Dachau starb, oder wie seine Frau Liesbeth, die nach ihrer Entlassung aus der Haft für ihre Glaubensbrüder weiter aktiv blieb und deshalb zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde.

Mit ihrem Rassenwahn brachten die Nazis außer den Juden auch hunderttausenden anderen Menschen großes Leid und den Tod, wie den Zigeunern, wie die Sinti damals noch hießen. Frühe Opfer dieser menschenverachtenden Politik waren psychisch Kranke und Behinderte. Diese wurden zwangsweise sterilisiert. Man geht heute von 350.000 bis 400.000 Menschen aus – fast jeder 100. Deutsche im fortpflanzungsfähigen Alter wurde unfruchtbar gemacht. Unter diesen Opfern waren auch zahlreiche Koblenzerinnen und Koblenzer wie etwa die Metternicherin Magdalena M. und die Horchheimerin Katharina P. Dass dabei auch andere „missliebige“, sozial nicht angepasste Menschen zwangssterilisiert wurde, zeigt das Schicksal des Arenbergers Johann Ch. Sie alle hatten körperlich und vor allem viele Jahre psychisch unter dieser Menschenverstümmelung zu leiden. Für manche war damit aber ihr Leiden immer noch nicht zu Ende. Vielmehr gerieten sie einige Jahre später noch in die NS-„Euthanasie“ wie Jakob R. Nach dessen Zwangssterilisation im Evangelischen Stift St. Martin durch den früheren Ehrenbürger und Chefarzt Dr. med. Dr. phil. h.c. Fritz Michel im Jahre 1935 wurde Jakob R. über die Heil- und Pflegeanstalt Andernach am 7. Mai 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg an der Lahn verlegt und dort höchstwahrscheinlich noch am selben Tag mit Giftgas ermordet.

Diese und weitere frühe NS-Opfer werden in der Ausstellung porträtiert. Mit den mehr als 20 Lebensbildern will der Förderverein Mahnmal Koblenz an diese und auch andere Opfer der Nationalsozialisten erinnern. Damit sich diese Geschichte und diese Staatsverbrechen nicht wiederholen, sollen sie uns Heutigen auch eine stete Mahnung sein, wie schnell – wie es die Nazis taten – eine schwache Demokratie in eine Diktatur umgestaltet, ein Terrorapparat schon sehr früh etabliert und ein Rechtsstaat und die Bürgerrechte unter den Augen der Bevölkerung demontiert werden konnte. Denn die Mahnung Berthold Brechts gilt auch heute noch: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse. Lassen Sie uns jetzt die Ausstellung gemeinsam anschauen. Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung.

 

Die Veranstaltungen zum und am 27. Januar 2023 wurden auch von der Rhein-Zeitung – Ausgabe Koblenz - und der Heimatzeitung „Koblenz am Wochenende“ angekündigt.

Lesen Sie HIER die Rhein-Zeitung – Ausgabe Koblenz – vom 16. Januar 2023 und

HIER „Der Schängel – Lokalanzeiger, Nr. 3/2023.

Des Weiteren berichtete die Rhein-Zeitung – Ausgabe Koblenz – in ihrer Ausgabe vom 30. Januar 2023 über die Gedenkveranstaltungen in Koblenz am 27. Januar 2023. Lesen Sie hier den Bericht.

Der stellvertretende Vorsitzende Joachim Hennig hielt am 27. Januar 2023 überdies auf Einladung der „Initiative Erinnern“ Andernach im Historischen Rathaus in Andernach einen Vortrag zum Thema:

„‘Furchtbare Juristen‘ in und aus Koblenz und Umgebung 1933-1945“.

Lesen Sie HIER den Text des Vortrages (ohne die umfangreiche Powerpoint-Präsentation)

Auch an anderen Orten im Umland von Koblenz erinnerten Zeitungsberichte über die von unserem Förderverein porträtierten frühen NS-Opfer:

So im Naheland:

Lesen Sie HIER den Artikel von Wolfgang Bartels in der Allgemeinen Zeitung vom 27. Januar 2023 „Erinnerungen an den Verbrecherstaat – Am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wird auch im Kreis Bad Kreuznach der Opfer des Nationalsozialismus gedacht“.

Darin wird erinnert an die Kreuznacher Ausnahmesportler und Juden Julius und Hermann Baruch, an den Kreuznacher Kommunisten Hugo Salzmann und an den evangelischen Pfarrer Paul Schneider, den „Prediger von Buchenwald“.

Und so in Neuwied und Umgebung:

Lesen Sie HIER den Artikel von Rainer Claaßen in der Rhein-Zeitung – Ausgabe Neuwied – vom 27. Januar 2023 „Zeugen Jehovas zählten zu den Verfolgten. – Gedenken an Neuwieder NS-Opfer aus den Reihender religiösen Gemeinschaft“.